Lokalsport Abschied: Tschüss Langenfeld, Servus Wien

Langenfeld · Oliver Pongratz, der neue Badminton-Nationaltrainer von Österreich, bricht seine Zelte im Rheinland ab. Ein Besuch.

 Fertig gepackt: Malene, Oliver, Lou, Luis (von links) und Lukas Pongratz (nicht auf dem Foto) sind bereit fürs Abenteuer Österreich.

Fertig gepackt: Malene, Oliver, Lou, Luis (von links) und Lukas Pongratz (nicht auf dem Foto) sind bereit fürs Abenteuer Österreich.

Foto: Ralph Matzerath

Plötzlich geht alles drunter und drüber. Vielleicht ist es sogar besser so, damit die Wehmut nicht zu früh kommt. Die Möbelpacker, die am Donnerstag mit der Arbeit begonnen haben, sind irgendwie doch fertig geworden. Es passt ein bisschen zu den vergangenen Wochen, in denen viel zu organisieren war. Warum? Oliver Pongratz (44) verlässt Langenfeld - jener Sportler, der einst als ganz junger Mann ins Rheinland kam und dort Spuren hinterlassen hat. Er geht nicht alleine. Seine Frau Malene (44) und die drei Kinder Luis (10), Lukas (8) und Lou (1) kommen mit. Die Familie schlägt ihre Zelte jetzt in Österreich auf. Ex-Profi Pongratz ist seit Anfang des Jahres Nationaltrainer im Nachbarland und seitdem als Dauerpendler unterwegs. Drei Wochen am Dienstsitz Wien, eine Woche in einer Art "Home Office" zu Hause - es war kein für ewig angelegtes Modell, sondern eine Übergangslösung. Jetzt ist das Haus in Berghausen leer. Oliver Pongratz hat zum letzten Mal die Tür abgeschlossen und die schnell gefundenen Mieter können rein.

"Es wird auch ein paar Tränen geben", vermutet Pongratz, der sich Anfang des Jahres mit voller Kraft in seine neue Stelle gestürzt hat - während zu Hause Ehefrau Malene als Familien-Managerin dafür sorgte, dass der Plan funktionieren konnte. Zusammen waren alle fünf zwischendurch in Österreich, um sich das gemietete neue Haus anzusehen. "Das war eine meiner Sorgen, dass sich eins von den Kindern vielleicht nicht wohlfühlt", gibt Pongratz zu. Seine Befürchtungen waren aber schnell vom Tisch. Die neue Unterkunft in Maria Enzersdorf etwas außerhalb von Wien bietet genügend Platz und liegt verkehrstechnisch günstig. Bis sie komplett eingerichtet ist, wird es eine Weile dauern - weil der Auszug ein Abschied auf Raten ist. Es sind ein paar Aufgaben zu erledigen.

Es ist der vergangene Samstag (24. Juni) und die Paulus-Schule in Berghausen feiert ihr Schulfest. Das Motto: Piraten. Einer von ihnen steht am Spülmobil und sorgt mit dafür, dass so schnell wie möglich wieder saubere Tassen, Gläser und Teller da sind. Oliver Pongratz ist erst am Abend vorher aus Österreich gekommen und trotzdem mit Energie dabei: "Ich mache das echt gerne hier." Sohn Lukas tobt mit Freunden irgendwo auf dem Schulhof herum und Malene Pongratz, federführend in der Organisation des Schulfestes, sitzt an der Kasse und verkauft Wertmarken. Als Führungskraft bei einer Bank (Elternzeit bis 31. Juli) hat sie den Umgang mit Geld von Grund auf gelernt. Die Söhne Luis (Konrad-Adenauer-Gymnasium) und Lukas werden in der nächsten Woche noch hier in die Schule gehen - bis zum letzten Tag des Schuljahres. Später werden sie in Österreich in der Volksschule und im Gymnasium neue Klassenkameraden kennenlernen.

Oliver Pongratz wird zuerst nach Österreich zurückkehren, doch es bleibt ein Kurz-Aufenthalt. Bereits Ende der nächsten Woche muss er mit der Nationalmannschaft die Reise nach Calgary zu den "Canada Open" antreten. Der Rest der Familie macht sich nach Schul-Schluss mit dem Auto auf den Weg nach Kopenhagen in Malene Pongratz' dänische Heimat. Oliver Pongratz wird hinzustoßen, um wenigstens für eine Woche abzuschalten, während Luis und Lukas etwas länger beim Opa bleiben wollen. Pongratz freut sich auf die Auszeit: "Ich brauche das unbedingt." Im Gespräch schweifen seine Gedanken plötzlich weit ins Vergangene zurück. An jenen Freitagabend am 9. Oktober 1992 zu den German Open in Leverkusen. Es scheint, als wäre das erst gestern gewesen. Wir tauschen auf einmal gemeinsame Erinnerungen aus. Und wir ärgern uns wie damals.

Oliver Pongratz spielt längst für den FC Langenfeld und hat fast endlos viele Meisterschaften als Jugendlicher gewonnen. Ein Titel im Herren-Einzel fehlt allerdings noch, als der damals 19-Jährige im Viertelfinale des größten deutschen Turniers auf den Engländer Darren Hall trifft. Der Langenfelder bringt den haushohen Favoriten an den Rand einer Niederlage - und Hall greift ganz tief in die Trickkiste. Dass der Unparteiische die provozierenden Verzögerungen und das ständige Benutzen des Handtuchs nicht unterband, empfindet Pongratz selbst 25 Jahre später als grobe Ungerechtigkeit. Am Ende kann sich der Brite retten und der fassungslose Pongratz verliert im dritten Satz mit 12:15. "Das habe ich nie wieder erlebt, dass ein deutscher Spieler von einem deutschen Schiedsrichter derart benachteiligt wird." Vielleicht war das aber ein wichtiger Baustein für die Karriere. Von 1993 bis 1999 wird Pongratz sieben Mal hintereinander Deutscher Meister. In der Szene nennen sie ihn bald "Mister Badminton", weil er ein perfekter Botschafter des Sports ist.

Ein besonders gutes Verhältnis hatte Pongratz dabei als Spieler unter anderem zur Familie Seemann, den Gastgebern der Deutschen Meisterschaften in Bielefeld. "Es ist ein Vergnügen, mit Oliver zusammenzuarbeiten", betonte Chef-Organisator Folker Seemann etwa im Jahr 2003. Da kam der (Ex-) Langenfelder nach Ostwestfalen, obwohl er seinen DM-Start wegen einer Verletzung abgesagt hatte. Bei einer Pressekonferenz rührte er an der Seite von Seemann dennoch die Werbetrommel für seinen Sport.

Nach dem Ende der aktiven Karriere (2010) ging Pongratz verstärkt das Projekt Trainer an. Und nach zweieinhalb Jahren als "halber Trainer" am Stützpunkt Mülheim des Deutschen Badminton-Verbandes wollte er mehr und die volle Verantwortung. Im November 2016 unterschrieb er dann einen Vertrag mit den Österreichern. Hatte denn niemand Angst, dass das Unternehmen zu groß sein könnte? Pongratz verneint - und weiß gleichzeitig, dass es schwierige Zeiten geben dürfte: "Wir müssen dem Ganzen natürlich eine Chance geben." Ein Dauer-Lebensmittelpunkt in Österreich ist möglich, zumal der Verband eine langfristige Bindung anstrebt. Selbst eine Rückkehr nach Langenfeld ist drin: "Wir sind ja keine Auswanderer, die abhauen, weil ihnen alles auf die Nerven geht. Wir behalten hier alles."

Damit ist unter anderem das Haus in Berghausen gemeint, in dem es immer eine Tasse Kaffee gab. "In Österreich heißt das Melange", sagt Pongratz. Das ist halb richtig, denn Melange ist eine Mischung mit Milch. Aber der im bayerischen Mindelheim geborene Wahl-Rheinländer, Bald-Österreicher und Bayern-München-Fan trinkt Tee. Und ich habe den Kaffee lieber schwarz. Möglicherweise gibt es diese Variante auch in Wien. Es muss doch gar nicht ganz schnell gehen.

(RP)
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