Nach der Flut Evangelische Kirche denkt Gemeindeleben neu

Leichlingen · Die evangelische Kirchengemeinde geht neue Wege. Seit 1. April ist Judith Manderla als Pfarrerin im Einsatz. Das Gemeindehaus bekommt nach der Flut 2021 ein modernes Konzept. Weil es nicht zur Verfügung steht, gibt es neue Ideen, wie die Gemeindemitglieder dennoch zusammenkommen können.

Ulrich Görn und Judith Manderla auf der Gemeindehaus-Baustelle: Sie sehen die großen Schäden als Chance für ein modernes Konzept des Treffpunktes.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

„Ich wünsche mir die Offenheit der Menschen dafür, wie Gemeindeleben auch aussehen kann. Und ich wünsche mir dafür einen langen Atem“, sagt Pfarrer Ulrich Görn. In seiner evangelischen Kirchengemeinde hat sich seit gut einem Jahr vieles verändert. Seine Hoffnung ruht auf den Gemeindemitglieder und dass sie die notwendigen Schritte mitgehen.

Im Gemeindehaus an der Marktstraße scheint derzeit die Zeit ein wenig stillzustehen. Während um die Kirche nach der Flut im vergangenen Jahr allmählich Leben in die Geschäfte und Wohnhäuser zurückkehrt, sieht es am wichtigsten Begegnungsort der Gemeinde überhaupt noch nicht danach aus. Doch das hat einen Grund, der durchaus gewollt ist: „Wir sind bewusst noch nicht weiter. weil wir das Gemeindehaus konzeptionell umstrukturieren wollen und die Flutschäden deshalb als Chance zu Neuem sehen“, sagt Görn. Der Charme des grünen Teppichs im ganzen Haus ist mittlerweile äußerst übersichtlich, auch die großflächigen Holzvertäfelungen zeugen von einem Baujahr in den 1970er Jahren. Die Aufteilung der Räume im Gemeindebüro sorgt regelmäßig für Ratlosigkeit bei den Besuchern.

Nun soll nicht einfach nur repariert, sondern ganz neu gedacht werden: Die Küche beispielsweise könnte größer werden, nicht nur zum Aufwärmen und Kaffee kochen dienen, sondern zu gemeinsamen Kochveranstaltungen einladen. Das aber ist voraussichtlich noch die einfachste Übung. Schwieriger und aufwendiger wird es bei der energetischen Sanierung: Bislang fehlt eine Dämmung im Dach und auch die fast 50 Jahre alten Fenster tragen keineswegs zum Energiesparen bei. „Wir haben das mit unseren Gemeindemitgliedern gründlich durchdacht und werden unsere Ideen demnächst an ein Planungsbüro übergeben“, sagt der Pfarrer. Seine realistische Einschätzung: Vor dem Jahr 2025 wird es mit einer Wiedereröffnung des Gemeindehauses nichts – und das in einer Zeit, in der nach dem Hochwasser überall das Leben in Leichlingen wieder Fahrt aufnimmt.

Weil die beiläufigen Begegnungen der Menschen in der Gemeinde damit noch länger erschwert werden, schafft sie aktuell neue Gelegenheiten zum Zusammenkommen. Die Einladung zum Kaffee vor der Kirche nach dem sonntäglichen Gottesdienst ist eine davon. Oder seit Neuestem das „Kirchbier mittwochs um halb 8“. Wer möchte, trifft sich dann vor dem Gemeindehaus, um unkompliziert miteinander ins Gespräch zu kommen oder zu bleiben. Eingeladen sind dazu nicht nur Gemeindemitglieder, sondern alle Menschen.

Leichlingen: Vorstellung neue ev. Pfarrerin Pfarrerin im Probedienst Judith Manderla

Foto: Miserius, Uwe (umi)

In der Gemeinde mittendrin ist seit 1. April Judith Manderla (30). Sie ist Pfarrerin im Probedienst und wird die Leichlinger Christen zunächst für ein Jahr unterstützen. Die Theologin ist in Gießen geboren und in Bergheim aufgewachsen, auch ihre Eltern sind Pfarrer. In Leichlingen feiert sie Gottesdienste, gestaltet Konfirmandenunterricht, macht Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Was ihr hier gefällt? „Die schöne, alte Kirche hat eine besondere Atmosphäre“, beschreibt sie zunächst das Augenfällige. Aber auch das Gemeindeleben sagt ihr zu. „Hier hat Kirche noch eine Relevanz für die Menschen, eine Bedeutung in der Gesellschaft. Die Region scheint positiv traditionell. Das kenne ich so nicht“, sagt sie und hat in der Kürze der Zeit festgestellt: „Die Menschen haben eine starke Verbundenheit miteinander, ich fühle mich wohl.“ Und noch etwas ist ihr aufgefallen: „Die Flut war eine Zäsur. Es gibt große Trauer um den Verlust des Gemeindehauses, aber zugleich eine enorme Sehnsucht, das Gemeindeleben neu zu gestalten.“