Gastbeitrag Jochen Molck Die Kultur überlebensfähig machen

Gastbeitrag Zakk-Chef Jochen Molck möchte nicht den Lockdown beklagen, sondern die Kulturszene einen. Er plädiert für ein deutliches Zeichen der Politik für kleinere Institutionen. Bisherige Strukturen der Kulturförderung müsste man überdenken und den Frust beiseite schieben.

 Jochen Molck leitet das Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk.

Jochen Molck leitet das Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Ja, der neue Lockdown ist für die Kulturszene bitter. Ich verstehe den Frust bei den Künstlern und Kollegen, die in den letzten Wochen kreativ und mit viel Herzblut an alternativen Konzepten und Hygienemaßnahmen gearbeitet haben. Es gibt jede Menge Widersprüchlichkeiten: Warum sind viele Menschen bei Ikea an der Kasse ein geringeres Risiko als die Handvoll Gäste im Programmkino? Ich persönlich empfinde mich nicht als Gefahrenquelle oder als gefährdet, wenn ich auf Abstand im Schauspielhaus sitze, mit Maske eine Ausstellung besuche oder mir in der Stadtbücherei ein Buch ausleihe.

Trotzdem halte ich die beschlossenen Maßnahmen im Kern leider für notwendig und richtig, auch oder gerade, weil es um Symbolpolitik geht. Leider müssen wir die Gesamtheit des öffentlichen Lebens ein Stück zurückfahren. Die Experten und Politiker könnten noch lange über eine Differenzierung der Lockdown-Maßnahmen nach Regionen, Altersgruppen, Inzidenzwerten oder vermeintlichen Hotspots diskutieren. Doch der Blick in unsere Nachbarländer zeigt, dass gehandelt werden muss, schnell, konsequent und klar. Die Infektionszahlen steigen dramatisch unkontrolliert, und niemand kann genau sagen, wo und wie sich die Menschen anstecken.

Das kulturelle Angebot, das auch vor Corona nur von einem Teil der Stadtgesellschaft wahrgenommen wurde, muss vier Wochen pausieren, vielleicht länger. Es ist trotzdem möglich, Bücher zu lesen, Musik zu hören oder sich Filme anzusehen. Und ich stimme dem Einwand zu: Es ist nicht dasselbe wie eine Ausstellungseröffnung, ein Livekonzert oder ein Kinoabend. Aber es geht, zumindest für eine Zeit.

Sorgen macht mir nicht der begrenzte Verzicht, sondern der Erhalt unserer kulturellen Infrastruktur, die einen Teil der Lebensqualität ausmacht, die zum öffentlichen Reichtum unserer Stadt beiträgt. Anders als oft behauptet, sitzt auch die Kulturszene nicht in einem Boot. Es sind sehr unterschiedliche Boote, vom Tanker bis zur offenen Jolle, und einige sind auch schon leckgeschlagen. Gerade die freie Kulturszene, die privaten Häuser und Initiativen sind ja eher in den kleinen wendigen Booten unterwegs, die allerdings den Nachteil haben, bei zu kräftigem Wind und Wellen leichter umzukippen.

Jetzt kommt es nicht darauf an, laut den Lockdown zu beklagen – Ticketverkäufe und Auslastungen waren auch schon vor drei Wochen coronamäßig lausig –, sondern die Strukturen unseres Kulturangebotes überlebensfähig zu machen. Am besten funktioniert es wohl gemeinsam, im offenen Austausch über Möglichkeiten und vielleicht auch Grenzen. Es darf aber nicht nur geredet werden, es müssen auch verlässliche Entscheidungen getroffen werden. Außerdem sollten wir alle langfristiger denken, denn es wäre naiv anzunehmen, dass sich die Krise in einem halben Jahr erledigt hat. Über 100 Institutionen und Initiativen vom Asphalt-Festival bis zum Zakk unterstützt die Stadt bei ihren kulturellen Aktivitäten. Dem neuen Rat, dem neuen Kulturausschuss stünde es gut an, möglichst bald Klarheit zu schaffen, mit welcher Unterstützung sie im nächsten Jahr rechnen können.

Auch die Zusammenlegung der Zuschüsse 20/21 verursacht keine Kosten, entlastet aber alle Seiten und ermöglicht ein wenig solidere Planung. Wie ist der Plan für Institutionen wie das Kommödchen, die bislang ohne öffentliche Unterstützung gearbeitet haben, jetzt aber aktuelle Überbrückungshilfe brauchen, wenn sie langfristig gesichert werden sollen? Nicht zu vergessen die Künstler und freien Mitarbeiter, die oft keine Absicherung haben. Wäre es nicht besser, ihnen temporär Jobs im Corona-Tracking anzubieten, als Statteilbüchereien dicht zu machen?

Ein deutliches Zeichen aus der Kulturpolitik würde sicherlich Mut machen. Ja, wir wollen, wir brauchen Euch. Das wäre ein Aufgabe für die designierte Kulturbürgermeisterin. Wir sollten die nächsten Wochen nutzen, um gemeinsam mit Kommune, Land und den Gesundheitsexperten verbindliche Konzepte auszuarbeiten, unter welchen Bedingungen und wie Schritt für Schritt wieder geöffnet und gespielt werden kann. Mittlerweile gibt es ja durchaus wissenschaftlich belegte Risikoeinschätzungen, wir sind mit unseren Kenntnissen weiter als im März zu Beginn der Pandemie.

Statt Frust brauchen wir jetzt einen kühlen Kopf und vor allem eine mittelfristige Perspektive möglicher Lösungen. Dazu gehört auch, bisherige Strukturen der Kulturförderung zu überdenken, das ein oder andere Großprojekt wie etwa den Opernneubau zu verschieben. Auch wenn aktuell manchmal der Eindruck vermittelt wird, Geld spielt keine Rolle: Am Ende wird es schon darum gehen, wer die Zeche bezahlt.

Kultur ist nicht der einzige gesellschaftliche Bereich, der gerade unter Druck steht. Aber wir sollten nüchtern und selbstbewusst deutlich machen, dass Kultur in Düsseldorf in Zukunft was wert ist.

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