Flüchtlinge aus der Ukraine Kritik an privaten Rettungsaktionen nimmt zu

Leichlingen · Wie können die Menschen den Flüchtlingen aus der Ukraine helfen, vor allem wie schnell, privat oder besser öffentlich organisiert? Die Meinungen gehen aktuell extrem auseinander. Trotz großer Hilfsbereitschaft gibt es auch Kritik an privaten Aktionen.

 Mehr als 70 Kriegsflüchtlinge holten private Helfer zuletzt mit viel Einsatz im Bus von der polnischen-ukrainischen Grenze nach Leichlingen.

Mehr als 70 Kriegsflüchtlinge holten private Helfer zuletzt mit viel Einsatz im Bus von der polnischen-ukrainischen Grenze nach Leichlingen.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Der Wunsch in der Bevölkerung, Flüchtlingen aus der Ukraine unbürokratisch und vor allem schnell zu helfen, ist groß. In den vergangenen Wochen haben Privatleute bereits zahlreiche Spenden- und Rettungsaktionen auf die Beine gestellt, auch in Leichlingen. Obwohl diese enorme Hilfsbereitschaft auf großes positives Echo stößt, gibt es auch Kritiker. Zu ihnen zählt Ingeborg Schmidt, Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes im Rheinisch-Bergischen Kreis. Sie sagt: „Auch wenn ich das Bedürfnis von Unternehmern und Privatmenschen, helfen zu wollen, durchaus verstehe, hat es gezeigt, dass die Aktionen häufig nicht zu Ende gedacht sind.“

Dabei beanstandet sie unter anderem die Kommunikation zwischen privaten Helfern und öffentlicher Verwaltung: „Wenn man Flüchtlinge an der Grenze einsammelt, macht man sich doch vorher Gedanken, wo sie danach unterkommen und stellt nicht die Kommune einige Stunden vorher vor vollendete Tatsachen. Es ist ja nicht damit getan, sie „irgendwo“ unterzubringen, sondern es sollte schon geprüft werden, ob eine geeignete Wohnsituation vorhanden ist.“ Familien zu trennen, die es bis nach Deutschland gemeinsam geschafft hätten, kein Deutsch verstünden und dann völlig verzweifelt seien, sei keine gute Lösung. Oftmals würden Privatunterkünfte zudem nur für einige Tage angeboten, weil es eine Herausforderung sei, mit fremden Personen Küche und Bad  zu teilen und das eventuell für längere Zeit. „Damit ist das Problem der Unterbringung nur zeitlich verschoben. Die Menschen ziehen dann erneut um, meist in Sammelunterkünfte,  so wie es ja bereits die Lage zeigt“, legt Schmidt dar.

Sie beklagt zudem die medizinische Versorgung der Menschen, die aus der Ukraine auf private Initiative in Deutschland ankommen. Hilfreich sei es, wenn die wichtigsten Daten bereits erfasst würden. „Dazu gehört auch, dass ein Arzt nach chronischen Erkrankungen fragt, Medikamente besorgt werden können, der Impfstatus erfasst werden kann und Soforthilfe da ist, wenn gesundheitliche Probleme bestehen. Übersetzung über das Handy ist machbar, aber ein guter Dolmetscher ist auf jeden Fall dringend erforderlich“, betont die DRK-Kreisvorsitzende. Wichtig sei auch ein aktueller Covid Test. Daher werde er in den Zentralen Aufnahmestellen direkt bei Ankunft erneut durchgeführt. „Diese Dinge sollten vorher abgeklärt und richtig gut vorbereitet sein, und das sind sie leider in der Regel nicht“, schildert Schmidt ihre Erfahrung.

Das DRK hat als nationale Hilfsgesellschaft viele Flüchtlingen betreut: Es war laut Schmidt lange, bevor die Situation eskalierte, mit dem polnischen und ukrainischen Roten Kreuz vor Ort und verfügt auch durch die Flüchtlingssituation 2015 über Erfahrung mit Menschen, die aus bewaffneten Kriegsgebieten fliehen. „Daher wissen wir, dass es am Ende nicht hilfreich ist, an bestehenden Regeln vorbei Aktionen zu organisieren, deren Folgen oft nur schwer korrigierbar sind“, sagt Ingeborg Schmidt. Nicht nur alle großen Hilfsorganisationen, sondern auch die polnische Regierung bäten inständig, keine Hilfsgüter, die nicht abgesprochen seien, mit Autos ins Land zu bringen. Schon jetzt vergammelten Hilfsgüter am Straßenrand, gebe es dort verstopfte Straßen, seien die Unterkünfte belegt von Helfern, die keiner gerufen habe.

„Auch vom Staat würde ich mir wünschen, Möglichkeiten zur Hilfe  rasch zu kommunizieren, damit die Kommunen vor Ort die Menschen schneller mit einbeziehen können. Auf dieser Ebene müssten Notfallpläne erarbeitet werden, die auf verschiedene Szenarien vorbereiten“, betont Schmidt und fordert die Menschen zugleich auf, in professionell ausgebildeten Hilfsorganisationen wie dem DRK aktiv zu werden: „Hier könnten sich mehr Menschen beteiligen, aber es scheint attraktiver, sporadisch tätig zu werden, als sich zu verpflichten, regelmäßige Ausbildung in Kauf zu nehmen“, mutmaßt die DRK-Kreisvorsitzende und betont: „In solchen Krisenlagen zählt nicht das Gefühl des Helfenden. Das Deutsche Rote Kreuz sieht sich als Anwalt der Menschen, die Hilfe benötigen, unabhängig von Herkunft oder Religion, immer nach dem Maß der Not, im Zeichen der Menschlichkeit.“  

Sie könne verstehen, dass es manchen Menschen nicht schnell genug gehe mit der Hilfe, wenn Katastrophen passierten. Oftmals hätten aber die Dinge einen plausiblen Hintergrund. „Ich wünsche mir mehr Ruhe und zielgerichtetes Handeln, anstelle von blindem Aktionismus“, sagt Ingeborg Schmidt.

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