Analyse Stadt-Chef gibt Schlüssel öffentlich ab

Langenfeld · Am Donnerstag ist es so weit: In Langenfeld wird die Schlüsselübergabe an die Narren erstmals vor großem Publikum zelebriert. Dem Karneval kann das nur guttun, wie das Beispiel Monheim belegt. Weitere Neuerungen im hiesige Brauchtum wären wünschenswert.

Bisher lief Altweiber in Langenfeld so ab: Draußen, auf dem Marktplatz, feierte das Narrenvolk. Und weitab davon, drinnen, im Rathaus, ließ sich der Bürgermeister von der Karnevalsprinzessin und der Kinderprinzessin entmachten. Nicht klammheimlich in seinen Amtsgemächern, aber doch ohne Zeugenschaft durch das gemeine Volk. Denn die anwesenden Hundertschaften, die das Rathaus an Altweiber in ein Tollhaus verwandeln, bestehen aus Mitarbeitern der Stadt, offiziellen Vereinskarnevalisten und geladenen Gästen. Für die Durchschnitts-Pappnase ist spätestens an der Einlasskontrolle Schluss mit lustig. Kein Wunder, dass sich zuletzt immer weniger Jecken ans Rathaus verirrten, um dem Sturm beizuwohnen.

Das soll am Donnerstag anders werden. Die Musik wird nicht mehr auf dem Marktplatz spielen, sondern vorm Rathaus. So wie das ganze Bühnenprogramm. Bürgermeister Frank Schneider wird dort auch den großen Schlüssel übergeben. Citymanager Jan Christoph Zimmermann, der das Spektakel organisiert, sieht darin eine Wertschätzung der Karnevalisten: "Die Mitwirkenden haben die Wahrnehmung ihrer kreativen Ideen auf größerer Bühne verdient." Der Ortswechsel bietet aber auch handfeste Vorteile:

11.11 Uhr Das Rathaus ist ab sofort zum närrisch korrekten Zeitpunkt sturmreif, um 11.11 Uhr. Ja, wann denn sonst, dürfte jetzt manch einer fragen, der mit den Langenfelder Bräuchen nicht bis ins Letzte vertraut ist. Antwort: um 12.11 Uhr! Weil die Prinzessinnen um 11.11 Uhr zur Karnevalseröffnung auf dem Marktplatz gebraucht wurden, galt für das Rathaus bisher eine andere Zeitzone. Greenwich Mean Time. Dabei wird in England gar kein Karneval gefeiert.

Von Monnem lernen Hart am Rhein klappte es mit dem Rathaussturm bislang besser. Ein wichtiger Grund: Dort werden die gehaltvolleren Reden geschwungen. So versprach Prinz Mohan I. einst allen Ausländern, die in der Gänseliesel-Stadt leben, die Monheimer Staatsbürgerschaft - ein Fingerzeig zur bundesweiten Debatte. Gromoka-Sitzungspräsident Wolfgang Schulte formulierte 2012 seine jecken "Fisionen" für "Bad Monheim am Rhein", die drei Jahre später gar nicht mehr so "fisionär" anmuten: zum Beispiel Kreuzfahrt-Anlegestelle und Fünf-Sterne-Hotel. Im Langenfelder Rathaus dagegen gingen die gutgemeinten Reime der Schlüsselfiguren schon rein akustisch oft unter im Partyspaß derer, die sich lieber nur selbst feiern, als auch mal zuzuhören. Der Auftritt vor dem Volke am Donnerstag dürfte den Tollitäten wie dem Bürgermeister Ansporn genug sein für fluffige Worte.

No risk no fun Klar, wie immer bei Neuerungen in Deutschland gibt es auch für die Altweiber-Verlagerung ein Horrorszenario: Tausende Jecken finden auf dem Marktplatz die Bühne nicht und ziehen darauf marodierend durch Langenfeld oder - noch schlimmer - in eine der Nachbarstädte weiter. Zur gleichen Zeit floppt der Rathaussturm, weil Publikum fehlt. Da aber Citymanager Zimmermann eigens Wegweiser aufhängen lassen wird, dürfte dieses Risiko nur im Promillebereich liegen. Umgekehrt könnte die Neuerung, sollte sie glücken, zu weiteren Innovationen ermutigen. Zu denken wäre etwa an die Wiederbelebung eines Hoppeditzes, der politisch auf die Sahne haut, wie es Julius von Bukowski vor Jahren mal vormachte. Oder an Ideen, wie Langenfeld mehr aus seinen drei Umzügen machen könnte. Apropos: Der Reusrather Lichterzug, vor neun Jahren ein Wagnis, ist heute ein Glanzlicht!

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort