Monheim Literaturfest: Leser werden zu Akteuren

Monheim · Ein Familienfest und ein literarischer Rheinspaziergang gehörten zu den Angeboten rund ums Ulla-Hahn-Haus.

 „Geschichtomaten“ sind beim Monheimer Literatur- und Familienfest unterwegs. Bent, Vito und Mia hören Melisande (v. li.) zu.

„Geschichtomaten“ sind beim Monheimer Literatur- und Familienfest unterwegs. Bent, Vito und Mia hören Melisande (v. li.) zu.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Der kleine Bent wirft eine Münze, die er im Garten gefunden hat, in den „Geschichtomaten“ – und der beginnt prompt zu lesen: „Überfluss in Omas Garten“ heißt  die charmante Geschichte, in der Kinder unter dem Übermaß an Pastinaken, Rohkosttellern sowie anderen fürchterlich gesunden Lebensmitteln aus dem Anbau der Großmutter leiden – und ein paar Würstchen herbeisehnen. Die Geschichte  ist der Feder der 15-jährigen Melisande entsprungen. Gemeinsam mit anderen Teilnehmern der Schreibwerkstatt am Ulla-Hahn-Haus ist sie am Freitagnachmittag in die Rolle eines „Geschichtomaten“ geschlüpft. Als „Walking Acts“ wandeln die Jugendlichen beim Familienfest zum Auftakt des 1. Monheimer Literaturfestes über das Gelände an der Neustraße, leicht erkennbar an ihren mit Münzeinwurf und „Stopp“-Knopf ausgestatteten Bauch- und Rückentafeln. „Jeder von uns hat sich extra für den heutigen Tag Geschichten zum Thema Garten ausgedacht“, erzählt Melisande. Ihre Erzählung trifft augenscheinlich ins Schwarze: Mehrfach bringt sie Besucher Bent zum Lachen.

Applaus erhebt sich mehrere Meter weiter: Hinter dem Ulla-Hahn-Haus mit seiner markanten Backsteinfassade bewundern andere Besucher eine neue Errungenschaft: Dort nämlich nutzen die Namensgeberin des Hauses und Bürgermeister Daniel Zimmermann das Familienfest, um „Hillas Leseschuppen“ zu eröffnen. Er ist eine Rekonstruktion jenes Gartenschuppens, der der Schriftstellerin Ulla Hahn, die auf dem Grundstück aufwuchs, während ihrer Jugend als Lern- und Arbeitsplatz gedient hat. „Wenn ich von der Schule kam, bin ich hier reingegangen, habe Hausaufgaben gemacht“, erzählt sie, und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Hier habe ich auch meiner großen Liebe Friedrich Schiller Briefe geschrieben.“

In dem kleinen Backsteinbau finden die Gäste nicht nur Literatur in den Regalen, sondern auch ein sprechendes Buch auf einem Schreibtisch. Der Name Hilla spielt auf das Alter Ego der heute in Hamburg lebenden Autorin an: In der Romanfigur „Hilla Palm“ verarbeitete sie ihre Jugendtage. „An diesem Ort sollen Kinder und Erwachsene erfahren, dass man nicht viel braucht, um zu erreichen, was man sich wünscht“, sagt Hahn, während eine Gruppe von Gästen nach der anderen in den kleinen Schuppen strömt.

Unter dem Motto „Einmal am Rhein“ rückt das Literaturfest die Themen Heimat, Herkunft und Fremde in den Mittelpunkt. Folgerichtig machen sich Schriftsteller und Lyriker am Samstagnachmittag gemeinsam mit rund 20 Literaturbegeisterten auf zu einem besonderen Spaziergang vom Ulla-Hahn-Haus zum Rhein. Denn das Literaturfest soll laut Kurator Norbert Hummelt mehr bieten als „nur“ Lesungen vor passivem Publikum: „Wir wollen zusammen etwas tun“, bekräftigt der Lyriker. Und so lesen nicht nur die Berufssautoren an verschiedenen Haltepunkten aus ihren Werken – auch einige Mitwanderer tragen ihre Lieblingsgedichte vor: Als der Tross am Schelmenturm Station macht, gibt Adelheid Demmer Robert Gernhardts „Deutung eines allegorischen Gemäldes“ zum Besten. „Ich wusste sofort, was ich lese“, sagt  sie. Das gilt auch für ihre Tochter Paalke Dietrich: Die Englisch-Lehrerin hat den Prolog aus Shakespeares „Romeo und Julia“ mitgebracht.

Ein Literaturfest soll es in Monheim künftig alle zwei Jahre geben – mit Schriftstellern und Rezipienten auf Augenhöhe, wie auch Sonja Baumhauer, Leiterin des Ulla-Hahn-Hauses, bekräftigt: „Wir wollen die Menschen noch mehr einbeziehen.“

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