Motorsport Bergmeister und das Wunder von Sebring

Langenfeld · Der Langenfelder hatte nach einem Feuer erst kein Auto mehr. Trotzdem gab es den dritten Platz und wichtige WM-Punkte.

 Champagnerzeit: Jörg Bergmeister (links) und Teamkollege Egidio Perfetti versprühten bei der Siegerehrung nicht nur gute Laune. Der dritte Platz wollte ja auch begossen werden.

Champagnerzeit: Jörg Bergmeister (links) und Teamkollege Egidio Perfetti versprühten bei der Siegerehrung nicht nur gute Laune. Der dritte Platz wollte ja auch begossen werden.

Foto: Porsche AG

Die Sprache ist blumig, aber irgendwie trifft sie ja zu. Als normal lässt sich auch nicht beschreiben, was Motorsportler Jörg Bergmeister in der vergangenen Woche erlebte. Ein Fan drückte es in seinem Beitrag in den digitalen Medien so aus: „Es ist eine Cinderella-Story.“ Am Ende dürfte das nahezu märchenhafte Ergebnis tatsächlich fast als Wunder von Sebring (Florida) in die Geschichte des Teams „Project 1“ aus Lohne in Niedersachsen eingehen. Begonnen hatte alles mit dem spektakulären Zwischenfall bei Tests, als im Heck des Porsche 911 RSR ein Feuer ausbrach und das Auto schnell in Flammen stand. Bergmeister überstand alles unbeschadet – anders als sein Dienstwagen, der nicht mehr zu gebrauchen war. Es folgte ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Chance auf den Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft zu wahren: Ein anderes Auto sollte her. Der kühne Plan funktionierte, denn der Ersatz aus Deutschland stand innerhalb von weniger als 72 Stunden an der Strecke. Das Team verpasste nur das erste freie Training und konnte den Porsche dann trotz des schmalen Zeitfensters ordentlich vorbereiten. Bereits Platz zwei aus dem Qualifying war eine Überraschung und den dritten Rang im Rennen feierte Project 1 ausgelassen.

Weil der Langenfelder Bergmeister nicht so schnell vor Euphorie ausrastet, bei der Ausübung seines Berufs aber noch weniger in Hektik verfällt, sah er die Dinge nach einer extrem anstrengenden Dienstreise mit der ihm eigenen Gelassenheit. Schon das Feuer in seinem Rücken steckte er unbeeindruckt weg, zumal er den Porsche zügig verlassen konnte. Bei der Vorbereitung des zweiten Autos packte Bergmeister mit an, wo es sinnvoll war – was er für normal hielt. Das Qualifying stimmte ihn anschließend „recht optimistisch“ und im Rennen ließ er sich wieder nicht aus der Ruhe bringen – nicht durch durch den einsetzenden Regen in der Schlussphase und nicht durch sonstige Unwägbarkeiten.

In der dritten Stunde etwa schob ihn der Ferrari-Kollege Giancarlo Fisichella (Italien) von der Strecke und Bergmeister rutschte in einen Reifenstapel. „Da haben wir mal richtig Glück gehabt“, stellte der 43-Jährige fest. Klar: Der Einschlag verschob den Heckflügel und änderte die Balance im Porsche. Auf der anderen Seite hätte ein etwas heftigerer Kontakt jede Hoffnung auf ein gutes Ergebnis zerstört. Fisichella verlor übrigens ebenfalls Zeit, denn er wurde für seine Aktion mit einer Stop-and-Go-Strafe belegt.

 Wie auf Schienen: Die drei Fahrer des Autos mit der Startnummer 56 zeigten starke Leistungen und überstanden auch kritische Situationen.

Wie auf Schienen: Die drei Fahrer des Autos mit der Startnummer 56 zeigten starke Leistungen und überstanden auch kritische Situationen.

Foto: Porsche AG

Bergmeister lobte die Arbeit der gesamten Mannschaft rund um Project 1 in den höchsten Tönen: „Es ist beeindruckend, wie sich alle eingesetzt haben. Vor einer Woche war nie damit zu rechnen, dass wir hier Dritter werden. Wir wollten Schadensbegrenzung betreiben und das haben wir sehr erfolgreich getan.“ Den Mit-Fahrern Egidio Perfetti (Norwegen), der von Startplatz zwei aus bald die Führung eroberte, und Patrick Lindsey (USA) bescheinigte er ebenfalls starke Leistungen. „Ich bin eigentlich sehr wenig gefahren“, fand Bergmeister, der als Porsche-Werksfahrer die durchaus haarige Schlussphase sicher über die Bühne brachte.

In die beiden letzten Rennen der „Super Season“ 2018/2019 geht Project 1 als Neuling in der Langstrecken-Weltmeisterschaft mit guten Aussichten auf den Titel. Insgesamt sind noch maximal 63 Punkte zu holen – 25 für einen Sieg am 4. Mai in Spa-Francorchamps (Belgien) und 38 für einen Triumph am 15./16. Juni bei den 24 Stunden in Le Mans (Frankreich), dem Mekka der Motorsportler. Jörg Bergmeister weiß aus seiner an Erlebnissen nicht armen Karriere als Motorsportler sehr genau, dass hier bis zur letzten Sekunde eine ganze Menge passieren kann. Daraus folgt: Die Arbeit wird nicht weniger. Und Bergmeisters Cinderella-Story hat erst dann ein Happy End, wenn am Ende wirklich der Titel herausspringt.

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