Leverkusen A 3-Visite: im Rausch der Motoren

Leverkusen · Berufsverkehr am Mittag? Gibt's nicht. Trotzdem ist die Autobahn A 3 bei Leverkusen voll. Lkw-Kolonnen, Hupkonzerte, Tennissocken, Niederländer mit Wohnwagen. Eine Draufsicht von der Autobahnbrücke am Knochenbergsweg.

Eine langgezogene Kurve später kommt der Stau. Aber noch ahnen die Meisten nicht, was sie erwarten könnte und geben Gas — links raus, rechts rein. Sie überholen Peter, David und Reinhard in ihren Sattelzügen mit Namensschild hinter der Windschutzscheibe. Josef nimmt das Rein und Raus gelassen hinter seinem Riesenlenkrad. Vielleicht muss er auch langsam fahren — wegen der Fracht. Josef lenkt einen Brummi, auf dem das Wort Edeka aufgedruckt ist. Eventuell ist Joghurt geladen oder Eisbergsalat oder Schweinekoteletts in Grill-Marinade oder Supermärkte in Köln oder dahinter scheinen Bedarf zu haben. Innerhalb von fünf Minuten fahren zwei weitere Edeka-Aufschrift-Sattelzüge vorbei an Autobahnkilometer 129,5 und ein bisschen.

Die Mittagssonne zaubert zwischen Wolken hindurch einen seltsamen Schimmer auf das grüne Geländer der Autobahnbrücke am Knochenbergsweg, der in dem Teil des Wiesdorfer Südens liegt, der Köln heißt. Es ist ein Licht, wie es manche Maler mögen. Ein Ort, wie ihn manche Stauschauer mögen. Solche, die Ohrstöpsel haben oder einen guten MP3-Spieler oder den Sound der Autobahn lieben. Denn der dröhnt.

Mitternacht an St. Joseph

Die A3 ist in beide Richtungen gut, sehr gut gefüllt. Für den Moment ausgestorben sind größere Lücken zwischen den Dahinrasenden, und selbst wenn es sie gäbe, eine Verschnaufpause für die Ohren gewährten sie nicht. Das Grundsummen der A3 ist stetig. Ein gurgelnd fließender Autostrom in südlicher und nördlicher Richtung.

Ob jemals Ruhe herrscht? Zwölf Stunden später vielleicht, wenn's Mitternacht schlägt am Turm der Kirche St. Joseph in Manfort, der prima zu sehen ist von der Knochenbergsweg-Autobahnbrücke. Ob man die Glocken, falls sie denn die Stunde schlagen, dann von hier hören könnte? Die Frage bleibt offen. Denn die einzigen Glocken im übertragenen Sinne, die zu hören sind, sind die den Grundlärm schrill übertönenden Hupen, betätigt von Autofahrern, denen der Vordermann zu langsam fährt.

Es sind viele Schlipsträger mit Aktenkoffer auf dem Beifahrersitz unter den Autofahrern auszumachen. Viele Wagen haben Kennzeichen der Region — frisch aufgefahrene Leverkusener, Düsseldorfer, Kölner, Kreis Mettmann, Ennepetal, Viersen, Krefeld und NL. Für die Niederlanden. Letztere sind zwischendurch unglaublich zahlreich und unglaublich klischeehaft, weil ein Wohnwagen dranhängt. Ein BMW-Mini wagt eine Exkursion ins ferne Ausland — seinen Außenspiegeln hat der Besitzer Schonbezüge im Britische-Fahne-Design übergestülpt.

Apropos international — auf dem einsehbaren Stück Richtung Leverkusener Kreuz stehen im Mittelstreifen Straßenlaternen. Das erzeugt ein schönes Urlaubsgefühl, weil's ist, wie wir's von belgischen Autobahnen kennen, die zum Beispiel ans Meer führen. Wo's genauso rauscht wie, nein, auf der A3 rauscht's doch anders, motoriger.

Das Briten-Bekenntnis am Mini saust ebenso vorüber wie die illustre Reisegruppe eines Wiedenhoff-Busses und die üppig bestückten Armaturenbretter der Brummifahrer. Alufolienhäufchen lassen auf Leberwurststullen schließen, Thermoskannen auf einen Schluck Beilaunehalten-Kaffee und Füße mit Tennissocken auf einen Beifahrer.

Tempolimit? Eine Empfehlung

Dass alle Peters, Davids, Reinhards und Josefs hinter den Brummisteuern wissen, dass sie ab der Anschlussstelle Leverkusen in Richtung Köln wegen des Lkw-Überholverbots gar nicht mehr von den rechten Spur rüber gedurft hätten, ist unwahrscheinlich angesichts der Elefantenrennen, die sich einige Lkw-Lenker liefern.

Die seit kurzem von der Polizei festgeschriebenen Tempolimits zwischen Leverkusen und der Baustelle Mülheim werden von manchem Autofahrer zu einer Empfehlung degradiert. Auf der kleinen Brücke am Knochenbergsweg interessiert das kaum jemanden. Denn es kommt auch kaum jemand vorbei — zwei, drei einsame Radfahrer, ein paar Autos, ein Laster, der mit seinem Gewicht die Brücke vibrieren lässt. Das war's. Nur drunter rollt's kontinuierlich auf gerader Strecke gen Ruhrgebiet und gen Süden in die langgezogene Kurve, hinter der der Baustellenstau in Köln-Mülheim Brummifahrer Josef schon längst empfangen hat.

(RP)
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