Langenfeld/Monheim Werben um Kinderärzte

Langenfeld/Monheim · Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein befürchtet in den nächsten Jahren einen drastischen Mangel an Pädiatern. Der Langenfelder Dr. Holger Muscheid erwartet indes für den Südkreis keine gravierenden Probleme.

 Entspannt ging es gestern Nachmittag im Wartezimmer von Kinderarzt Dr. Holger Muscheid zu.

Entspannt ging es gestern Nachmittag im Wartezimmer von Kinderarzt Dr. Holger Muscheid zu.

Foto: Miserius

Einen drastischen Mangel an Kinderärzten befürchtet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein in den nächsten Jahren. Vor allem in weniger attraktiven Städten oder ländlichen Gebieten müssten Eltern bald wohl weite Wege in Kauf nehmen. Die Situation werde dadurch verschärft, dass knapp 20 Prozent der niedergelassenen Pädiater heute über 60 Jahre alt sind und in absehbarer Zeit einen Nachfolger suchen. Mit der Aktion "Kinderarzt — verzweifelt gesucht" will der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, unterstützt von der KV Nordrhein, nun aktiv um Nachwuchs werben. Die RP hörte sich um.

 Der Langenfelder Dr. Holger Muscheid ist Obmann der 15 Kinderärzte im Südkreis Mettmann.

Der Langenfelder Dr. Holger Muscheid ist Obmann der 15 Kinderärzte im Südkreis Mettmann.

Foto: matzerath

Obmann für den Südkreis beruhigt

"In Langenfeld und Monheim wird es zukünftig genug Kinderärzte geben", beruhigt Dr. Holger Muscheid. Der Langenfelder Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist seit 1995 in eigener Praxis tätig und Obmann der 15 Kinderärzte im Südkreis Mettmann. Indes räumt Muscheid ein, dass es im ländlichen Raum zu Schwierigkeiten kommen könne. Denn rund ein Viertel der knapp 800 Kinderärzte im Bereich der KV Nordrhein sei älter als 55 Jahre und werde sich über kurz oder lang überlegen, die eigene Praxis an jüngere Mediziner zu übergeben. Aber von den rund 400 Medizinern, die sich im Gebiet der KV Nordrhein in der fünfjährigen Aus- und Weiterbildung zum Facharzt für Kindermedizin befinden, wollen sich 60 Prozent nicht mit einer eigenen Praxis niederlassen.

Die von den Berufsverbänden ermittelten Gründe, sich lieber eine geregelte Tätigkeit als angestellte Ärzte in einer Praxis oder medizinischen Versorgungszentren oder Krankenhäusern zu suchen, sind laut Muscheid zum einen die wirtschaftlichen Risiken einer eigenen Praxis und zum anderen die hohe zeitliche Belastung. "Zwölf-Stunden-Tage sind normal, ebenso Not- und Wochenenddienste, dazu kommen immer größere Anforderungen an die Bürokratie und Personalverwaltung." Eine eigene Praxis erfordert nach Angaben des Langenfelder Mediziners neben hohen Investitionen dauerhafte Personal- und Betriebskosten.

Zudem verunsichern laut Muscheid die ständigen Neuregelungen und immer wieder geforderte grundsätzliche Veränderungen im Gesundheitswesen potenzielle Bewerber. "Wenn die heute übliche Mischung aus Privat- und Kassenpatienten irgendwann politisch in Frage gestellt wird - Stichwort : ,Bürgerversicherung' - sind eingegangene finanzielle Verpflichtungen nicht mehr einzuhalten."

In Langenfeld praktizieren fünf Kinderärzte, in Monheim haben sich drei solche Fachmediziner niedergelassen. Das entspricht den Durchschnittswerten von einem Kinderarzt auf rund 10 000 Einwohner.

Umfrage des Hartmannbundes

Die aktuelle Umfrage des Hartmannbundes (siehe Infokasten) zeigt, dass speziell im ländlichen Raum ein Versorgungsnotstand droht, das beginnt bei den Allgemeinmedizinern, für die das Idyll des "Landarztes" keinen Reiz mehr ausübt. Auch bei Kinderärzten gibt es in der Eifel, am Niederrhein und in anderen strukturschwachen Gebieten schon örtliche Nachfolgeprobleme. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass fast drei Viertel der angehenden Kinderärzte Frauen sind, die bemüht sind, in der Berufsausübung Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen sind", mutmaßt Muscheid. Teilzeitmodelle etwa seien in Praxisgemeinschaften, in Kliniken oder medizinischen Zentren eher zu verwirklichen.

"Für Kinder und Eltern ist der bekannte und vertraute Kinderarzt jedoch ein großer Vorteil, unnötige Ängste und Aufregungen werden vermieden", gibt Muscheid zu bedenken. Um dem Mangel an Allgemeinmedizinern abzuhelfen, gibt es erste Lösungen, die sich Muscheid auch für Kinderärzte vorstellen kann: die ein- oder zweijährige Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten in den Praxen, und zwar mit finanzieller Unterstützung der Kassen bzw. Kassenärztlichen Vereinigung.

(mmo)
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