Langenfeld Nachtcafé statt Schlaftablette

Langenfeld · Auf dem Gelände der LVR-Klinik ist der 4,5 Millionen Euro teure Umbau des Hauses 53 für Gerontopsychiatrie und Neurologie weit fortgeschritten. Die ersten Patienten über 60 Jahre werden dort bereits behandelt.

 Das neu eingerichtete Nachtcafé der LVR-Klinik präsentierten (v.l.) Hartmut Belitz, Holger Höhmann sowie die Krankenschwestern Jessica Muhr und Christin Wondratschek mit einer Patientin.

Das neu eingerichtete Nachtcafé der LVR-Klinik präsentierten (v.l.) Hartmut Belitz, Holger Höhmann sowie die Krankenschwestern Jessica Muhr und Christin Wondratschek mit einer Patientin.

Foto: MATZERATH

Das Nachtcafé hat weder eine Espressobar noch eine glitzernde Discokugel. Stattdessen ist der neue Raum auf dem Gelände der LVR-Klinik mit Tischen, Stühlen und Sofas, Brettspielen, Fernseher und DVD-Player ausgestattet. Der mit 4,5 Millionen Euro veranschlagte Umbau des Klinikgebäudes mit vier gerontopsychiatrischen Stationen ermöglichte nach den Worten von Chefarzt Hartmut Belitz neben vielen anderen Verbesserungen für die dort behandelten Senioren eben jenes Nachtcafé.

"Nun müssen die Patienten dieser Stationen am Abend nicht mehr ins Bett gehen, ohne dass sie das wollen — womöglich sogar noch mit einer Schlaftablette." Stattdessen entspannen sie sich mit bis zu 15 weiteren Patienten bei einem betreuten Abendprogramm, an dem bei Bedarf auch Angehörige teilnehmen können.

Mit dem jetzt weit vorangeschrittenen Umbau des Hauses 53 wird im Herbst die bislang über das Klinikgelände verteilte Abteilung Gerontopsychiatrie und Neurologie zusammengeführt.

Es gibt dann 74 stationäre Plätze für über 60-jährige Patienten. Die ersten der neuen Ein- und Zweibettzimmer mit Bad und WC sind bereits belegt. Nach Belitz' Angaben werden in Haus 53 auf zwei Stationen Senioren mit Depressionen, Psychosen oder Suchtkrankheiten behandelt, auf den beiden anderen Stationen Demenzkranke. "Die Verweildauer hat sich gegenüber früheren Zeiten deutlich verringert, beträgt im Durchschnitt drei bis vier, nur in wenigen Ausnahmefällen mal zehn bis zwölf Wochen."

Teilweise werden die psychisch kranken Senioren nach den Worten der Ärztlichen Direktorin Jutta Muysers "gar nicht stationär aufgenommen, sondern nach einer Untersuchung an eine der Tageskliniken in Langenfeld oder Solingen weitergeleitet". Dazu bedarf es einer umfangreichen Diagnostik, die laut Belitz im nun renovierten Haus 53 durch Röntgen-, Ultraschall-, EKG-, EEG sowie Computertomographie-Geräte gewährleistet sein soll. "Zudem haben unsere Patienten wie andere ältere Menschen ja auch sonstige Beschwerden aller Art."

Um die stationär aufgenommenen Menschen kümmerten sich ferner Beschäftigungs-, Kreativ- und Bewegungstherapeuten. Zusätzlich zu dem guten Dutzend Medizinern und Therapeuten versorgen auf den vier Stationen 56 Pflege- und angelernte Hilfskräfte im Schichtdienst die Senioren, so Pflegedirektorin Silke Ludowisy-Dehl.

"Ganz wichtig ist uns der frühzeitige Kontakt mit den Angehörigen", betont Belitz. Schließlich gehe es in der Gerontopsychiatrie in der Regel nicht um eine Heilung, sondern darum, Symptome wie Angst, Unruhe und gestörte Nahrungsaufnahme zu beseitigen oder den durcheinander geratenen Tag-Nacht-Rhythmus wieder herzustellen. Zum letztgenannten Punkt leiste das neue Nachtcafé einen wichtigen Beitrag.

Jessica Muhr ist eine der Krankenschwestern, die sich dort um insgesamt 16 als hierfür geeignet ausgewählte Patienten kümmern. "Das zweieinhalbstündige Abendprogramm gestalten wir mit ihnen gemeinsam", erklärt Muhr. "Bei alten Filmen wie ,Die Feuerzangenbowle' oder bei Schlagermusik aus den 60er-Jahren kommen Erinnerungen zurück, über die sich die Runde dann miteinander unterhält."

Patienten mit fortgeschrittener Demenz, die an solch einem Abendprogramm nicht mehr teilnehmen können und oft sehr unruhig sind, werden laut Muhr individuell betreut. Dazu gehören etwa angenehme Duft- und Lichteffekte sowie leise Klänge vor dem Zu-Bett-Gehen.

Das Nachtcafé und die individuelle Betreuung bei dementiell bedingter Störung des Tag-Nacht-Rhythmusses sollen den Patienten nicht nur größere Freiräume geben, erklärt Belitz. "Vor allem lässt sich so die Einnahme von Nachtarzneien auf ein Minimum verringern oder gar vermeiden."

(RP)
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