Einkehr In Die Geschichte (6) Wo das Mühlrad nicht mehr klappert

Langenfeld · In der Haaner Mahnertmühle wurde früher Getreide gemahlen. Heute kommen dort Wild- und Fischspezialitäten auf den Tisch.

Erkrath/Haan Sie verdankt ihren Namen dem Mahnertbach, der über Jahrhunderte hinweg ihre Mühlräder antrieb. Hinter ihren Mauern liegen viele Geschichten verborgen. Alteingesessene Haaner erinnern sich noch an den großen Saal, in dem 500 Gäste rauschende Feste feiern konnten. Seit hundert Jahren ist es stiller geworden an der Mahnertmühle. Bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg klapperte noch das Mühlrad. Längst ist es nur noch das Besteck in der Küche, in der Paul-Georg Dickel (59) in mittlerweile vierter Generation selbst am Herd steht. "Ich bin hier die Seele", sagt der Gastronom. "Wenn ich mal eine Stunde nicht da bin, fragen die Gäste gleich nach mir."

Er selbst ist in der Mahnertmühle aufgewachsen. Wenn es um vergangene Zeiten geht, kommt Paul-Georg Dickel ins Schwärmen. "Mein Urgroßvater hat das damals hier alles übernommen", berichtet er aus dem Jahre 1906, als der Grundstein für die bis heute andauernde Familientradition gelegt wurde. Getreidemühle, Scherenschleiferei und Schankwirtschaft: All das habe damals unter einem Dach stattgefunden. Dazu kam noch ein Kolonialwarenladen, in dem die Nachbarschaft mit allerlei Brauchbarem versorgt wurde.

"Wir durften auf unsere Messer sogar ,Hergestellt in Solingen' schreiben", plaudert Dickel aus dem Nähkästchen. Wer sein Getreide zum Mahlen in die Mühle brachte, kehrte nebenan in der Schankwirtschaft ein. Dort traf man dann diejenigen, die ihre Scheren und Messer zum Schleifen brachten oder ihrem Einkauf im Kolonialwarenladen erledigt hatten. "Da ist man schon morgens früh aufgestanden und abends müde ins Bett gefallen", glaubt Paul-Georg Dickel. Vom Burnout seien seine Vorfahren jedoch weit entfernt gewesen. "Es lief alles ruhiger und mit Muße ab." Das Mühlrad, das eigentlich schon 1908 stillgelegt worden war, drehte sich noch mal inmitten der Kriegswirren des Ersten Weltkrieges. Dann kam alles so, wie es kommen musste. Die moderne Technik hielt Einzug, das Korn wurde in maschinell betriebenen Mühlenfabriken gemahlen. Die Mahnertmühle hatte ihre Dienste getan. Was blieb, war die Gastwirtschaft. Und die florierte in der guten alten Zeit, in der man noch sonntags zum Spaziergang aufbrach. Der nahegelegene Aussichtsturm lockte viele Ausflügler in die Gegend. "Damals sind die Leute noch in der Umgebung wandern gegangen. Heute fliegt man für 90 Euro nach Mallorca", sagt Dickel schmunzelnd.

Er selbst kann sich über fehlende Kundschaft jedoch nicht beklagen. Auch wenn es längst nicht mehr die 500 Gäste im Ballsaal sind, die er beköstigen könnte. "Wir haben Stammgäste, die schon seit mehr als 40 Jahren zu uns kommen. Für manche Familien haben wir von der Taufe bis zur Hochzeit beinahe ein ganzes Leben hindurch die Feste ausgerichtet." Kulinarisch schwört der Gastronom je nach Jahreszeit vor allem auf Wild, Spargel und Fisch. Das er mal Koch werden möchte, wusste Dickel übrigens schon ziemlich lange. "Ich war sieben Jahre alt, als ich den Eltern meinen Berufswunsch verkündet habe", erinnert er sich. Die Familientradition wird nun mit ihm zu Ende gehen. Da es in die Familie niemanden gibt, der das Restaurant übernehmen möchte, sucht Dickel einen Käufer.

(RP)
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