Monheim Wenn Eltern Erziehungshilfe brauchen

Monheim · Jugendamt und Allgemeiner Sozialdienst kümmern sich gezielt um Monheimer Familien mit erkennbar vernachlässigten Kindern.

 Friedhelm Haussels leitet in der Monheimer Stadtverwaltung den Allgemeinen Sozialdienst (ASD). Wichtig ist nach seinen Worten, dass die Chemie zwischen Sozialarbeitern und hilfebedürftigen Eltern stimmt.

Friedhelm Haussels leitet in der Monheimer Stadtverwaltung den Allgemeinen Sozialdienst (ASD). Wichtig ist nach seinen Worten, dass die Chemie zwischen Sozialarbeitern und hilfebedürftigen Eltern stimmt.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Jeder junge Mensch habe „ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. So steht es im Sozialgesetzbuch VIII. Aber es gibt Eltern, die etwa wegen einer psychischen oder Suchterkrankung nicht in der Lage sind, ihr Kind in diesem Sinne aufzuziehen. Wenn daher etwa eine deutliche (emotionale) Vernachlässigung eines Kindes erkennbar wird, muss das Jugendamt bzw der Allgemeine Sozialdienst (ASD) versuchen, diese Defizite auszugleichen.

Ein klassisches Alarmzeichen ist etwa, wenn sich ein Kita-Kind auffällig still und zurückgezogen oder aggressiv verhält, erläutert Friedhelm Haussels, Leiter des ASD. Das Jugendamt könnten die Erzieherinnen indes nur mit Einwilligung der Eltern einschalten. Bei der Erstberatung sollen die Ursachen für die beobachteten Defizite ergründet werden. Mütter etwa, die an Depressionen leiden, können laut Haussels mit ihren Kindern nicht richtig interagieren. „Sie können die kindlichen Signale nicht deuten, sind in ihrer Empathie eingeschränkt.“

Zu den ambulanten Erziehungshilfen, die der ASD anwendet, gehört die so genannte Marte-Meo-Methode, die videogestützte Bindungsförderung. „Wenn die Mutter den Kinderwagen schiebt und dabei nur ins Smartphone guckt, blickt das Kind in ein totes Gesicht“, so Haussels. „Wenn es kein Gegenüber hat, entsteht keine Bindung.“ Der Mutter werde dann anhand positiver Video-Beispiele vor Augen geführt, wie sie durch Blicke, Berührung und positive Zuwendung eine Beziehung aufbauen kann.

Am Anfang der Begleitung und dann alle halbe Jahre würden in so genannten Hilfeplangesprächen in Zusammenwirken mit den Eltern Erziehungsziele festgelegt. Dabei kann es beispielsweise um Strafen gehen: Was ist erlaubt und auch wirksam? Haussels: „Wenn einer Mutter oft die Hand ausrutscht, muss man ergründen, ob sie überfordert ist oder das Kind diese Reaktion durch ein bestimmtes Verhalten triggert.“ Dann müssten Methoden zur Deeskalation eingeübt werden. „Wichtig ist, dass die Chemie zwischen den städtischen Sozialarbeitern und den Eltern stimmt“, sagt der Abteilungsleiter. Nur so sind letztere bereit, neue Verhaltensformen anzunehmen. Die Kunst sei dabei, die eigenen, durch Herkunft und Bildung geprägten Vorstellungen von einer richtigen Erziehung zurückzunehmen. „Wir kommen als Gast in die Wohnungen“, erklärt Haussels. Deshalb sei eine wertschätzende und vorurteilsfreie Haltung gegenüber der Klientel unabdingbar. Wenn die Eltern entschieden, sie wollen bestimmte Dinge nicht, müsse man das akzeptieren.

Da man die Eltern mit unbequemen Forderungen konfrontiere, komme es nicht selten zu Konflikten. „Es gibt verbale Drohungen, wir haben auch schon Hausverbote erteilt“, sagt Haussels. Es gebe auch Situationen, wo Hausbesuche mit Polizei-Begleitung erfolgten. Das Problem bei dieser Tätigkeit sei, dass man meist erst im Nachhinein erfahre, ob die getroffenen Entscheidungen richtig waren. „Es gibt Erfolgsmomente, aber auch viele belastende“, sagt er.

Belastend sei auch der hohe Dokumentationsaufwand. „Darüber stöhnen die Kollegen am meisten“, so Haussels. Aber die Einhaltung dieser Standards bedeute auch einen gewissen Selbstschutz, denn ein ASD-Mitarbeiter sei ständig von Klagen wegen unterlassener Hilfeleistung bedroht. „Besonders die jungen Kollegen haben Angst, im Knast zu landen.“ Haussels, der den Job jetzt seit 25 Jahren macht, hat den Eindruck, dass die Fälle komplexer und die Laufzeiten länger geworden sind. „Für einige Familien sind wir dauerkompensatorisch tätig.“

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