In der Pandemie gefragt wie nie Hebammen – kleine Kinder, großer Redebebarf

Leichlingen · Ambulante Geburten, keine Kurse, der fehlende Austausch junger Mütter – auch Hebamme Daniela Jansen erlebte ein Jahr wie kein zweites. Und der hohe Beratungsbedarf setze sich fort. Schon jetzt ist die Leichlingerin bis Herbst „ausgebucht“.

 Auf dem Weg ins Leben: Nach der Geburt begleiten Hebammen Mutter und Kind bei den Herausforderungen des Alltags.

Auf dem Weg ins Leben: Nach der Geburt begleiten Hebammen Mutter und Kind bei den Herausforderungen des Alltags.

Foto: Theresa Demski

Genau einen einzigen „echten“ Leichlinger lernte Daniela Jansen im vergangenen Jahr kennen – und selbst seine Ankunft war ungeplant. „Dabei wünschen sich viele Familien durchaus eine Hausgeburt“, erzählt die Hebamme. Nur: Ein Kind zu Hause zu bekommen stellt für viele Frauen noch immer eine absolute Ausnahme dar. Und so erblicken die jüngsten Bewohner der Blütenstadt eben als Leverkusener, Solinger oder Düsseldorfer das Licht der Welt. „Schade, aber nicht zu ändern“, sagt die 41-Jährige und lacht. Tatsächlich trifft bei diesem Umstand ausnahmsweise nicht die Corona-Pandemie die Schuld. Vielmehr spiele der „extrem hohe“ Beitrag zur Haftpflichtversicherung die entscheidende Rolle, dass Hebammen Geburten in den eigenen vier Wänden der werdenden Mütter nicht begleiten könnten. „8000  Euro wollen nämlich erstmal verdient werden.“

Wobei sich Jansen in keiner Weise über mangelnde „Kundschaft“ beschweren kann, auch wenn sie diesen Begriff nie verwenden würde. „Wir sagen nur: unsere Frauen“, erklärt sie.  „Denn Patientinnen sind sie nicht. Unter einer Krankheit leidet ja keine von ihnen.“ Bereits in den ersten Wochen der Schwangerschaft würden sich die werdenden Mütter inzwischen bei ihr und ihrer Kollegin Jessica Lehmann melden; die beiden führen gemeinsam die Hebammenpraxis „Rund um den Bauch“. In Leichlingen, aber auch in Langenfeld, Solingen, Burscheid, Bergisch-Neukirchen, Haan und Hilden sind die beiden freiberuflich unterwegs; Jansen begleitet derzeit 30 Frauen, die sich „eine frühestmögliche Betreuung“ wünschen.

Zwei Gründe sieht sie dafür: zum einen eine gewisse Unsicherheit, die auch das Googeln im Internet oder Lesen in Büchern oder Foren nicht nehmen könne, „dafür braucht es einfach menschliches Miteinander und den Rat von Experten“. Zum anderen seien sie und viele Kolleginnen oft etliche Monate im Voraus ausgebucht; erst ab September können sowohl Jansen als auch ihre Kollegin wieder Frauen betreuen. „Wer sich trotzdem bei uns melden möchte, kann dies natürlich gern tun“, betont die Hebamme, die in ihrer Praxis einen Schwerpunkt auf Akupunktur setzt. Vielleicht ließe sich noch ein Platz finden.

Denn sie wisse spätestens seit dem vergangenen Corona-Jahr, dass sich viele Schwangere und junge Mütter allein fühlten. „Sämtliche Kurse zur Geburtsvorbereitung oder Rückbildung müssen wegen der Pandemie ausfallen“, spricht Jansen eines der Hauptprobleme an. „Onlinekurse sind in der Hinsicht nur eingeschränkt hilfreich.“ Normalerweise tauschten sich die Frauen untereinander aus, beispielsweise zu Fragen, wie oft ihr Baby nachts aufwache oder ob Kürbis- oder Süßkartoffelbrei als erste feste Kost geeigneter sei. „Nun kommen sie noch mehr auf uns zu.“

Eigentlich betreut Jansen Mutter und Kind acht bis zwölf Wochen nach der Geburt, nun seien es nicht selten einige mehr. Auch lernt die 41-Jährige die Neugeborenen oft schon in ihren ersten Lebensstunden kennen, nicht erst, wenn sie drei oder vier Tage alt sind. „Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen möchten viele Frauen ambulant entbinden, also das Krankenhaus so schnell wie möglich verlassen“, sagt Jansen, selbst Mutter von drei Söhnen im Alter von 13, 10 und 6 Jahren. „Zum einen, weil der Partner oft nur eine Stunde am Tag zu Besuch kommen darf – falls überhaupt. Zum anderen bitten viele Krankenhäuser die jungen Mütter wegen der Pandemie rasch wieder nach Hause.“

 Seit fast 15 Jahren als Hebamme  tätig: Daniela Jansen.

Seit fast 15 Jahren als Hebamme tätig: Daniela Jansen.

Foto: Daniela Jansen

Jansen, die seit 2007 als Hebamme arbeitet, kümmert sich um die richtige Entwicklung des Babys: Nimmt es an Gewicht zu, reagiert es richtig, klingen die Herztöne gut? Diese hört sie mit einem „Pinard-Rohr“ aus Holz ab, also einem eher altmodischen, aber höchst funktionsfähigen Gerät, so wie es schon Generationen von Hebammen vor ihr nutzten – wobei nicht selten auch ein elektronisches Pendant zum Einsatz kommt.  „Wegen des Lockdowns fahren viele junge Eltern auch nicht mehr so schnell zum Kinderarzt“, sagt die Leichlingerin, die wegen der Betreuung ihrer eigenen Kinder im Homeschooling aktuell nur nachmittags und in den Abendstunden arbeitet – und sich trotzdem keine Sekunde lang beschweren würde. „Schließlich habe ich einen der schönsten Berufe der Welt!“ Und es kann nun wahrlich nicht jeder behaupten, einen Großteil der jüngsten Leichlinger persönlich zu kennen.

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