Leichlingen Ohne Zivis — "ein Desaster"

Leichlingen · Mit dem Wehrdienst endet 2011 auch der Zivildienst. Viele Einrichtungen wie Altenheime und Kliniken fürchten Einbußen in der Betreuung ihrer Bewohner und fordern von der Politik ein Umdenken – auch in Leichlingen.

Mit dem Wehrdienst endet 2011 auch der Zivildienst. Viele Einrichtungen wie Altenheime und Kliniken fürchten Einbußen in der Betreuung ihrer Bewohner und fordern von der Politik ein Umdenken — auch in Leichlingen.

Am 30. Juni kommenden Jahres endet der Wehrdienst in Deutschland — und damit auch der Zivildienst, was viele Einrichtungen in große Schwierigkeiten bringen wird. Altenheime, Krankenhäuser, Sportvereine — sie alle sind auf die billige Arbeitskraft der Zivis angewiesen.

"Für uns ist das ein Desaster", sagt Stanislaus Stegemann, Leiter des Evangelischen Altenzentrums Hasensprungmühle. Der Wegfall der Zivis würde zu einer großen Versorgungslücke bei der Betreuungsqualität führen, urteilt Stegemann.

Zwei Alternativen

In seiner Einrichtung sind meistens von sieben möglichen Stellen vier bis fünf besetzt. Von der Alltagsgestaltung bis zur Pflege sind die Zivildienstleistenden im Einsatz. Sie haben auch die Zeit, mal mit einem Patienten spazieren zu gehen oder ihm etwas vorzulesen.

Damit ist Ende 2011 Schluss. Denn die letzten leisten ihren sechsmonatigen Zivildienst im zweiten Halbjahr 2011 ab. Was danach kommt, weiß noch niemand, nicht einmal das Amt für Zivildienst in Köln. Als Alternativen gibt es das freiwillige soziale Jahr, das jeder bis 27 Jahren leisten kann, und der Bundesfreiwilligendienst, der jedem offen steht. "In dem Bereich muss die Zuschussförderung aber noch geregelt werden", sagt Antje Mäder von dem Bundesamt mit Sitz in Köln.

Auch Joachim Noß, Geschäftsführer des Pilgerheimes Weltersbach, findet die Entwicklung traurig und wenig durchdacht. Er befürchtet, dass das freiwillige soziale Jahr nicht so angenommen wird, da die jungen Frauen und Männer eher in Ausbildung und Studium drängen, statt sich ein Jahr lang sozial zu engagieren. "Bei uns waren die Zivis in allen Bereichen eingesetzt, in der Betreuung, der Gärtnerei, der Küche und der Verwaltung — das fällt jetzt alles weg", sagt Noß.

Von 30 möglichen Stellen in seinem Altenheim sind zurzeit 20 besetzt. Künftig rechnet er nur noch mit etwa zehn Freiwilligen. Für die wegfallenden Arbeitskräfte müsste man demnächst Stellen schaffen, die wiederum zusätzliche Kosten verursachen. Darüber müsste man mit den Trägern verhandeln.

Nur ein Zivi in Roderbirken

In der Klinik Roderbirken hat die Zahl der Zivildienstleistenden sowieso schon durch geburtenarme Jahrgänge stark abgenommen. Im Gegensatz zu Akuthäusern sei der Bedarf auch nicht so groß, sagt Claudia Stassen-Haack von der Personalabteilung der Klinik. Gerade mal einen Zivis beschäftigt man momentan.

Noß plädiert für ein verpflichtendes freiwilliges Jahr: "Schließlich bekommen junge Menschen dadurch Berufseinblicke und -perspektiven. Der Zivildienst war etwas Wegweisendes, und auch ein soziales Jahr schadet niemandem." Man müsse allerdings auch Anreize schaffen, wie etwa die Zeit des sozialen Jahrs auf den Numerus clausus oder auf die Ausbildung anrechnen.

Der Leiter des Altenzentrums Hasensprungmühle will künftig verstärkt auf Ehrenamtliche zugehen. "Aber kompensieren können sie den Wegfall der Zivis auch nicht", sagt Stegemann. Zumal gerade der Umgang mit Demenzkranken, deren Zahl immer weiter zunimmt, nicht so leicht sei. Man müsse einen Aufruf an die Politik starten und darlegen, dass zu Guttenbergs Entscheidung, den Wehrdienst abzuschaffen, völlig unüberlegt war.

(RP)
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