Rückblick 1930 90 Jahre Leverkusen – die Stadtgeschichte begann mit Absage nach Köln

Leverkusen · Vor genau 90 Jahren ist Leverkusen entstanden. Eine besondere Rolle spielten die Schlebuscher. Die Geschichte einzelner Ortsteile ist viel älter.

 Das Wiesdorfer Stadtzentrum in Leverkusens Stadtgründungsjahr  1930 mit dem alten Rathaus und der Christuskirche.

Das Wiesdorfer Stadtzentrum in Leverkusens Stadtgründungsjahr  1930 mit dem alten Rathaus und der Christuskirche.

Foto: Stadtarchiv Leverkusen

„Kann man einen nicht verknusen, schickt man ihn nach Leverkusen“, unkten Werksmitarbeiter der Firma Bayer, als die Produktion des Unternehmens zwischen 1895 und 1900 aus Elberfeld an den Rhein verlegt wurde. Davon ist heute keine Rede mehr. „Leverkusen hat viel mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint“, verkündet Karlheinz Beeres bei jeder seiner Rundfahrten durch die Großstadt, in der 167.000 Einwohner aus rund 130 Nationen in 13 verschiedenen Stadtteilen leben und die ebenso großstädtisches Flair wie ländliche Idylle zu bieten hat. Entscheidende Bedeutung für die heutige Eigenständigkeit hat eine Absage an den Oberbürgermeister von Köln.

Zwar ist Leverkusen noch eine relativ „junge“ Stadt im Bergischen Land, die am 1. April 1930 – also vor genau 90 Jahren – durch den Zusammenschluss der Stadt Wiesdorf mit den Gemeinden Schlebusch, Steinbüchel und Rheindorf gegründet wurde. Aber ohne Schlebusch, so betont der 80-jährige Saal, hätte die Gründung der Stadt „nicht vollzogen werden können“. Er schildert das Geschehen wie folgt:

 Am Anfang der Schlebuscher Fußgängerzone liegt das 1892 gebaute alte Bürgermeisteramt. Es diente bis 1930 als Sitz der Gemeindeverwaltung der bis dahin selbstständigen Gemeinde Schlebusch.

Am Anfang der Schlebuscher Fußgängerzone liegt das 1892 gebaute alte Bürgermeisteramt. Es diente bis 1930 als Sitz der Gemeindeverwaltung der bis dahin selbstständigen Gemeinde Schlebusch.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Nachdem Konrad Adenauer 1917 zum jüngsten Oberbürgermeister von Köln gewählt worden war, strebte er die flächenmäßige Ausdehnung nach Norden an. Damit wollte er sich wohl vor allem die sprudelnden Steuerquellen der „Farbenfabriken Bayer“ sichern. „Und da Dünnwald schon zu Köln gehörte, sollte Schlebusch als Erstes eingemeindet werden“, berichtet Saal. Dagegen widersetzten sich die Industriellen Carl Duisberg und Theodor Wuppermann. Ohnehin bevorzugten die Gemeinderäte von Steinbüchel und Lützenkirchen einen Zusammenschluss mit Wiesdorf oder Opladen. Doch der Gemeinderat Schlebusch war mit dieser Lösung nicht einverstanden und entschied sich – sehr zum Unmut der Bürger – für Verhandlungen mit der Stadt Köln. Erst der Kreisausschuss untersagte den schon perfekt ausgehandelten Vertrag.
Saal: „In einer Volksabstimmung am 15. Mai 1929 korrigierte die Schlebuscher Bevölkerung die eigenmächtige Entscheidung des Schlebuscher Gemeinderates. Bei einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent stimmten 2341 Bürger für Wiesdorf und nur 102 Personen für Köln, 22 Stimmen waren ungültig. Ein neugewählter Gemeinderat von Schlebusch bestätigte diesmal den gewollten Zusammenschluss der Bürger mit der Stadt Wiesdorf. Somit war der Weg zur neuen Stadt Leverkusen frei.“

Die Geschichte einzelner Ortschaften reicht deutlich weiter in die Vergangenheit. Sie können auf interessante Ereignisse zurückblicken. So geben Ausgrabungen Hinweise auf die Anwesenheit der Römer. Erstmals erwähnt wurden die Siedlungen des heutigen Stadtgebiets ab dem 10. Jahrhundert. Seit dem Mittelalter gehörte das rechtsrheinische Land – somit auch Leverkusen – zu großen Teilen zur mächtigen Erzdiözese Köln. Ein Gut in Rheindorf wurde im 11. Jahrhundert in Zusammenhang mit dem Kölner Apostelstift genannt. Hitdorf wiederum wurde im Jahre 1151 mit seiner Abtei St. Pantaleon und mit einem Fronhof erwähnt, in dem ein Untervogt des Grafen von Berg wohnte.

 Eine Zeitreise ins Leverkusen der 20er und 30er Jahre bietet das Koloniemuseum mit zeitgenössischer Ausstattung.

Eine Zeitreise ins Leverkusen der 20er und 30er Jahre bietet das Koloniemuseum mit zeitgenössischer Ausstattung.

Foto: Bernd Bussang

Das Herzogtum Berg wurde 1806 aufgelöst, an den französischen Kaiser Napoleon abgetreten und zum Großherzogtum Kleve-Berg erweitert. Folglich wurden auch die Verwaltungsstrukturen neu organisiert, seit 1808 gehörte das Gebiet zu den französisch regierten Gemeinden Opladen und Schlebusch des Kantons Opladen, Arrondissement (Regierungsbezirk) Düsseldorf, Département Rhein. Als Bürgermeisterämter dienten die Wohnhäuser der jeweiligen Gemeindevorsteher. In Schlebusch war es zum Beispiel das Haus von Jakob Salentin von Zuccalmaglio in der einstigen Adlerapotheke.

Vor dem 18. Jahrhundert war das Stadtgebiet nur dünn besiedelt und bestand aus kleinen Gemeinden, Höfen und einzelnen Häusern. Das änderte sich mit der Neuzeit. Im Jahr 1819 wohnten 1018 Bürger in Schlebusch, 1510 in Lützenkirchen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebte von der Land- und Forstwirtschaft. „Viele waren auch als Weber an den häuslichen Webstühlen tätig. Da einige Bewohner dem hiesigen ‚Bergischen Landwein‘, dem ‚flüssigen Korn‘, wie sie ihn nannten, nicht abgeneigt waren, musste der Bürgermeister manches Mal hitzige Schlägereien schlichten – und für einige Zeit das traditionelle Pfingsteiersingen verbieten“, beschreibt Kurt Saal, Ehrenbrudermeister der Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Schlebusch, Einzelheiten aus dem alten Schlebusch.

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