Analyse Therapiekosten für Schüler stark gestiegen

Langenfeld · Die von der Stadt Langenfeld zu tragenden Aufwendungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben sich seit 2005 vervielfacht.

Thomas Bremer hat ein gutes Gespür für Befindlichkeiten. Bevor der Mitarbeiter der städtischen Sozialverwaltung den Politikern im Jugendhilfe-Ausschuss eine Kostentabelle vor Augen führte, hatte er sie schonend vorbereitet: "Gleich werden Ihnen die Ohren schlackern!" Und tatsächlich rieb sich der ein oder andere Parteienvertreter die Augen, als auf der Großleinwand die Kostenentwicklung der so genannten Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche erschien. Lag dieser Ausgabeposten im Jahr 2005 noch bei 33 000 Euro, so stieg er seither kontinuierlich an und belastete den Langenfelder Haushalt 2014 mit 1,42 Millionen Euro (siehe Infobox). "Das sind die reinen Kosten, die auf die städtische Jugendhilfe zukommen", betont Fachbereichsleiter Ulrich Moenen.

Wer hat Anspruch auf diese Eingliederungshilfe? Nach Paragraf 35a des Sozialgesetzbuchs haben Kinder oder Jugendliche unter zwei Voraussetzungen einen Anspruch: Wenn erstens ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht. Und wenn zweitens daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Wie drücken sich die Entwicklungsstörungen aus? Nach Bremers Angaben ist die Bandbreite groß. Dazu gehören Therapien von Mädchen und Jungen mit Lese-Rechtschreib-Schwächen, sofern ein Kinder- und Jugendpsychiater ein damit verbundenes seelisches Leiden attestiert. Hiervon werde im Falle der "Dyskalkulie" genannten Rechenschwäche grundsätzlich ausgegangen. Auch beim Zappelphilipp-Syndrom (ADHS), Autismus, Angstzuständen oder anderen Psychosen trage die Stadt die Kosten für Therapien oder andere Hilfsangebote.

Warum haben sich in den vergangenen Jahren die Kosten für die Stadt so erhöht? Nach Bremers Worten schlagen vermehrt in Anspruch genommene Angebote wie etwa Integrationshelfer sehr ins Geld. "Die Förderschulen werden abgeschafft. Nach wenigen Wochen Inklusion schreien manche Schulen dann um Hilfe." Die Stadt finanziere Integrationshelfer, von denen einige nichts anderes zu tun hätten als darauf zu achten, dass der von ihnen betreute Schüler nicht plötzlich im Unterricht aufspringt. Bei einem Stundensatz von 35 Euro summierten sich die Ausgaben für Integrationshelfer enorm. Aber auch Internatsplätze etwa für autistische Schüler, stationäre Therapien beispielsweise im Falle des Borderline-Syndroms oder betreutes Wohnen traumatisierter junger Erwachsener schlagen laut Bremer stark zu Buche. In begründeten Einzelfällen ist Eingliederungshilfe nach Moenens Worten bis zum 27. Lebensjahr möglich.

Ist die Übernahme der Kosten gesetzlich fest vorgeschrieben? Bremer zufolge gibt es bei der Gewährung von Anträgen für ihn und seine Kollegen einen Ermessensspielraum. "Wir in Langenfeld sind da vergleichsweise großzügig. Es gibt ganz in der Nähe Städte, die vieles davon bei sich selber kategorisch ablehnen."

Was sagen die Stadtpolitiker? Im Jugendhilfe-Ausschuss sprach dessen Vorsitzender Jürgen Brüne (CDU) von einer "katastrophalen Kostenentwicklung". Er kritisierte, dass über den Paragrafen 35a "vieles in einen Topf geworfen wird". Auf Elke Hirsch-Biermanns (Grüne) Frage nach einer Erfolgskontrolle für gewährte Hilfen entgegnete Bremer, dass Vorher-Nachher-Untersuchungen in Verbindung mit der Wirksamkeit oder im Vergleich zu Alternativen kaum möglich seien.

(RP)
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