Jörn Elberding "Die Wege nach Leverkusen sind vielfältig"

Langenfeld · Der Geschäftsführer der TSV-Leichtathleten spricht über die Talentförderung im Verein, die Heim-EM 2018 und ein Angebot aus Katar.

 Für Jörn Elberding ist die Leichtathletik-Halle in Manfort seit mehr als zehn Jahren sein Arbeitsplatz. Vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer war er als Stabhochsprung-Bundestrainer am Standort Leverkusen aktiv.

Für Jörn Elberding ist die Leichtathletik-Halle in Manfort seit mehr als zehn Jahren sein Arbeitsplatz. Vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer war er als Stabhochsprung-Bundestrainer am Standort Leverkusen aktiv.

Foto: Uwe Miserius

Herr Elberding, der TSV Bayer 04 hat in den vergangenen Wochen neben Sprinterin Gina Lückenkemper viele weitere Talente und Spitzenathleten verpflichtet. Insgesamt sind es 27 Zugänge. Kommen Sie beim Begrüßen der Neuen überhaupt hinterher?

ELBERDING Doch, doch. Die meisten kannte ich ja schon vorher. Zuletzt kam dann noch ein Zehnkämpfer aus dem C-Kader hinzu: Henri Schlund (von der LAG Siege; Anm. d. Redaktion). Auch er ist ein toller Junge.

Wer ist für die Transfers beim TSV verantwortlich?

elberding Gemeinsam mit dem sportlichen Leiter Hans-Jörg Thomaskamp sowie dem neuen Führungs-Duo im Vorstand, Frank Kobor und Ralf Schneider, teilen wir die Verantwortung. Es ist eine absolut enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Im Fall Gina Lückenkemper gab es vorab Kontakt mit Thomaskamp und dann bin ich natürlich auch involviert worden. Die Wege nach Leverkusen sind vielfältig. Manchmal bekommen wir auch Anfragen von Sportlern, die gerne zu uns kommen wollen.

Muss bei den Trainingsmöglichkeiten, die in Leverkusen mit der Leichtathletik-Halle in Manfort deutschlandweit zu den Besten gehören, überhaupt Überzeugungsarbeit geleistet werden?

ELBERDING Nein, das müssen wir nicht. In der Region haben wir den Ruf, wir würden Athleten abwerben. Vielmehr ist es aber für die Sportler ein logischer Schluss, zu uns zu wechseln, wenn sie versuchen möchten, ihre Trainingsbedingungen zu optimieren. Es ist logisch, dass man Leistungssport auf hohem Niveau nur an bestimmten Orten betreiben kann. Sicher wird es auch immer Insellösungen geben, aber im Großen und Ganzen kann es nur in solchen Zentren wie bei uns funktionieren.

Im Oktober haben Sie die Nachfolge des langjährigen Geschäftsführers Paul-Heinz Wellmann angetreten, aber zuvor schon rund zwölf Jahre in Leverkusen als Stabhochsprung-Bundestrainer und -Teamleiter gearbeitet. Zuvor sollen Sie mal ein Angebot aus Katar abgelehnt haben.

ELBERDING Das stimmt. Nach dem Ende meiner Studienzeit in den 90ern habe ich ein wahnsinniges Angebot aus Katar erhalten. Ich war Ende 20 und hätte sehr viel Geld verdienen können. Allerdings hätte ich einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschreiben müssen und wäre dann ohne Reputation heimgekehrt. Da ich zu der Zeit aber in Stabhochspringer Michael Stulle (zweimaliger Olympiateilnehmer; Anm. d. Redaktion) einen Top-Athleten trainierte, habe ich abgesagt. Für ein, zwei Jahre hätte ich es mir überlegt, aber so kam es nicht in Frage.

War es schon immer Ihr Wunsch, in der Leichtathletik zu arbeiten?

ELBERDING Ich habe mit einem BWL-Studium begonnen und bin dann später auf ein Sportstudium umgestiegen. Da hatte ich schon das Ziel, Leichtathletik-Trainer zu werden. Mein Vater kommt aus der Wirtschaft und hat erst einmal gefragt, wie ich denn damit Geld verdienen wolle, was natürlich eine berechtigte Frage war.

Die neue Devise beim TSV lautet, gezielt in die Spitze und die Talente zu investieren. Inwiefern unterscheidet sich das von den vorherigen Jahren?

ELBERDING Das ist die neue Zielrichtung der Abteilung. Die Athleten, die wir zusätzlich zu den hervorragenden Rahmenbedingungen auch finanziell unterstützen, sollen eine Perspektive in ihrer Altersklasse aufzeigen, international starten zu können - auch schon ab der U18. In der Förderung ist das schon ein deutlicher Strategiewechsel.

Wie viele Athleten werden gefördert?

ELBERDING Aktuell haben wir 53 Honorar-Athleten sowie hunderte weitere Sportler in unserer Abteilung.

Mittelstreckenläuferin Konstanze Klosterhalfen gehört trotz ihrer erst 20 Jahre bereits zu den bekanntesten Gesichtern des TSV. Ist sie schon jetzt das Aushängeschild des Vereins?

ELBERDING Sie prägt das Bild der TSV-Leichtathleten natürlich mit, aber wir haben viele weitere Top-Athleten bei uns wie Gina Lückenkemper, die eine ähnliche Strahlkraft besitzt. Konstanze ist ein unglaubliches Talent, hat eine sensationelle Saison hingelegt. Auch die Weltmeisterschaften in London waren kein Beinbruch. Sie ist eine sehr junge Athletin, die auf der ganz großen Bühne ihre Erfahrungen gesammelt hat. Ihr Talent ist außergewöhnlich. Aber ich tue mich schwer, ihr eine solche Position aufzubürden.

Vom 7. bis 12. August 2018 finden in Berlin die Leichtathletik-Europameisterschaften statt. Welche Bedeutung hat dieses Event für den Verein?

ELBERDING Eine EM ist eine Chance, in den Sprint- und Laufdisziplinen zu punkten. Sie ist aber auch ein Weg, Erfahrung auf internationalem Niveau zu sammeln - und das leichter als bei Weltmeisterschaften oder Olympia. Zumal es eine Heim-EM ist, hat sie eine absolut hohe Bedeutung. Ich hatte das Vergnügen, schon 2009 in Berlin bei den Weltmeisterschaften als Trainer dabei zu sein. Welche Macht eine solche Zuschauermasse hat, das war schon phänomenal. Das kennen wir aus der Leichtathletik so leider viel zu selten.

Welchen Sportlern des TSV Bayer 04 trauen Sie in der Hauptstadt Medaillenränge zu?

ELBERDING Wenn es um die ersten drei Plätze geht, kommen so viele Faktoren zusammen, weswegen ich ungerne Prognosen abgebe. Finalplätze traue ich aber einigen unserer Athleten mindestens zu. Im Stabhochsprung wären das Tobias Scherbarth, Karsten Dilla und Bo Kanda Lita Baehre. Die Sprinter Kai Köllmann und Robert Polkowski könnten es mit der Staffel schaffen. Auch Mateusz Przybylko hat im Hochsprung natürlich gute Chancen. Im Sprint sind Jennifer Montag und Gina Lückenkemper unsere aussichtsreichsten Athletinnen. Speerwerferin Katharina Molitor und Stabhochspringerin Silke Spiegelburg dürften ebenfalls dabei sein, ebenso wie Konstanze über 1500 Meter - und unsere beiden Hammerwerferinnen Susen Küster und Carolin Paesler.

Auch mit Blick auf Olympia 2020 in Tokio: Wie sehen Sie die deutsche Leichtathletik im internationalen Vergleich?

ELBERDING Bei der Leichtathletik-WM in London habe ich stark gelitten. Das war schon ein Generationenwechsel. Björn Otto hat aufgehört, Raphael Holzdeppe war verletzt. Viele unserer Leistungsträger sind nicht angetreten oder zu alt gewesen. Diesen Generationenwechsel gilt es, bis 2020 zu vollziehen . Bei der EM 2017 waren wir in der U 23 schon die beste Nation. Ich denke, dass sich die deutsche Leichtathletik in Tokio deutlich besser präsentieren wird, als sie es vergangenes Jahr in London getan hat.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE SEBASTIAN BERGMANN.

(RP)
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