Innenminister Herbert Reul „So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen“

Leichlingen · NRW-Innenminister Herbert Reul hat sich an seinem Wohnort Leichlingen erneut ein Bild der Lage gemacht. „Begeistert“ sei er von der Solidarität mit Betroffenen. Den Opfern sagt er Soforthilfe zu.

 Herbert Reul am Dienstagmittag auf dem improvisierten Schrottplatz an der Balker Aue.

Herbert Reul am Dienstagmittag auf dem improvisierten Schrottplatz an der Balker Aue.

Foto: Uwe Miserius

Er will gar nicht lange drumherum reden. Falls NRW-Innenminister Herbert Reul wie nach der Masken-Affäre erneut Ärger kriegen sollte, weil Unternehmen Pauschalen bekommen, wenn sie Leichlinger Bürgern nach der Starkregen-Katastrophe helfen, sei ihm das auf Deutsch gesagt „ziemlich egal“. Schließlich bräuchten die Betroffenen jetzt so schnell wie möglich jede Unterstützung, die sie bekommen könnten, sagt der Politiker am Dienstagmittag bei einem Besuch in der Blütenstadt.

„Ich verspreche den Menschen eine pauschale, schnelle Hilfe, die wir hoffentlich noch in dieser Woche in einer Sondersitzung des Kabinetts beschließen“, betont er bei einem Termin mit Vertretern der Lokalpresse. Für Betriebe, Kommunen und Privatpersonen solle finanzielle Unterstützung erfolgen; die Summen stünden allerdings noch nicht fest. Das Innenministerium konzentriere sich auf die Zahlung der Gelder an Bürger. „Ebenso gilt es, eine langfristige Aufbauhilfe zu organisieren.“

Reul will sich am Dienstag zum wiederholten Mal einen Überblick über die Lage verschaffen, nachdem er bereits am Samstag vier Stunden lang in überschwemmten Stadtteilen unterwegs gewesen war. Das Ausmaß der Zerstörung stimme ihn fassungslos. „So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.“ Als er am Donnerstag überstürzt aus seinem Urlaub in Schleswig-Holstein wieder nach Hause gekommen war, „dachte ich nur: Das ist nicht mehr meine Stadt. So viel Leid, so viel Zerstörung.“

Die vielfach geäußerte Kritik, die Warnung vor dem drohenden Hochwasser sei auch in Leichlingen zu spät erfolgt, weist er zurück. „Der Deutsche Wetterdienst muss eine Warnung rausgeben, und das hat er getan“, gibt Reul zu verstehen. „Das die Talsperre aufgemacht würde, konnte niemand wissen.“ Abgesehen davon machten Menschen Fehler, auch oder gerade bei solchem Geschehen. „Ich denke, dass viele die Lage schlichtweg falsch eingeschätzt haben.“ Deswegen ließ er vor drei Jahren wieder Sirenen einführen.

Auch wenn Bürger in diesen Tagen sicher noch viele Fragen quälten und auch er nicht bis ins Detail über den aktuellen Zustand der Blütenstadt informiert sei, stehe eines fest: „Die Hilfs- und Spendenbereitschaft der Leichlinger ist einfach klasse. Wenn ein bisschen von dieser Kultur auch nach der Katastrophe bleibt, wäre das großartig.“

Immer wieder würden Freiwillige auch aus umliegenden Städten nach Leichlingen eilen, um mit zu schippen, Schlamm aus Kellern zu karren oder Kaffee zu kochen. „Auch von den Bauern inklusive Landjugend bin ich begeistert“, sagt er. Diese fahren seit Tagen im Minutentakt zum improvisierten Sammelplatz in der Balker Aue, um den von der Flut zerstörten Hausrat der Bürger von den Straßen zu schaffen. Vor Ort ließ sich Reul von Jannik Evang, Mitarbeiter der Firma Echtgrün, über die Lage informieren; das Unternehmen nimmt zerstörte Möbel, kaputte Elektrogeräte und sämtlich anderen Schrott entgegen und organisiert die Verteilung auf dem Platz und an die Müllverbrennungsanlage in Leverkusen. 

Der Innenminister selbst sei nicht unmittelbar von der Katastrophe betroffen, seine Schwester allerdings. In ihrem Haus stand der Keller unter der Wasser. Dennoch bekam auch Reul den Ausnahmezustand in seinem Zuhause mit. Die Jalousien ließen sich nicht hochfahren, der Telefonanschluss war tot, das Internet funktioniert noch immer nicht, „was sich für einen Innenminister durchaus ungünstig gestaltet“. Das aber ließe sich alles regeln, und ausweglos denken will Reul ohnehin nicht – auch wenn die Krisenanfälligkeit der Gesellschaft maßgeblich von Strom abhänge. Aber: „Not macht erfinderisch, das haben wir auch in der Pandemie gesehen.“ Nun gilt es, das wiederholt er gerne, Bürgern rasch zur Seite zu stehen. Ohne Steuererhöhungen, ohne lange Tilgungsstrecken. „Und das sage ich nicht wegen des laufenden Wahlkampfs.“ 

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