Leichlinger Theater der Dämmerung Friedrich Raad zeigt Gut und Böse im Schattenspiel

Leichlingen · Mit seinem mobilen „Theater der Dämmerung“ verzaubert der Leichlinger Friedrich Raad Kinder und Erwachsene. Den Lockdown hat er mit Live-Streams aus dem Wohnzimmer überbrückt.

 Schattentheaterkünstler Friedrich Raad hat Stücke für Groß und Klein im Repertoire. Gespielt wird immer zu zweit, wobei der Leichlinger neben Figuren auch den Erzählpart übernimmt.

Schattentheaterkünstler Friedrich Raad hat Stücke für Groß und Klein im Repertoire. Gespielt wird immer zu zweit, wobei der Leichlinger neben Figuren auch den Erzählpart übernimmt.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Zweifel an seiner Berufswahl, die kamen Friedrich Raad nie. Für ihn gibt es nichts Schöneres und Erfüllenderes, als die Figuren in seinem Schattentheater zum Leben zu erwecken und dabei Geschichten zu erzählen. Wenn Kinder dann am Schluss ergriffen und fast verklärt dasitzen, wie es ganz besonders nach Hans-Christian Andersens Märchen „Die wilden Schwäne“ der Fall ist, dann weiß er, dass er alles richtig gemacht hat, als er 1993 mit seinem „Theater der Dämmerung“ den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.

Echte Zweifel kamen dem Wahl-Leichlinger nicht einmal in der Corona-Zeit, als er nach und nach sämtliche Termin-Einträge in seinem gut gefüllten Wandkalender durchstreichen musste. Klar gab es da auch für ihn düstere Stunden, als er die Kehrseite des freischaffenden Künstlertums erfahren musste. Aber er habe auch viel Zuspruch und Hilfe erfahren. „Meine Großeltern haben zwei Weltkriege mitgemacht, das sind doch ganz andere Dimensionen“, sagt der 1962 in Augsburg Geborene. Letztlich habe auch diese Phase seine Erfahrungswelt bereichert.

 Und von der lebt Friedrich Raad, wenn er auf seine Weise Märchen erzählt, die voller tiefer Wahrheiten stecken. Die deutlich machen, dass sowohl das Böse als auch das Gute nicht abstrakt sind, sondern dass in jedem Menschen beides schlummert. „Ich spiele das nicht nur mit dem Kopf, sondern ich habe im Herzen erkannt, dass Licht und Schatten in mir sind.“

Deswegen kann er unmittelbar von einer Rolle in die andere springen. In den Märchen, von denen er zehn im ständigen Repertoire hat, sind sie deutlich den einzelnen Charakteren zugeordnet. Aber tatsächlich kenne doch jeder beide Seiten, schon die kleinsten Zuschauer. Wieso könnte er sonst mit solcher Überzeugungskraft die Stimme von Schneewittchens böser Stiefmutter imitieren und das hämische Gelächter andeuten?

Bei den Kindern sei es nicht anders, meint der erfahrene Schattentheater-Spieler. Auch sie kennen die Herzlosigkeit, Gier und Neid von Aschenputtels bösen Schwestern, denen sie mit besonderer Aufmerksamkeit folgten. Das gute, liebevolle Aschenputtel sei ihnen ohnehin nah.

Was für Kinder die Märchen, ist für Erwachsene Goethes Faust, den Friedrich Raad genauso verinnerlicht hat. Geht es doch um dieselben grundlegenden Wahrheiten und Weisheiten des Lebens. Auch den Faust erzählt er nicht mit Distanz, sondern so, dass Gefühle und auch Einsichten angesprochen werden.

Für Aufführungen in Seniorenheimen wird er häufig mit anderen Programmen seines Spektrums gebucht. Dort stimmt er bekannte Volkslieder an oder rezitiert die Balladen großer Dichter, die früher in der Schule auswendig gelernt werden mussten. „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ oder „John Maynard“ – unter anderem Theodor Fontanes Klassiker hat Raad auswendig drauf. Nur, wenn er sie länger nicht vorgetragen hat, versichert er, probt er Texte und szenische Abläufe kurz vorher.

Schwieriger sei die Abstimmung für seine Mitarbeiter, meint er. Denn gespielt wird immer zu zweit, wobei er selbst neben Figuren auch den Erzählpart übernimmt. Zwei feste Spieler und weitere Mitarbeiter gehören zu Raads Mini-Unternehmen „Theater der Dämmerung“.

Einer von ihnen ist Wanja Kilber, der auch die Figuren baut, die völlig entzaubert auf dem Tisch der Wohnung in Krähwinkel liegen. Erst wenn sie im Licht vor die Kulisse geführt und bewegt werden, wenn sich der Spieler ganz auf seine platten Akteure konzentriert, beginnen sie zu leben und saugen die ganze Aufmerksamkeit auf.

„Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot“, beschreibt Raad die Vorstellung. Genau genommen ist es ein U-Boot, mit dem Spieler, Figuren und das Publikum gemeinsam abtauchen in eine andere Welt. Während des Lockdowns geschah das per Live-Stream. „Ich hoffe, dass ich das nie wieder machen muss“, seufzt Raad. Lieber packt er seinen Wagen, fährt etwa zwei Stunden nach Bielefeld, baut auf, spielt und fährt wieder zurück – als im Wohnzimmer auf die echte Publikumsreaktion zu verzichten.

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