Weihnachten Die Kunst Weist Den Weg Skulpturen als Mittel gegen Starre - auch im Kopf

Langenfeld · Für Inge Welsch ist Kunst immer auch dynamisch. Ihre beweglichen Plastiken überlässt sie gerne den Launen des Windes.

In der Werkstatt von Inge Welsch herrscht kreatives Chaos. Kiloweise liegen Glasscherben in verschiedenen Farben und Formen auf dem Tisch. Unzählige Werkzeuge, Pinsel und Farben warten indes fein säuberlich sortiert auf ihren Einsatz. Das leise Surren einer Schleifmaschine erfüllt den Raum im Keller. Mit ruhiger Hand formt die 77-Jährige einen Splitter aus Glas. Das Fragment wird Teil einer Reliefcollage aus bunten Scherben.

"Das erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl", sagt Welsch. Fehler bei der Bearbeitung verzeihe das empfindliche Material nicht. "In letzter Zeit arbeite ich sehr häufig mit Glas. Es ist ein sehr interessanter und schöner Werkstoff." Seit ihrer Jugend widmet sich die dreifache Mutter und Großmutter der Kunst. Von ihrer Experimentierfreude hat sie bis heute nichts verloren.

Ihre Skulpturen zieren den öffentlichen Raum in vielen Städten. Am Monheimer Rheindeich steht eine ihrer bunten und beweglichen Plastiken, in Wülfrath an der Kölnischen Landstraße oder auch neben der Mauritius-Klinik in Meerbusch-Osterath. Eine ihrer bekanntesten Arbeiten ist wohl der "Windwegweiser", der seit 2002 in der Mitte des Kreisverkehrs an der Gerresheimer Straße in Hilden steht. "Eigentlich ist das gar kein Kreisverkehr, sondern eher eine Art Ei, das mit fünf Straßen verbunden ist", sagt die Künstlerin. "Mit der Skulptur greife ich diesen Gedanken auf." Die abstrahierte Wetterfahne auf der Verkehrsinsel ist zumindest teilweise beweglich. Der Wind kann mit ihr spielen — und umgekehrt.

"Mir gefällt es, wenn Bewegung in der Kunst ist", unterstreicht Welsch, die damals einen Künstler-Wettbewerb der Stadt Hilden gewann. "Die Plastik ist ein Sinnbild für Dynamik und Mobilität. Ich wollte nichts erschaffen, was einfach nur starr in der Gegend steht."

Auch in ihrem Leben war immer viel Bewegung. Geboren wurde Inge Welsch als Tochter deutscher Auswanderer in Brasilien. 1936, ein Jahr nach ihrer Geburt, entschließen sich ihre Eltern zur Rückkehr in die Heimat. Im Chaos des Zweiten Weltkrieges zieht die Familie von einem kleinen Dorf bei Cuxhaven nach Worms in die Pfalz. Inge Welsch macht in der Nachkriegszeit ihr Abitur und studiert an der Folkwang-Universität der Künste Grafikdesign. Dort lernt sie auch ihren Mann Helmut kennen, mit dem sie drei Kinder hat. 1974 zieht die Familie nach Monheim. Inge Welsch arbeitete über 20 Jahre im Haus der Jugend, wo sie bis 1995 kreative Kurse für Kinder gab. Ihr Mann war derweil in einer Werbeagentur tätig.

Dass Kunst auch ein Wegweiser sein kann, liegt für die Künstlerin in der Natur der Sache. Von intellektueller Überhöhung hält sie indes nicht viel. "Jeder Mensch sieht ein Kunstwerk auf seine Art und jeder findet darin seine eigene Botschaft", meint die 77-Jährige.

(RP)
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