Der Vorsitzende im Gespräch Pläne des Integrationsrats: Feste und Flyer gegen Schubladendenken

Leichlingen · Önder Balkaya, der neu gewählte Vorsitzende des Leichlinger Integrationsrats, sammelt unter anderem ausrangierte Laptops für mittellose Familien. Er hofft darauf, dass sich noch mehr Menschen für die Integration Zugezogener oder Benachteiligter engagieren.

 Hofft, wieder mehr Deutschkurse anbieten zu können: Önder Balkaya vom Integrationsrat.

Hofft, wieder mehr Deutschkurse anbieten zu können: Önder Balkaya vom Integrationsrat.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Fremdenfeindlichkeit braucht keine große Bühne. Er erlebe sie zwar nicht täglich. Doch inzwischen wieder so häufig, dass Önder Balkaya gegen die Ressentiments gegenüber Minderheiten angehen möchte. Der in der Türkei geborene und in Köln aufgewachsene Informatiker, der in Witzhelden lebt, sitzt als Vorsitzender im neu gewählten Integrationsrat der Stadt. Welche Pläne verfolgt der 45-Jährige für diesen im neuen Jahr?

Herr Balkaya, Sie leben seit mehr als 40 Jahren in Deutschland. Woher kam nun der Wunsch nach einem Integrationsrat?

Balkaya Tatsächlich beobachte ich bei vielen meiner Mitmenschen immer wieder ein gewisses Schubladendenken. Ich nenne es ungern Ausländerfeindlichkeit, aber es geht in die Richtung.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Balkaya Ich denke da an einen Vorfall, den meine Neffen und ich an einem Pfandautomaten im Supermarkt erlebt haben. Wir hatten zu dem Zeitpunkt meine Schwester und ihre Familie aus der Türkei zu Besuch und dementsprechend viele Flaschen, die wir abgeben wollten. Zwei ältere Damen standen hinter uns und redeten untereinander, dass wir wohl Flaschen sammeln würden. Ich habe mich umgedreht und ihnen gesagt, dass wir zu Hause einfach nur viele Menschen sind. Die Gesichter hätten Sie sehen müssen! Sie gingen wohl davon aus, dass wir sie nicht verstehen.

Welche Ideen verfolgt Ihr Rat denn über die direkte Ansprache von in Schubladen denkenden Menschen hinaus?

Balkaya Sofern es wieder möglich ist, möchten wir beispielsweise ein großes Fest veranstalten, bei dem Speisen aus aller Welt angeboten werden sollen. Dieses Fest kann ein kleiner, aber wichtiger, Schritt sein, um einen Einblick in eine fremde Kultur zu erhalten. Lesungen in Muttersprachen möchten wir ebenfalls anbieten und Flyer verteilen, um den Integrationsrat bekannter zu machen.

Wie wollen Sie das alles finanzieren?

Balkaya Wir haben gerade einen Antrag bei der Stadt gestellt. Bislang bekommen wir als Integrationsrat nur 500 Euro im Jahr. Nun hoffen wir auf etwas mehr als 8000 Euro.

Inwieweit spielt Geld sonst eine Rolle, wenn es um gelungene oder aber gescheiterte Integration geht?

Balkaya Wir konnten das in 2020 sehr gut beobachten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es beispielsweise an technischer Ausrüstung für Kinder aus Migrationsfamilien mangelt. Viele dieser Familien kennen sich nicht mit Computern aus, deswegen benötigen die Jüngsten nicht nur die Geräte selbst, sondern auch Unterstützung bei der Anwendung. Das gilt übrigens nicht nur für Zugezogene, sondern auch für Hartz-IV-Empfänger oder anderweitig finanziell benachteiligte Familien.

Konnten Sie in der Hinsicht schon etwas erreichen?

Balkaya Ja, zum Glück. Im März vergangenen Jahres habe ich angefangen, in der Bevölkerung nach ausrangierten Laptops und Tablets zu fragen und habe 23 Geräte bekommen. Ich habe sie aufgerüstet und konnte sie dann an Kinder verschenken. Das ist sehr wichtig, damit die Schere zwischen Arm und Reich beziehungsweise gebildeten und ungebildeten Kindern nicht zu weit auseinander klafft.

Und damit sie später eine Arbeit finden.

Balkaya Auch das. Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr unter anderem wieder mehr Deutschkurse anbieten können, denn die soziale Interaktion jenseits des Digitalen trägt meiner Meinung nach entscheidend dazu bei, wie gut und schnell ein Mensch sich in unsere Gesellschaft einfügt. Es ist nicht leicht, weil viele Zugezogene aktuell nicht in ihren Jobs, beispielsweise in der Gastronomie, arbeiten können.

Apropos arbeiten: Wollen Sie als Rat allein die Aufgabe übernehmen, sozialen Minderheiten zu helfen? Sie sind ja nur zu sechst.

Balkaya Wir hoffen, dass sich noch mehr Ehrenamtliche engagieren. Die Stadt Leichlingen zählt viele solcher Menschen, und ich bin mir sicher, dass wir noch mehr werden. Sprüche wie jener am Getränkeautomat oder auch Sätze wie „Sollen sie doch hingehen, wo sie herkommen“ sollen ein Ende finden. Das ist meine große Hoffnung für 2021.

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