Leverkusen 1945: eine Prozession zurück ins Leben

Leverkusen · Heute vor 70 Jahren rückten amerikanische Truppen in Opladen ein. Die Menschen konnten wieder aufatmen.

Bilder von Leverkusen zum Kriegsende
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Der 15. April des Jahres 1945 war ein Tag, der auch das Leben der Menschen in Opladen nachhaltig verändern sollte. Heute vor 70 Jahren rollten amerikanische Panzer ins Stadtgebiet ein - ein Datum, an das sich alte Opladener wie der pensionierte Schuldirektor Karl-Heinz König noch immer gut erinnern können.

"Damit war für uns Opladener der Krieg mit seinen Schrecken zu Ende", schreibt König in einem Beitrag für unsere Zeitung, in dem er die Zeit damals wieder aufleben lässt: "Wir lebten zwar auch nach diesem Tag wie bisher in unseren schlecht geheizten, durch Bombenschäden vielfach lädierten und oft nur notdürftig reparierten Häusern", berichtet er. Und auf dem Weg von der Ruhlach in die Innenstadt seien die Menschen täglich an den Riesentrümmern der in letzter Minute gesprengten Eisenbahnbrücke Rennbaumstraße vorbeigekommen, an dem großen Luftminenkrater auf der Freiherr-vom-Stein-Straße mit dem eingestürzten Reichsbahn-Wasserturm, an der ausgebrannten Remigiuskirche und vielen anderen Kriegsnarben mehr.

Bunker in NRW - Überreste des Krieges
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Dennoch: "Mit dem Einzug der Amerikaner veränderte sich unser Leben schlagartig", beschreibt der Pädagoge, der viele Jahre als Direktor die Hauptschule Langenfeld leitete: "Der monatelange Kanonendonner der näher rückenden Amerikaner auf der linken Rheinseite und das Geheul der Luftschutzsirenen verstummte, die Nächte in unseren häuslichen Luftschutzkellern oder im Stollenbunker unter der Himmelsleiter an der Wupper waren zu Ende, die Angst vor den plötzlich auftauchenden Tieffliegern und heranrückenden Bombergeschwadern fiel wie ein Alptraum von uns ab - und wir konnten aufatmen", schildert König.

Bilder vom Kriegsende im Rhein-Kreis Neuss
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Wassenberg zum Ende des Zweiten Weltkriegs
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Er hat ein Zitat von Pfarrer Hermann Mülfarth von Sankt Remigius Opladen entdeckt, der selbst wenige Wochen zuvor beim Bombenangriff vom 28. Dezember 1944 die Zerstörung der Pfarrkirche miterlebt hatte und nur wie durch ein Wunder aus den Trümmern seines Pfarrhauses gerettet werden konnte. Es zeigt, wie sehr sich die Menschen damals nach einem Stück Normalität in ihrem schweren Alltag sehnten. In der Pfarrchronik über dieses Aufatmen in den ersten Tagen der Opladener Nachkriegszeit schreibt Mülfarth demnach: "Trotz der anfänglichen Ablehnung durch die Besatzungsmacht konnten wir am Himmelfahrtstag zum ersten Male wieder eine Prozession durch die Straßen führen, nicht auf dem herkömmlichen Wege, der zu viel durch Trümmer behindert war, sondern durch den wenig zerstörten und durch freundliches Grün einladenden Stadtteil Ruhlach. War diese Prozession in ihrer Aufmachung auch nicht zu vergleichen mit den späteren, nun wieder regelmäßig gehaltenen, so war sie doch die innerlich ergreifendste, die Opladen erlebt hat. Den Menschen, die sich in hellen Scharen zur Teilnahme oder als Zuschauer eingefunden hatten, standen die Tränen in den Augen, als die Musik die alten Sakramentslieder in der Öffentlichkeit intonierte. Sie konnten es kaum fassen, dass eine solche Wendung der Dinge eingetreten war." Ein Zeitzeuge, der als Achtjähriger diesen Freiluft-Dank-Gottesdienst von seinem Elternhaus Ruhlachplatz 2 aus miterlebt hat, weiß sich laut König zu erinnern, dass damals die Nachbarn, ob katholisch oder nicht, tatkräftig mitgeholfen hätten, den Platz herzurichten und die Häuser für diesen Anlass zu schmücken - "ein Zeichen spontan praktizierter Ökumene nach dem gemeinsam überstandenen Inferno des Krieges", sagt der Opladener. Und ein Mosaikstein der Erinnerung, der dank Menschen wie König nicht in Vergessenheit geraten wird.

(RP)
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