Leverkusen 1914 - Kriegstagebuch eines Opladeners

Leverkusen · Martin Hubert Peiffer war Beobachter im Ersten Weltkrieg - bei einer Einheit, die mit Deutschlands erster Wunderwaffe, der "Dicken Bertha" vorrückte. Sein Tagebuch ist heute im Besitz seines Opladener Neffen Gisbert Hohns.

 Bleistiftzeichnungen und Landkarten, auf denen der Onkel die Frontlinien eingezeichnet hatte, an denen er beim Frankreich-Feldzug via Belgien vorrückte, sind ein wesentlicher Bestandteil des Tagebuchs.

Bleistiftzeichnungen und Landkarten, auf denen der Onkel die Frontlinien eingezeichnet hatte, an denen er beim Frankreich-Feldzug via Belgien vorrückte, sind ein wesentlicher Bestandteil des Tagebuchs.

Foto: Uwe MIserius

Gelesen hat Gisbert Hohns schon häufiger in den Aufzeichnungen seines verstorbenen Onkels "Bert". Aber durch die vielen Berichte in Zeitungen und Fernsehen anlässlich des Kriegsbeginns vor 100 Jahren, hat er die in Leder gebundenen Erinnerungen noch einmal ganz genau studiert. "Mein Kriegstagebuch 1914 - 1916" steht in Goldschrift auf dem Deckel.

 "Mein Kriegstagebuch 1914 - 1916" steht in Goldschrift auf dem Deckel der Aufzeichnungen.

"Mein Kriegstagebuch 1914 - 1916" steht in Goldschrift auf dem Deckel der Aufzeichnungen.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das Lesen fällt leicht, weil hier jede Seite fein säuberlich auf einer Schreibmaschine getippt wurde. Den Text ergänzen Bleistiftzeichnungen und Landkarten, auf denen der Onkel die Frontlinien eingezeichnet hatte, an denen er beim Frankreich-Feldzug via Belgien vorrückte. "Er war Beobachter im Ersten Weltkrieg", erklärt Hohns, als Leutnant bei einer Einheit, die mit Deutschlands erster Wunderwaffe, der "Dicken Bertha" vorrückte - einer 42-Zentimeter-Mörser, die vom Rüstungskonzern Friedrich Krupp AG entwickelt und gebaut wurde.

 Die Rundbilder der zweiten Buchhälfte zeigen nur verbrannte Erde.

Die Rundbilder der zweiten Buchhälfte zeigen nur verbrannte Erde.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Martin Hubert Peiffer, so der volle Name von Onkel Bert, war in Köln sehr bekannt. Als Zahnarzt gründete er dort die Kinderzahnklinik, außerdem dokumentierte er die Geschichte des Kölner Männergesangsvereins in mehreren Bänden. Die gehören allerdings zu jenen Medien, die beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs zerstört wurden.

 Peiffer und ein Kriegskamerad in einer seltenen Portrait-Aufnahme.

Peiffer und ein Kriegskamerad in einer seltenen Portrait-Aufnahme.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das Tagebuch vermittelt einerseits die vorherrschende Stimmung bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, ist aber auch voller tragischer Ereignisse. "Ein Stellungskrieg, das muss ganz furchtbar gewesen sein", sagt Hohns, dessen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg bei der Lektüre wieder geweckt wurden.

Beispielsweise an die Bombardierung Dresdens, die er miterlebt hat. "Das hatte ich zwischendurch völlig verdrängt", stellte er fest. Der Onkel beschrieb, wie Menschen auseinandergerissen wurden und wie sie sich zusammensuchten, wie Schlösser besetzt, geplündert und zerstört wurden. Außerdem hinterließ er Fotografien, die genau vermitteln, welche Schneise der Zerstörung die Front in Belgien und Frankreich hinterlassen hat. Als Beobachter hatte er nicht nur die Pläne der Kampflinien zu zeichnen, sondern auch Rundbilder anzufertigen. Er klebte dazu etliche Einzelaufnahmen zu einem Rundum-Panorama zusammen, das sich zu einem Leporello zusammenfalten lässt.

Mehrere davon stecken neben Luftaufnahmen, Kartenmaterial, Geheimpapiere, das Original Soldbuch, Briefen und Kriegszeitungen der 4. Armee in einem dicken Schuber, der die zweite Hälfte des Kriegstagebuchs ausmacht. Die Rundbilder zeigen nur verbrannte Erde, eine unwirkliche Landschaft mit durchlöchertem Gelände und verkohlten Bäumen, von denen nur noch die Stämme stehen blieben, und selten die Reste zerstörter Gebäude, von denen nur noch wenige Steine zu sehen sind.

Angesichts dieser Zerstörung mutet es fast grotesk an, dass einzelne Punkte in peinlich ordentlicher Schrift bezeichnet sind. Auch die feindlichen Schützengräben mit genauer Kilometerangabe. Onkel Bert war ein guter Zeichner und hielt im Tagebuch unter anderem detailgenau jenen Hof in Belgien fest, auf dem er zu Beginn des Krieges Quartier genommen hat.

Zehn Jahre nach dem Krieg habe der Onkel zusammen mit seiner jungen Frau Anna nochmals die gesamte Frontlinie abgefahren, weiß Gisbert Hohns. Peiffer schrieb damals einen ausführlichen Bericht darüber in der Kölnischen Zeitung, die er ebenfalls dem Neffen vermacht hat, der selbst von Jugend an Erlebtes genau dokumentiert hat. "Mein Vater hatte bereits mit einer Chronik angefangen", sagt Gisbert Hohns, "und ich habe sie dann später weiter geführt."

Es ist die überaus interessante Geschichte eines Bauunternehmens, das im Laufe der Jahrzehnte halb Opladen errichtet hat, vermischt mit privaten Ereignissen, geschrieben mit Sinn für Humor und illustriert mit diversen Tuschezeichnungen.

(mkl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort