Leichlingen Ein Mann mit Herz: Professor Blümchen wird 80

Leichlingen · Vom Sport kommt der Mann einfach nicht los: Wenn Professor Gerhard Blümchen am kommenden Mittwoch seinen 80. Geburtstag auf Gut Landscheid vor den Toren Leichlingens feiert, sind seine Gäste ausdrücklich aufgefordert, mit ihm die Putting Greens der angrenzenden Golfanlage zu nutzen und einzulochen.

 Links: Blümchen vor einem Portrait, das seine Nichte von ihm malte. Rechts: der Mediziner mit Fußball-Legende Bernd Schuster beim Fußball-Tennis.

Links: Blümchen vor einem Portrait, das seine Nichte von ihm malte. Rechts: der Mediziner mit Fußball-Legende Bernd Schuster beim Fußball-Tennis.

Foto: Miserius:

Ohne Bewegung ist der rüstige Pensionär einfach nicht vorstellbar - kein Wunder: Hat sie doch sein Berufsleben bestimmt und ihn zu einem Vorreiter im Umgang mit Herzinfarkt-Patienten gemacht. Blümchen war einer der ersten Chefärzte in Deutschland, der Infarkt-Patienten nicht mehr wochenlang ins Bett steckte, sondern so früh wie möglich wieder in Bewegung brachte. Mit Erfolg: Wurden früher 70 bis 80 Prozent alle Arbeitnehmer nach einem Herzinfarkt berufsunfähig geschrieben, sind es heute nur noch zehn bis 20 Prozent - daran hat Blümchen entscheidenden Anteil.

 Links: Blümchen vor einem Portrait, das seine Nichte von ihm malte. Rechts: der Mediziner mit Fußball-Legende Bernd Schuster beim Fußball-Tennis.

Links: Blümchen vor einem Portrait, das seine Nichte von ihm malte. Rechts: der Mediziner mit Fußball-Legende Bernd Schuster beim Fußball-Tennis.

Foto: Miserius:

Viel hätte nicht gefehlt, und er wäre nicht im weißen Kittel gelandet, sondern als Profi auf dem Fußballplatz. Sein Klassenlehrer schrieb 1954 in einer Beurteilung zur Abiturzulassung über Blümchen: "ein fröhlicher Mensch, Begabung normal, Leistungen befriedigend, im Fußball sehr gut".

"Ich war ganz talentiert und habe als junger Mann in diversen Auswahlmannschaften gespielt", erinnert sich der Jubilar. Vor allem in seiner Heimat Detmold, wo Blümchen 1935 als Sohn eines Zahnarztes geboren wurde - allerdings nicht mit goldenem Löffel im Mund.

"Wir waren fünf Geschwister", erzählt Blümchen, da habe es nicht viel zu verteilen gegeben. Für ihn hieß das: so früh wie möglich eigenes Geld verdienen - ob als Ziegelei-Arbeiter oder an der Teermaschine bei der STRABAG, war ihm einerlei.

Dass letztlich die Medizin den Fußball schlug, führt Blümchen auf Albert Schweitzer zurück, den er Zeit seines Lebens verehrte. Dessen großartiger Einsatz bei der Gründung eines Krankenhauses in Lambaréné in Zentralafrika faszinierte den jungen Mann, der aus Idealismus Arzt werden wollte und ihn sich bis zum heutigen Tage bewahrt hat.

Sinnbildlich dafür steht eine Begebenheit aus Blümchens Studienzeit in Freiburg. Da erwischte ihn der gefürchtete Direktor der chirurgischen Fakultät, Professor Hermann Krauss, in einer ungewöhnlicher Situation. "Ich war Famulant auf der Kinderstation", berichtet Blümchen: "Die Kinder hatten alle Heimweh. Deshalb habe ich ihnen abends im Krankensaal ,Heile, heile Gänschen' vorgesungen." Plötzlich habe ihn Krauss auf die Schulter getippt. Er dachte, "jetzt fliege ich raus", doch der Professor habe lediglich gelächelt und "Bürschle, Bürschle" gesagt - wie sich später herausstellte, ein Ausspruch, den er nur benutzte, wenn er seine höchste Wertschätzung ausdrücken wollte.

Herzlichkeit ist auch, was Blümchen Zeit seines Lebens auszeichnete, vor allem als langjähriger Chefarzt der Rehaklinik Roderbirken, wo er sein System der Heilung durch Bewegung perfektionierte - und auch Prominente als Unterstützer gewinnen konnte. Einer seiner größten Freunde war der kürzlich verstorbene Meistertrainer Udo Lattek. "Er war auch mein Patient und einmal habe ich ihn zu einem Vortrag bei uns gewinnen können", erinnert sich Blümchen und lacht dann: "Es ging um Motivation - und außer ihm und mir war noch ein weiterer Chefarzt auf dem Podium. Wir Mediziner waren jedoch abgemeldet. Alle Patienten wollten nur Fragen an Udo stellen."

Unvergessen ist auch das Fußball-Tennis-Event, das Blümchen mit Weltfußballer Bernd Schuster sowie Fortuna Kölns Präsident Jean Löring organisierte. All dies motivierte Generationen von Patienten, aber auch Ärzte, die unter Blümchen ausgebildet wurden und heute erfolgreich eigene Praxen führen. Viele erinnern sich noch immer gerne an ihre Zeit in Roderbirken.

Blümchens Verdienste alle aufzuzählen, dafür reicht der Platz nicht: von der Gründung des Herzzentrums Berlin bis hin zum Bundesverdienstkreuz. Auch seine Reisen von Kathmandu bis Santiago de Compostela würden Stoff für ein eigenes Buch bieten.

Daher bleibt nur der Versuch, sein Lebenswerk mit einem Zitat zu erfassen, das aus dem Briefwechsel der von den Nazis ermordeten Sophie Scholl und Fritz Hartnagel aus den Jahren 1937 bis 1943 stammt und Blümchen im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz gewachsen ist: "Lass uns, wie gut es auch, wie schlimm es um uns stehe, Lass uns barmherzig zueinander sein!"

(RP)
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