Leverkusen Auch Polizisten brauchen manchmal Opferschutz

Leverkusen · Eine eigene Opferschutzabteilung der Polizei Rhein-Berg leistet im Hintergrund eine unersetzbare Sozialbegleitung.

 Susanne Krämer (r.) und Gundhild Hebborn (l.) arbeiten für den Opferschutz der Polizei Rhein-Berg.

Susanne Krämer (r.) und Gundhild Hebborn (l.) arbeiten für den Opferschutz der Polizei Rhein-Berg.

Foto: Heinz-Friedrich Hoffmann

Bei der zweiwöchigen Suche nach der vermissten Elke H. aus Witzhelden, deren Tod seit gestern feststeht, waren neben einer Vielzahl von Polizei- und Feuerwehrkräften auch die Mitarbeiter der Abteilung Opferschutz im Einsatz. "Nur wenige wissen, dass es uns gibt", sagt Susanne Krämer, die bei der Kreispolizei schwerpunktmäßig den Opferschutz betreut. Während vom polizeilichen Opferschutz diesmal die Familie der Vermissten begleitet wurde, seien die klassischen Fälle im Opferschutz eher andere, verdeutlicht Abteilungsleiterin Gundhild Hebborn. So sei der Opferschutz der Kreispolizei bei dem Selbstmord einer Realschülerin in Wermelskirchen ebenso im Einsatz gewesen, wie in Leichlingen, als sich eine Schülerin vor einen Zug geworfen hatte.

Bei diesen schrecklichen Ereignissen habe der Opferschutz aber auch ein Konzept entfaltet, gemeinsam mit dem durchaus guten Hilfenetzwerk in Rhein-Berg vor Ort effektiv zu arbeiten, erinnert sich Hebborn. So gehörten nicht nur Psychologen und Seelsorger zu den Trauerbegleitern in diesen beiden Schicksalsfällen.

Die Opferschützer der Polizei taten ihren Teil dazu, den Opfern auch zu ihren Rechten zu verhelfen. "Denn die meisten Opfer kennen ihre Rechte nicht", erfahren Krämer und Hebborn immer wieder in ihrer Alltagspraxis. "Welches Opfer weiß schon, dass es einen Anspruch auf Leistungen aus dem Opferentschädigungsgesetz hat?!", sagt Hebborn und erläutert: Der Landschaftsverband übernehme zum Beispiel die Kosten für Kuren zur Wiederherstellung des Opfers, die von den Krankenkassen zumeist nicht gezahlt würden. "Auch Psychotherapie oder die Hilfe in Trauma-Ambulanzen fallen darunter", fügt Krämer hinzu. Seit 1996 ist Hebborn bei der Kripo Rhein-Berg und hat die Entwicklung des Opferschutzes als polizeiliche Aufgabe mit ausgeformt. 2006 übernahm Susanne Krämer diese Arbeit als ihren Hauptschwerpunkt.

Die heute 42-jährige Polizistin war zuvor zehn Jahre lang im Außendienst tätig. "Ich habe mich schon immer auf Streife bei Verkehrsunfällen auch um die Betroffenen gekümmert", berichtet sie. Seit Susanne Krämer 2006 den Opferschutz maßgeblich übernahm, hat sie viele Fortbildungen besucht zu Themen, wie Opferrechte, "psychische Erkrankungen", "emotionale Kompetenz" oder "Suizidal-Prävention".

Verschoben haben sich mit den Jahren auch die Schwerpunkte im Opferschutz, wie Hebborn und Krämer feststellen. Es gebe immer mehr Fälle von Stalking und Cyber-Mobbing. Hebborn legt dazu eine Statistik des vergangenen Jahres vor: So wurden 2013 im Opferschutz der Kreispolizei insgesamt 188 Opferschutzleistungen in Bergisch Gladbach, 33 in Leichlingen, 30 in Wermelskirchen, 36 in Burscheid sowie insgesamt 139 in den übrigen Gemeinden erbracht. Darunter waren immerhin 18 Prozent Stalking-Opfer. 19 Prozent der Opfer wurden bedroht, sieben Prozent waren Opfer von Sexualdelikten - und in die große Masse von 38 Prozent der "Opfer allgemein" fallen auch die von Cyber-Mobbing Betroffenen.

Die Betroffenen von Verkehrsunfällen werden mittlerweile zusätzlich, aber in enger Abstimmung, mit der Opferschutzabteilung begleitet. "In diesem Bereich gibt es auch den typischen Lokführer-Unfall", sagt Hebborn. Selbst wenn der Lokführer einen Unfall unter keinen Umständen habe verhindern können, oder den Autofahrer, dem das Kind vors Fahrzeug läuft, ebenso faktisch kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden könne: "Auch diese Menschen sind Opfer, weil sie sich schuldig fühlen", betont Hebborn.

Und manchmal reicht schon ein Telefonat oder ein Einzelgespräch, um den Opfern Wege aufzuzeigen, wo sie Hilfe finden können, um wieder ein normales Leben zu führen. Manchmal sind aber auch bis zu fünf Gespräche nötig. Nur eines macht Hebborn ganz deutlich: "Opferdasein ist kein Hauptberuf."

Nicht nur für die Menschen, die durch Straftaten auf unterschiedlichste Art in ihrem Leben beeinträchtigt sind, halten sich die Opferschützer der Kreispolizei als kompetente Ansprechpartner bereit. Auch Polizeibeamte brauchen diese Fachkräfte im Verbund beispielsweise mit Seelsorgern oder Psychologen vor allem nach besonders schweren Einsätzen: "Die Love-Parade war für uns ein Meilenstein. Da waren etliche von uns im Einsatz und brauchten anschließend Begleitung", berichtet Susanne Krämer. Es sei vor allem gelernt worden, dass "Polizisten keine Roboter, sondern Menschen sind, die schreckliche Erlebnisse auch irgendwie verkraften müssen", verdeutlicht Hebborn. Aber dazu habe es einige Zeit gebraucht. In den Anfangsjahren ihrer Dienstzeit habe es dieses Bewusstsein und diese Sensibilisierung noch nicht gegeben. Inzwischen seien aber die Opferschützer in der Polizei als vollwertige Partner anerkannt: "Wir sind keine Soft-Polizisten, und das wird auch nicht mehr so gesehen", freut sich Hebborn über die Entwicklung.

Doch die Opferschützer sind trotz aller menschlichen Dienstleistung immer noch Polizeibeamte: Das verdeutlichen Hebborn, Krämer und ihre weiteren Kollegen den Opfern auch immer wieder. "Wenn mit jemand von einer Vergewaltigung berichtet, dann muss ich das weitergeben", betont Hebborn. Auch wenn jemand sage, er wolle auf keinen Fall eine Anzeige erstatten, dann müsse die Polizei aber trotzdem handeln: "Wenn jemand der Polizei von einer Straftat erzählt, dann ist dies eine Anzeige", betont Hebborn. Sie nennt Beispiele: "Wenn wir in Schulen gehen und uns erzählt ein Kind, dass sein Vater seine Mutter geschlagen hat, dann müssen wir dem nachgehen. Oder wir erfahren in einer Schule von einem Lehrer, der eine Schülerin missbraucht haben soll. Dann müssen wir sofort handeln, denn es könnte ja sein, dass auch noch andere Kinder in Gefahr sind." Aber viele Gespräche mit den Opfern dienten auch "einfach" dazu, ihnen zu erklären, warum sie beispielsweise polizeilich vernommen werden müssen, oder weshalb nicht jeder mutmaßliche Täter auch gleich inhaftiert werde: "Oft helfen den Opfern schon Erklärungen, um besser mit dem Geschehenen fertig zu werden",

(RP)
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