Leichlingen Die Hauptschule - ein Ort für Anpacker

Leichlingen · "Learning by doing" war stets das Motto der Lehrer und Schüler. In 50 Jahren ist viel Gutes entstanden. Bald ist Schluss.

 Das sind die Schüler des letzten zehnten Jahrgangs der Hauptschule. Sie verlassen "ihre" Schule im Sommer.

Das sind die Schüler des letzten zehnten Jahrgangs der Hauptschule. Sie verlassen "ihre" Schule im Sommer.

Foto: Uwe Miserius (Archiv)

Wozu eine Hauptschule eine neue Vorderradachse für ein Mofa braucht, erschließt sich vielleicht nicht jedem sofort. Auch der ehemalige Schulleiter Bernd-Dieter Ferrari staunte nicht schlecht, als er vor Jahren die Kosten dafür genehmigen sollte.

Doch wer dem früheren Konrektor Wilhelm Kallert am Wochenende bei der Abschlussfeier der städtischen Gemeinschaftshauptschule aufmerksam zuhörte, erfuhr: An der Schule, die zum Ende dieses Schuljahres schließt, stand immer das Lernen in der Praxis im Vordergrund. Gelegentliche Kollateralschäden blieben dabei nicht aus, etwa wenn Kallert auf dem Schulhof Vollbremsungen machen ließ, um im Physikunterricht alles zum Thema Bremswege zu vermitteln.

 5,8 Millionen Mark hat damals der Bau der städtischen Gemeinschaftshauptschule gekostet. Das Bild ist beim Richtfest am 16. Juni 1974 entstanden. In der Mitte steht der damalige Leichlinger Bürgermeister Walter Schüller.

5,8 Millionen Mark hat damals der Bau der städtischen Gemeinschaftshauptschule gekostet. Das Bild ist beim Richtfest am 16. Juni 1974 entstanden. In der Mitte steht der damalige Leichlinger Bürgermeister Walter Schüller.

Foto: Uwe Miserius

Überhaupt war immer "Learning by doing" angesagt: "Unsere Schüler mussten etwas tun, wir konnten ihnen nicht sechs Stunden lang theoretisch etwas erzählen", erinnerte Kallert an 50 Jahre Hauptschule in Leichlingen. So errichtete eine Schülergruppe auf dem Schulhof ein Backhaus, selbst gemauert, selbst gefliest, selbst das Dach gedeckt. Danach ist an dem kleinen Gebäude nie etwas kaputt gewesen, weil die Erbauer es hüteten wie einen Schatz. Handwerker sind sie allesamt geworden, ihr Backhaus wird die Schule deutlich überleben.

Ähnlich lief es mit dem Schulgarten und dem späteren Schulzoo, allesamt Projekte, bei denen die Schüler etwas aufbauten, was sie noch im späteren Berufsleben nutzen konnten. "Hier ist nach der zehnten Klasse niemand weggegangen, ohne zu wissen, wohin", sagten die früheren Schulleiter nicht ohne Stolz.

In den letzten fünf Jahren hat die Hauptschule das Jahrespraktikum eingeführt, in dessen Rahmen die Schüler ein Jahr lang einen Tag pro Woche in einen Betrieb gingen. "Auf diese Weise haben in diesem Jahr 40 bis 50 Prozent einen Ausbildungsplatz bekommen", berichtete Schulleiterin Helga Fricke. Praxisnah auch viele andere Vorhaben: Nistkästen und Infotafeln für den Naturschutz haben sie gebaut, Verkehrssicherheitskonzepte entwickelt, am Bankenwettbewerb teilgenommen ("Und sogar einmal gegen die Realschule und das Gymnasium gewonnen", so Ferrari), eine Amateurfunkstation aufgebaut und im Rahmen ihrer Schulpartnerschaft im südamerikanischen Urwald Guyanas eine Schule mit Solaranlagen elektrifiziert.

Eine ihrer größten Leistungen aber war die Integration - zunächst der Kinder aus Gastarbeiterfamilien, von Flüchtlingen, Spätaussiedlern, ab 1995 der Kinder mit geistigen oder Lernbehinderungen. "Wir waren die erste Schule im Kreis, die Sonderschulkollegen bekam und die Integration umsetzte", erzählte Ferrari.

Nun läuft die Hauptschule aus, sie wird ersetzt durch die Sekundarschule, an der die Kinder länger gemeinsam lernen sollen. "Ich hätte mir gewünscht, dass sie etwas von unseren Integrationskonzepten übernommen hätte", sagte Wilhelm Kallert. Jetzt aber seien die Kollegen in alle Winde zerstreut und man fange von vorne an. Schulleiterin Helga Fricke verpackte es zum Abschied humorvoll: Nachdem die 50. Folge der Fernsehserie "Hauptschule Leichlingen" nun ausgestrahlt sei, laute der vorläufige Arbeitstitel der neuen Serie: "Alte Idee in neuem Gewand".

(RP)
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