Monheim SPD Wie die SPD die Mehrheitspartei Peto ärgert

Monheim · Analyse

 Alexander Schumacher, Bürgermeisterkandidat der SPD, ging Peto in den Haushaltsberatungen mit 18 Anträgen richtig auf die Nerven.

Alexander Schumacher, Bürgermeisterkandidat der SPD, ging Peto in den Haushaltsberatungen mit 18 Anträgen richtig auf die Nerven.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Der ältesten deutschen Volkspartei, der SPD, geht die Wählerschaft aus. Bei Umfragen  auf Bundesebene, das heißt der Sonntagsfrage, liegt sie derzeit bei 14 Prozent (Allensbach/Forsa)  – weit hinter den Grünen. Auch die einstige Hochburg der SPD, Monheim,  ist längst gefallen, von 1964 bis 1999 hatte sie im Rat die absolute Mehrheit, inzwischen erreicht sie dort gerade mal den Fraktionsstatus. Dennoch hat die Partei mit Alexander Schumacher einen Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahl im September aufgestellt. Er nutzte die Haushaltsberatungen, um Profil zu gewinnen. Die RP hat sich seine Performance angesehen:

Insgesamt 18 Anträge stellte der Fraktionsvorsitzende in den einzelnen Fachausschüssen. „Unseriös“ nannte Bürgermeister Daniel Zimmermann das Vorgehen der SPD, weil keiner der Anträge einen monetären Bezug zum Haushalt 2020 aufweise. Erst nachträglich preiste Schumacher die Anträge ein, indem er pauschal 1000 Euro ansetzte. Er erklärte dies mit der Kürze der Zeit, man habe erst kurz vor den Sitzungen eine Klausurtagung abgehalten.

Im Ausschuss für Soziales und Ordnung, in dem einst der Seniorenbeirat aufgegangen ist, versuchte sich die SPD als Partei zu profilieren, die sich für die Belange einer angeblich unter Peto-Herrschaft vernachlässigten Bevölkerungsgruppe, nämlich der Generation 60 plus, einsetzt. Dafür zog sie allerdings ein Ass aus dem Ärmel, das schon in Vorjahren nicht gestochen hatte: der Seniorenratgeber. Nur, um in der sicheren Erwartung der ablehenden Peto-Mehrheit mit dem Vorwurf der „Seniorenfeindlichkeit“ kontern zu können, wie es prompt hieß? Nein, man kann auch argumentieren, dass die SPD für etwas eintritt, von dessen Nutzen sie einfach überzeugt ist. Und die Stadt gibt ja auch selber zahlreiche Druckerzeugnisse heraus  – regelmäßig.

Dann, im Schulausschuss, griff dieSPD die in den Sozialen Medien zuweilen geäußerte Sehnsucht nach einem Freibad auf und beantragte, am Rhein oder in einem Baggerloch ein Schwimmbadschiff zu installieren. Bürgermeister Zimmermann empfand diesen Antrag als „Zumutung“, weil sich ein Freibad wegen der geringen Nutzungsdauer als unwirtschaftlichen herausgestellt habe und man bereits einen sehr kostspieligen Umbau des MonaMare geplant habe, der nicht die Zustimmung der SPD fand. „Unausgegoren“ sei auch der Ansatz von 10.000 Euro Planungskosten. Denn das Projekt würde Millionen verschlingen.

Alexander Schumacher verteidigte seine Antrags-Offensive mit dem Motiv,  er habe „Kreativität“ zeigen wollen, um den Vorwurf der Mehrheitspartei zu widerlegen, die SPD habe keine eigenen Ideen. Dabei habe Peto in der aktuellen Ratsperiode selber kaum eigene Anträge vorgebracht, wie er betonte. Die Antragsflut der SPD ziele darauf, eine Statistik über abgelehnte Anträge führen zu können, um ihrer Partei ihre angebliche Kompromisslosigkeit nachzuweisen, meinte dagegen Peto-Fraktionschefin Lisa Pientak. Viele der SPD-Anträge seien überholt und hätten deshalb zurückgenommen werden müssen. Zur Vorbereitung eines ernst gemeinten Antrages gehöre es,  sich mit den Betroffenen und den Verwaltungsstellen über die Rahmenbedingungen und die Machbarkeit und mögliche Verfahrenswege zu unterhalten, belehrte sie. Naturgemäß verfügt aber die Partei, die den Bürgermeister stellt, über besser funktionierende Info-Kanäle in die  Verwaltung. Seine Partei habe ja schon einige Male die Erfahrung gemacht, dass ihre ursprüngliche Ideen wie eine städtische Wohnungsgesellschaft, kostenloser Öpnv und das Kulturtaxi dann von der Verwaltung kassiert und als eigene Idee verkauft wurden, entgegnete Schumacher.

Auch der Vorwurf, alle SPD-Anträge seien „aus der Hüfte geschossen“, zielt ins Leere, denn einige trafen durchaus ins Schwarze: Der Hinweis, dass das Gebäude des Jugendclubs Baumberg sanierungsbedürftig ist, greift Überlegungen der Stadt vor, die im nächsten Jugendhilfeausschuss behandelt werden. Der Antrag, mehr duale Ausbildungsplätze für Erzieher zu schaffen, betrifft ein zentrales Problem, den Fachkräftemangel in Kitas. Trotz der Träger übergreifenden Werbekampagne und der „herausragenden Arbeitsbedingungen“ waren im November 24 Stellen in Kitas unbesetzt. Auch der derzeit brachliegende Ascheplatz an der Grünauer Straße im Eigentum der LEG, den die SPD gerne wieder aktivieren möchte, hat auch schon ähnliche Überlegungen in der Verwaltung  ausgelöst. Man plant eine Förderung, um Anreize für die Sanierung privater Spielplätze zu schaffen, informierte Simone Feldmann, Leiterin des Bereichs Jugend und Familie.

Die SPD zog diese Anträge zwar zurück, hatte damit aber dokumentiert, dass sie sich mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt bewegt, Mängel aufzeigen kann und natürlich Themen besetzen will. „An uns werden diese Missstände auch herangetragen, weil niemand in der Verwaltung mit negativen Entwicklungen in Verbindung gebracht werden will“, sagt Schumacher. Die SPD-Anträge seien auch deshalb nicht mit vollständig ausgearbeiteten Lösungen unterfüttert gewesen, weil er vor allem Denkanstöße liefern wolle.

In diese Kategorie fällt auch der Vorschlag, eine Schranke am Wertstoffhof zu installieren und mit dem Monheimpass die Zufahrt zu kontrollieren, um gewerbliche Nutzer fernzuhalten. Diese Idee wurde zwar vom Bürgermeister und seiner Peto gutgeheißen, aber hätte die SPD sie ernsthaft vorher mit der Verwaltung diskutiert, was wäre wohl damit passiert? Man hätte sie als eigene Idee reklamiert und die SPD hätte mit leeren Händen dagestanden.

Auch im Planungsausschuss stellte die SPD durchaus sinnhafte Anträge: Sie schlug vor, den Ausbau der Europaallee bis zur Wiener Neustätter Straße vorzuziehen, um den Holzweg als einzige Zufahrt zum Waldbeerenberg zu entlasten. Dies scheitert jedoch aktuell am noch nicht vorhandenen Baurecht. Inzwischen hat die Untere Verkehrsbehörde auch den Vorschlag der SPD geprüft, an der Kirchstraße einen Zebrastreifen zu installieren, um die Verkehrssicherheit der Schulkinder der Astrid-Lindgren-Schule zu erhöhen. Es wird jetzt die Anlage einer aufklebbaren Mittelinsel auf der Westseite der Straße erwogen. Die SPD zog beide Anträge zwar zurück, sie hatten damit aber ebenfalls einen Denkanstoß gegeben.

Fazit: Ein „Denkanstoß“ ist noch kein Angriff. Obwohl die SPD keine ernstzunehmende Konkurrenz für Peto ist, griff dafür Lisa Pientak diese in ihrer Haushaltsrede massiv an. Was Schumacher prompt als „Ehre“ auffasste, weil es seinen Stellenwert erhöhe. Sie bezeichnete die SPD-Anträge als  „rein populistisch“ in Abgrenzung zu der angeblich von Peto betriebenen „Sachpolitik“. Allerdings dienen solche bürgerfreundlichen Vergünstigungen wie die Gratis-Kita oder der Gratis-ÖPNV natürlich  auch dem Zweck, Wähler zu gewinnen. Noch schwerer als der des Populismus wiegt der Vorwurf Pientaks, die SPD habe bezüglich der Kurzfristigkeit der eingereichten Anträge  „zutiefst undemokratisch“ gehandelt.  Weil dem Rat keine Zeit zur Vorbereitung blieb. Dies ist zufällig genau der Vorwurf, den die Opposition gerne gegen die von  dem Peto-Bürgermeister gelenkte Verwaltung erhebt, weil wichtige Vorlagen sehr kurzfristig eingebracht werden, wie etwa für den „Geysir“ oder den „Glamping“-Platz Am Werth.

Grundsätzlich sei die Verwaltung gegenüber den Ratsfraktionen zwar auskunftspflichtig, sagt Schumacher. Er habe aber oft genug erlebt, dass Verwaltungsmitarbeiter über Pläne des Bürgermeisters nicht im Vorhinein berichten durften, um diesem nicht seinen „Aha-Auftritt“ zu verderben. Ein Thema, das „strengster Geheimhaltung“ unterlag sei das  Altstadt-Kino gewesen.

Warum er so sehr in den Fokus der Peto-Kritik geriet, kann Schumacher sich nur so erklären: „Anders als Lars van der Bijl von der CDU bin ich im Rat präsenter und beziehe die ein oder andere kontroverse Position“, sagt er. Außerdem weist er auf ein nicht unwesentliches Abgrenzungsproblem hin: „Die Peto-Ratsmitglieder entstammten zwar durchweg bürgerlichen Haushalten, vertreten aber eher linksliberale Positionen.“ In den Jahren 2012 bis 2014, bis Peto die absolute Mehrheit ergatterte, habe man ja auch gut zusammengearbeitet.

Heute sieht das anders aus. Der Ton ist scharf und unversöhnlich. In ihrer Haushaltsrede warf Pientak Schumacher vor, es mangele ihm an der gebotenen Ernsthaftigkeit seiner Kandidatur für das Bürgermeisteramt.  Dafür schlug der Gescholtenen indes recht zielsicher zurück: Er warf dem amtierenden Bürgermeister vor, in hoher Schlagzahl Schlagzeilen zu produzieren, in der Umsetzung stießen diese Ideen aber oft auf Hindernisse, die zu bewältigen die Kosten dann immens in die Höhe steigen ließen. Die Abwicklung von Kanal- und Straßenbauprojekten sei zu wenig abgestimmt und vergrößere das Verkehrschaos. Insgesamt erhob Schumacher den Vorwurf, Peto habe „jeden Maßstab verloren“ und halse den kommenden Generationen immense finanzielle Bürden auf, die Verschuldung der städtischen Töchter habe Anfang 2019 bereits bei 232 Mio Euro gelegen. Aus den „Denkanstößen“ sind – im vorgezogenen Wahlkampfmodus – Kopfnüsse geworden.

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