Leverkusen/Rhein-Berg Betreuungsgeld: Jurist warnt vor Sozialbetrug

Leverkusen/Rhein-Berg · Weder Leverkusen noch der Rheinisch-Bergische Kreis kontrollieren, ob Bezieher der Leistung auch Kita-Plätze nutzen.

Genau 104 Mal haben Eltern in Leverkusen bisher einen Antrag auf Betreuungsgeld gestellt, im Rheinisch-Bergischen Kreis sind es 143. Doch da das neue Gesetz erst am 1. August diesen Jahres in Kraft getreten ist, steht die Hauptwelle an Anträgen noch aus.

Betreuungsgeld erhalten Eltern, deren Kind ab dem 1. August 2012 geboren wurde und die für ihr Kind keine frühkindliche Betreuung in öffentlich bereitgestellten Tageseinrichtungen wie Kitas oder Kindertagespflege in Anspruch nehmen.

Doch wer kontrolliert, ob das tatsächlich auch eingehalten wird? Antwort: niemand. "Da würde der Aufwand in keinerlei Verhältnis zum tatsächlichen Ertrag stehen", heißt es dazu aus dem zuständigen Fachbereich der Stadt Leverkusen. Alexander Schiele, stellvertretender Pressesprecher des Rheinisch-Bergischen Kreises, will Eltern außerdem nicht unter Generalverdacht stellen: "Derzeit haben wir keine Maßnahmen zum Abgleich der Daten geplant, da das gesetzlich nicht vorgesehen ist", sagt er.

Tatsächlich sieht das NRW-Familienministerium keinen Anlass, die Städte dazu anzuhalten, die Daten über Betreuungsgeld-Bezieher und Kita-Nutzer abzugleichen. "Jeder, der Betreuungsgeld beantragt, muss eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass er keine dazu in Widerspruch stehende Leistung wie etwa Kita-Betreuung in Anspruch nimmt", erläutert ein Ministeriumssprecher. Wer dies dann trotzdem tue, mache sich strafbar. Das sei Abschreckung genug.

Davon ist Christoph Krosch ganz und gar nicht überzeugt. Der Rechtsanwalt beschäftigt sich in der Kölner Kanzlei Advogereon schwerpunktmäßig mit Themen wie der Kitaplatz- oder Betreuungsgeldproblematik. Er sagt: "Städte, die ihre Daten nicht abgleichen, öffnen Leuten mit krimineller Energie Tür und Tor." Wer nicht einmal stichprobenartig kontrolliere, animiere geradezu zum Sozialbetrug: "Ich bin wirklich völlig fassungslos, dass die Städte überhaupt nichts machen."

Dabei gibt es nach Auskunft des Familienministeriums durchaus eine Computersoftware, die solche "Doppelnutzer" ausfindig machen könnte. Doch mit dem NRW-Ministerium im Rücken wird nirgendwo zentral erfasst, wer seine Kinder in staatlich geförderten Kindertagesstätten untergebracht hat.

Es gibt übrigens Ausnahmen, die eine Doppelnutzung erlauben: Sind die Eltern längere Zeit krank oder müssen sie ihre eigenen Eltern pflegen, darf eine staatliche Tagesmutter oder Kita trotz Betreuungsgeld ausnahmsweise in Anspruch genommen werden. Ohne Härtefall gilt die gleichzeitige Inanspruchnahme von Kita und Betreuungsgeld als Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 2000 Euro Geldstrafe geahndet werden kann. Das Risiko, beim Sozialbetrug entdeckt zu werden, ist angesichts des Verhaltens der Kommunen indes gering.

Kreis-Sprecher Schiele verteidigt das Gebaren. Dabei gehe es auch um Datenschutz. Zwar stimmten die Antragsteller zu, "dass die Betreuungsgeldstelle vom Jugendamt, vom Träger der Kindertageseinrichtung, von der Tagespflegeperson, von der Elterngeldstelle, von der Bundesagentur für Arbeit, vom Finanzamt und etwa von der Ausländerbehörde weitere Auskünfte einholt, soweit diese für die Entscheidung erforderlich sind". Sei das Betreuungsgeld aber erst einmal gewährt, könne ein späterer Datenabgleich den Datenschutzvorschriften widersprechen.

(inbo)
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