Leichlingen „Wir waren blind“

Leichlingen · Infolge des Finanzskandals muss der Fußballverein SC Leichlingen um die Gemeinnützigkeit bangen und Steuernachforderungen vom Finanzamt fürchten. Die moralische Seite der Affäre stieß vielen Mitgliedern übel auf.

Jahrelang war er der "Mr. SC Leichlingen". Willi Jakobs gab nicht nur den Vorsitzenden des Fußball-Bezirksligisten, sondern betätigte sich nach Bedarf auch als Würstchenverkäufer und Stadionsprecher — als eine Art "Mädchen für alles". Aber er war auch Protagonist des größten Skandals in der Vereinsgeschichte. Seit 2004 floss ein Großteil der für die Jugend bestimmten 145.000 Euro aus dem Nachlass von "Kuddel" Karl-Heinz Goldau in die Finanzierung der ersten Mannschaft. Dafür mussten er und Bruder Hans sich nun verantworten. Im Gegensatz zum 2. Vorsitzenden Reinhard Hahnenberg stellten sie sich den Mitgliedern bei der Jahreshauptversammlung in der Alten Schalterhalle am Leichlinger Bahnhof.

Selbstanzeige erwogen

Dem neuen Vorstand um Udo Mau (wir berichteten) gaben die 42 anwesenden Mitglieder gleich den Auftrag mit, unter Hinzuziehung eines externen Steuerprofis die Finanzen der vergangenen Jahre zu ordnen — und möglicherweise eine Selbstanzeige beim Finanzamt einzureichen. Was dem Klub droht, wurde in der Diskussion ausführlich erörtert. Die Palette reicht von zu erwartenden Steuernachforderungen aus der Spieler-Bezahlung bis hin zum rückwirkenden Entzug der Gemeinnützigkeit (inklusive dann fälliger Erbschaftssteuer für die 145.000 Euro). Unabhängig von der rechtlichen Komponente stieß vielen Mitgliedern die moralische des Skandals übel auf. "Ihr habt Kuddels Testamentserklärung mit Füßen getreten. Das war pietätlos", ereiferte sich beispielsweise Aloys "Ali" Franz, der später zum Beisitzer des neuen Vorstands gewählt wurde.

"Das hätte nie passieren dürfen. Es war nicht rechtens und gegen jede Sitte", pflichtete ihm Hans Jakobs bei. Bruder Willi versuchte zu erklären, wie es zur Fehlverwendung der Erbschaft kommen konnte. "Wir waren blind und haben komplett über unsere Verhältnisse gelebt. Wir haben uns auch von manchen Außenstehenden antreiben lassen und selbst immer weiter getrieben", sagte er. Namen wollte er zwar nicht nennen. Aber manches Vereinsmitglied mutmaßte hinter vorgehaltener Hand, Günter Bremer (bislang bestellter Geschäftsführer) könne damit gemeint sein. Anders als der Rest des Vorstandes will der auch künftig die erste Mannschaft in den Mittelpunkt der Arbeit stellen. "Sie ist das Aushängeschild eines Vereins, und zu mindestens 70 Prozent werde ich für sie da sein. Ich will nicht, dass hier Dreibeinige als Bananen-Mannschaft auflaufen", antwortete er auf entsprechende Fragen. Dafür bekam er die Quittung in Form von sechs Gegenstimmen, 13 Enthaltungen und einer Ablehnung seiner vorgeschlagenen Satzungsänderungen.

Saison wird zu Ende gespielt

Übrigens: Auch wenn das vereinbarte Geld nicht mehr fließen sollte, will die Bezirksligamannschaft die Saison zu Ende spielen.

(RP)
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