Corona-Krise Altenheime fürchten Besucher-Andrang

Leichlingen · Die Verantwortlichen der Häuser Weltersbach und Hasensprungmühle halten die amtliche Lockerung des coronabedingten Besuchsverbots für übereilt. „Das ist völlig unreflektiert gegenüber dem, was wir in der Praxis leisten können“, sagt etwa Stanislaus Stegemann, Leiter des Evangelischen Altenzentrums Hasensprungmühle.

 Joachim Noß vom Pilgerheim Weltersbach im eigens eingerichteten Besucherzimmer des Hauses.

Joachim Noß vom Pilgerheim Weltersbach im eigens eingerichteten Besucherzimmer des Hauses.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Muttertag – ein Datum mit Symbolkraft. Mit seiner Ankündigung, ab diesen Sonntag in Seniorenheimen nach dem langen, coronabedingten Verbot wieder Besuche zuzulassen, wollte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wohl ein Zeichen für die Familien und die Rückkehr zur Normalität setzen. Bei den Verantwortlichen in Leichlinger Seniorenheimen aber sorgt er mit dieser Maßnahme für Kopfschütteln.

„Das ist völlig unreflektiert gegenüber dem, was wir in der Praxis leisten können“, sagt Stanislaus Stegemann, Leiter des Evangelischen Altenzentrums Hasensprungmühle. Sein Kollege Joachim Noß vom Pilgerheim Weltersbach ergänzt: „Der Wunsch, dass die Menschen sich wieder sehen können, ist ja nachvollziehbar. Aber Zeitpunkt und Geschwindigkeit sind nicht gut.“

Mit großem Aufwand habe man in den vergangenen Wochen der Corona-Isolation versucht, die alten und kranken Menschen in besonderem Maße zu schützen. Wöchentlich, manchmal sogar täglich seien dazu neue Verordnungen erlassen worden, die in der Praxis oftmals kaum umzusetzen gewesen seien. Doch mittlerweile, so Stegemann, sei man eingespielt, die Menschen seien sehr gut versorgt und fühlten sich trotz Trennung wohl. „Wir haben unsere Personalressourcen maximal auf die Betreuung fokussiert. Dadurch fühlen sich unsere Bewohner gut aufgehoben“, erzählt der Hasensprungmühlen-Leiter.

Das Seniorenzentrum hatte unter anderem fünf Tablets angeschafft, so dass die alten Menschen per Videochat ihre Angehörigen sprechen konnten. Seit kurzem war sogar der Kontakt auf Distanz am sogenannten „Besucherfenster“ möglich – Bewohner drinnen, Besucher draußen vor dem Fenster. „Die Folgeschäden durch die soziale Isolation sind viel geringer als befürchtet“, sagt Stanislaus Stegemann. Damit relativiert er die Aussage des Geundheitsministers, nicht nur das Corona-Virus sei für die Betroffenen eine große Gefahr und auch soziale Isolation könne erhebliches seelisches Leid und körperliche Schäden verursachen.

Nun die Entscheidung: Am Sonntag sollen die Angehörigen unter strengen Hygienevorschriften zu Besuch kommen können, um sich in separaten Räumen (in der Regel nicht in den Zimmern der Bewohner) oder im Außenbereich der Einrichtung zu treffen. Die Wege dürfen sich nicht kreuzen, um enge Kontakte zu vermeiden. Jeder Besucher muss sich einem Screening in Form eines Fragebogens unterziehen, alle müssen Mundschutz tragen. „Diese Organisation ist in der Kürze der Zeit überhaupt nicht zu schaffen“, sagt Stegemann und hat für sein Haus entschieden, dass er am Muttertag Besuche zunächst nach Terminabsprache am Besucherfenster ermöglicht und erst ab kommenden Montag weiter öffnet.

Auch Joachim Noß sagt, die Entscheidung des Ministers am Dienstag habe ihn „umgehauen“. Er hätte sich eine langsamere Rückkehr zur Normalität und keine Hauruck-Aktion gewünscht. Kämen am Sonntag tatsächlich für alle 270 Bewohner des Pilgerheims für zwei Stunden zwei Besucher, seien es Verhältnisse „wie bei Ikea auf dem Parkplatz“, spielt er auf den zuletzt riesigen Andrang ohne jeden Sicherheitsabstand beim Möbelhaus an. Der Schutz, der wochenlang um die Senioren aufgebaut wurde, wäre dann mit einem Schlag dahin.

Dabei haben Noß und sein Team noch Glück: Sie können die 15 Gästezimmer im Begegnungszentrum für die Treffen nutzen, müssen sie nur aufwändig aus- und umräumen. Diese Möglichkeit gibt es in der Hasensprungmühle nicht. Dafür aber muss Joachim Noß fast alle Mitarbeiter einbinden – von Pflegern über Therapeuten bis hin zu Verwaltung und Technik, auch die, die am Wochenende frei hätten. Sonst wäre die Besuchsaktion am Muttertag logistisch überhaupt nicht zu machen.

Das Pilgerheim ermöglicht die Besuche nun ab Sonntag ausschließlich nach Terminvereinbarung. Wie es danach weitergehen soll, ist noch nicht klar: „Wir werden den Muttertag abwarten, schauen, wie es läuft, und uns dann eine Strategie für die Zukunft überlegen“, kündigt Joachim Noß an.

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