Kreis Mettmann Wenn Angst vor der Schule krank macht

Kreis Mettmann · Experten schätzen, dass in Deutschland bis zu einer Million Kinder unter Schulangst leiden. Vor allem der Schulbeginn und der Wechsel von der Grundschule auf eine weiterführende Schule sind sensible Phasen.

 Jan Richter ist Schulpsychologe beim Kreis Mettmann

Jan Richter ist Schulpsychologe beim Kreis Mettmann

Foto: Kreis ME

Das Drama begann schon am Wochenende. Je näher der Montagmorgen rückte, desto schlimmer wurden die Bauchschmerzen. Am Frühstückstisch war es dann endgültig vorbei: Hannah zitterte, weinte und bettelte darum, zu Hause bleiben zu dürfen. "Anfangs bin ich noch hart geblieben. Ich habe darauf bestanden, dass sie zur Schule geht", erinnert sich Eva Leiß (Name von der Red. geändert). Irgendwann weigerte sich die Zehnjährige, in den Schulbus zu steigen. "Da bin ich einfach mitgefahren. Aber als meine Tochter zusammengesunken neben mir saß, wusste ich, dass es so nicht weitergehen kann", entschied die Mutter. Sie sprach mit der Klassenlehrerin und wandte sich an eine Erziehungsberatungsstelle - um dort zu erfahren, dass ihre Tochter kein Einzelfall ist.

Experten schätzen, dass in Deutschland zwischen 600 000 und einer Million Schüler unter Schulangst leiden. Tendenz steigend. So hat eine bundesweite Studie ergeben, dass bereits ein Drittel aller Kinder Angst davor hat, in der Schule zu versagen. Nicht in jedem dieser Fälle kann von Schulangst gesprochen werden, aber die Grenzen bis hin zu einer diagnostizierten Störung sind fließend. Spätestens dann, wenn sich Kinder vor dem Schulbeginn mit Brechreiz quälen oder wegen starker Kopfschmerzen dem Unterricht nicht mehr folgen können, besteht dringender Handlungsbedarf. Doch wie können Eltern erkennen, dass ihr Kind unter Schulangst leidet? Nicht immer sind die Anzeichen klar erkennbar. Und nicht sofort drängt sich der Zusammenhang zwischen Bauchschmerzen und Schulbesuch auf. "Schulangst tritt auch bei Kindern und Jugendlichen mit guten schulischen Leistungen auf", weiß Diplompsychologe Jan Richter vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Mettmann.

Vor allem der Schulbeginn und der Schulwechsel nach der Grundschulzeit sind sensible Phasen, in denen Eltern aufmerksam für eventuelle Schwierigkeiten ihrer Kinder sein sollten. Oft spricht auch für Schulangst, wenn in den Ferien und am Samstag plötzlich alles wieder gut ist. Die Gründe für massive Ängste vor dem Schulbesuch sind so vielfältig wie die körperlichen und seelischen Symptome.

"Grundsätzlich trifft es vor allem Kinder, die generell eher ängstlich und unsicher sind", sagt Richter. Als Ursachen für die wachsende Zahl verzweifelter Schüler nennt er außerdem zunehmenden Leistungsdruck. Hinzu kommen Mobbing und die Gemeinheiten, die sich zuweilen schon Grundschüler via Internetchat an den Kopf werfen. "Wer wenig soziale Kontakte bei Facebook hat, gerät schnell ins Abseits", weiß der Diplom-Psychologe.

Die Schuld an der Misere sehen Experten aber nicht nur bei Mitschülern und Lehrern, sondern auch bei den Eltern selbst, von denen manche ihre Kinder mit hohen Ansprüchen überfordern. Der Einbruch erfolgt daher oft auch nach dem Schulwechsel. Richter: "Das ist eine kritische Phase, auch weil Freundschaften auseinandergerissen werden. "

(RP)
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