Dr. Hermann-Josef Tebroke Trotz Trump: Ich glaube an die Vernunft

Leverkusen · Der Landrat des Rheinisch-Bergischen-Kreises warf beim Besuch unserer Redaktion einen Blick auf Herausforderungen in 2017 - und wurde auch persönlich.

 Auf Augenhöhe: Landrat Hermann-Josef Tebroke gestern beim Redaktionsbesuch in Opladen.

Auf Augenhöhe: Landrat Hermann-Josef Tebroke gestern beim Redaktionsbesuch in Opladen.

Foto: Schütz

Herr Dr. Tebroke, Sie sind in das letzte Jahr Ihrer Amtszeit als Landrat gestartet. Was werden die größten Herausforderungen sein - und welche Themen aus der jüngeren Vergangenheit wirken vielleicht noch nach?

Tebroke Wenn man das vergangene Jahr und die kommenden Monate nimmt, so ist es sicherlich das Thema Mobilitätsentwicklung, das im Rheinisch-Bergischen Kreis und seinen angehörigen Kommunen höchste Priorität genießt. Bezogen auf die vergangenen zwei Jahre war es die Unterbringung von Flüchtlingen und daraus folgernd die Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren sehr viel im Bereich Bildung angestoßen - und ein Dauerthema ist natürlich die finanzielle Situation der Kommunen. Wenn ich jetzt bestimmte Zeiträume genannt habe, so heißt das nicht, dass einige der genannten Themen erledigt wären. Sie beschäftigen uns weiter, sind aber ins operative Geschäft der Verwaltung eingeflossen.. Viele dieser Projekte stehen langfristig auf der Agenda und sind nicht an meine Amtszeit als Landrat geknüpft, sondern werden auch darüber hinaus kontinuierlich weiterverfolgt.

Sie haben die Finanzen bereits angesprochen. Leichlingen hat gerade einen Etat beschlossen, der ein Loch von knapp 5,7 Millionen Euro aufweist. Gestopft wurde es durch einen Griff in die Rücklagen-Schatulle sowie Erhöhung der Grundsteuer B. Fällt den Städten nichts anderes ein - und kann der Kreis denn nicht helfen?

Tebroke Wenn Sie jetzt noch berücksichtigen, dass Leichlingen nicht einmal zu den Sorgenkindern im Kreisgebiet zählt, sondern relativ gut dasteht, wird die Dimension dieses Problems noch deutlicher. Wir haben es hier mit einer strukturellen Fehlentwicklung zu tun. Die Kommunen werden vom Land einfach nicht genug unterstützt.

Inwiefern?

Tebroke Es gibt zwar immer wieder Förderprogramme, aber die gehen oft an den wirklichen Bedürfnissen vorbei. Beispiel: das Programm "Gute Schule 2020". Da werden Gelder teils für Sanierungsmaßnahmen an Schulgebäuden zweckgebunden, die die Kommunen schon längst erbracht haben. Für die wirklichen Bedürfnisse an den Schulen fließt jedoch kein Cent. Das Antragsverfahren ist oft kompliziert. Und außerdem brauchen die Städte und Gemeinden verlässliche, dauerhafte Unterstützung - vor allem im Bereich der Jugendhilfe und der Sozialleistungen. Warum also kann man Kreis und Kommunen nicht an der Umsatzsteuer beteiligen, anstatt Gelder in immer neuen Förderprogrammen zu verstecken? Man muss auch deutlich sagen, dass NRW in der Förderung der Kommunen weitaus schlechter dasteht als andere Bundesländer. Ich denke, die Kommunen in NRW könnten davon profitieren, wenn mehr Mittel des Bundes ohne einen Umweg über das Land bei ihnen ankämen. Denn sie kennen die Dringlichkeiten vor Ort und könnten die Gelder entsprechend einsetzen.

Sie haben den Leichlinger Haushalt genehmigt, aber gleichzeitig angemahnt, die Stadt müsse ihre Sparbemühungen deutlicher erkennbar machen. Dafür hat sie die FDP kritisiert und aufgefordert, ihre "klugen Ratschläge für sich zu behalten"...

Tebroke Ja, und das hat mich im ersten Moment auch geärgert, denn es ist sachlich nicht korrekt. Ich habe auch Verständnis für die finanziellen Probleme der Kommunen. Als Landrat wiederum bin ich Aufsichtsbehörde für die Kommunen und deshalb verpflichtet zu überprüfen, inwieweit Sparankündigungen eingehalten werden. In Leichlingen war es nun mal so, dass eine Liste mit Sparvorschlägen, die es zuvor immer gegeben hatte, plötzlich nicht mehr erkennbar war. Dies anzumahnen, ist meine Pflicht. Gleichzeitig habe ich den Etat genehmigt, weil er mit dem Gesetz übereinstimmt. Nichts anderes tun Landräte und Bezirksregierungen überall im Land.

Und was tut der Rheinisch-Bergische Kreis, um den Kommunen beim Sparen zu helfen?

Tebroke Im Rahmen unserer Möglichkeiten tun wir, was wir können. Wir haben den Kreisumlagesatz von 44 Prozentpunkten im Jahr 2012 auf 38,95 im aktuellen Haushaltsjahr gesenkt. Daneben haben wir vor fünf Jahren die Produktkritik eingeführt, ein Konsolidierungsprogramm, das jährlich 6 Millionen einspart. Dennoch müssen wir weiter unsere Rücklagen aufzehren. Selbst wenn wir diese aufbrauchen würden, würde das nicht reichen, um einer einzigen Stadt wie Leichlingen aus dem Schlamassel zu helfen. Es bleibt dabei: Ohne Hilfe von Land und Bund geht es nicht.

Dennoch packen Sie große Themen an im Kreis, wie etwa das Mobilitätskonzept. Was hat es denn damit auf sich? Mehr Radwege? Oder mehr sanierte Straßen?

Tebroke (lacht) Was halten Sie denn von einer neuen Buslinie? Sie ist tatsächlich Bestandteil der Überlegungen, aber eben nur ein Mosaikstein in einem groß angelegten Konzept. Mobilität spielt in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle. Wir möchten ein breites Angebot bereitstellen, das auf die verschiedenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Frage, wie komme ich durch den Stadtverkehr können Sie sicher in Bergisch Gladbach stellen, aber ganz gewiss nicht in den ländlichen Regionen des Kreises. Da geht es schon eher um die Förderung eines bedarfs-, nachfrage- und senioren- gerechten ÖPNV. Aber auch neue Fortbewegungshilfen wie etwa die E-Bikes können eine wichtige Rolle spielen. Das und vieles mehr werden wir abwägen, beleuchten und auf die Schiene setzen. Es wird mir bis zu meinem letzten Arbeitstag ein Anliegen sein, auch bei diesem Projekt vernünftige Strukturen zu schaffen, die ich dann meinem Nachfolger übergeben kann.

Der Leichlinger Bürgermeister Frank Steffes hat gesagt, er wird Sie vermissen, weil Sie bei allen auch schwierigen Themen nie das Parteibuch in den Vordergrund gestellt, sondern immer Problemlösungen gesucht haben. Er gehört der SPD an, Sie der CDU. So etwas bekommt man doch sicher nicht alle Tage gesagt...

Tebroke Natürlich freue ich mich über solch ein Lob, das ich im übrigen aber auch zurückgeben kann. Und ich finde, dass so ein Verhalten in einer Demokratie normal sein sollte. Es ist wichtig, dass wir bei allen parteipolitischen Differenzen sachliche Auseinandersetzungen führen, aber am Ende muss immer ein Kompromiss stehen. Und ich bin auch zuversichtlich, dass wir trotz der aktuellen Diskussion um den Verlust der politischen Kultur angesichts der verbalen Ausfälle eines Donald Trump in Deutschland immer noch genug Menschen haben, für die Politik nicht nur Unterhaltung ist. Sie werden die politischen Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen - und ihre Schlüsse ziehen..

(RP)
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