Serie - Monheim in den Zwanzigern Die Grundschule entdeckte das Kind im Kinde

Monheim · Wer allgemeine Informationen über das Schulwesen in der Zeit der Weimarer Republik sucht, wird im Dortmunder Schulmuseum fündig. Die Reformpädagogik der 20er Jahre strahlte ins Rheinland aus – auch nach Monheim.

 Das symbolische Klassenfoto der Baumberger Volksschule stammt  aus dem Jahr 1950, sagt Peter Zgadzaj (oben 2.v.l.).

Das symbolische Klassenfoto der Baumberger Volksschule stammt  aus dem Jahr 1950, sagt Peter Zgadzaj (oben 2.v.l.).

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Gründung der ersten deutschen Republik wurde das Schulwesen von einem allumfassenden Reformgeist bestimmt, erklärt uns Michael Dückershoff, Leiter des Westfälischen Schulmuseums Dortmund. Die revolutionären Vorgänge im Jahre 1918 entfalteten schulpolitische und pädagogische Ideen in einem nie dagewesenen Ausmaß: Dazu gehörte beispielsweise die Forderung nach einer Einheitsschule, dem Verbot von Privatschulen, der Abschaffung des Religionsunterrichts und der Abschaffung des Schulgelds für die Volksschule. Allerdings trafen diese schulrechtlichen Neuerungen nicht nur auf den Widerstand christlicher Kreise, die die Ausgrenzung des Religionsunterrichts nicht hinnehmen wollten, auch konservativ-traditionalistische Gruppierungen wandten sich gegen die „Verstaatlichung“ und die „Unterdrückung der Privatschule“, und einen Unterricht, der nicht mehr die sozialen Schichten widerspiegelt.

Die Reichsverfassung Die Sozialdemokraten waren 1919 im Reichstag zwar die größte Fraktion, sie konnten aber nicht ohne das christlich geprägte Zentrum regieren: Die Partei setzte den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach durch. Außerdem sollte es neben der Gemeinschaftsschule auch die Bekenntnisschule geben. Als eine wesentliche Neuerung legte Artikel 146 der Reichsverfassung die Einführung der Grundschule fest. Auf ihr sollte das Schulwesen aufbauen, ihr Besuch sollte für alle Kinder verpflichtend sein. 1920 präzisierte das Reichsgrundschulgesetz, dass die Grundschule in die jeweilige örtliche Volksschule integriert sein sollte. „Mit der Grundschule wurde erstmals das Prinzip umgesetzt, dass zumindest für den Beginn der Schulkarriere der Schulbesuch unabhängig von der Herkunft und der sozialen Stellung der Eltern war“, so Dückershoff.

Die Verfassung legt ferner die allgemeine Schulpflicht und die Unentgeltlichkeit des Unterrichts und der Lehrmittel in den Volkschulen fest. Überdies wurde die „staatsbürgerliche Gesinnung“ als zentrales Erziehungsziel verfassungsmäßig verankert, so Dückershoff.  „Die Schüler sollten zu guten Republikanern erzogen, der reaktionär-monarchische Geist aus den Schulen vertrieben werden.“

Die Grundschule   Die Sozialdemokraten hatten mit der Grundschule zwar ihre Idee von der Einheitsschule in Teilen verwirklichen können, aber ihre Erwartung, dass damit soziale Unterschiede nivelliert würden, erfüllte sich nicht: Beim Übergang zum höheren Schulwesen stellten sich die bisherigen materiellen und sozialen Hemmnisse als unüberwindbar heraus. Hoffnungslos benachteiligt blieben Kinder aus armen Familien, die ohne Frühstück in die Schule kamen, kein warmes Mittagessen bekamen und durch Inanspruchnahme im landwirtschaftlichen Betrieb vom Schulbesuch ferngehalten wurden, schreibt Gert Geißler in seinem Werk „Schulgeschichte in Deutschland“. Das konnte auch der Monheimer Historiker Karl-Heinz Hennen in seiner Stadtgeschichte nachweisen. Die Grundschule war damals ohnehin lediglich ein pädagogisches Projekt, sie verfügte nicht über eigene Schulgebäude, Schulleitungen oder speziell ausgebildete Lehrer, schreibt Geißler.

Unterricht Anders als in der Kaiserzeit wurde das Kind in der Weimarer Republik als „fragendes, suchendes, geistig lebendiges“ Wesen angesehen, das „aus alterstypischer Neugier und dem Spieltrieb heraus eine neue Einstellung zum Lernen, zum Lehrer und zur Schule gewinnen sollte“, so Geißler. Deshalb habe das heimatkundliche Erfahren und Erleben im Mittelpunkt des Unterrichts gestanden, berichtet Dückershoff.  Im Unterricht stand nunmehr spielerisches Lernen, geführte Wanderungen und Erkundungen der Umgebung und handwerklichen und künstlerischen Tätigkeiten im Vordergrund.  Auch in Monheim spielten solche Ausflüge eine wichtige Rolle, wie die Chroniken zeigen.

Hatten in der Kaiserzeit Züchtigungen, unbedingter Gehorsam, Belehrungen und die uneingeschränkte Lehrerautorität die Erziehung ausgemacht, galt die Schule nun als Schonraum, das Kind sollte selbstständig lernen, so Dückershoff. Dass mithin die Erziehung höher bewertet wurde als die Vermittlung von Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben brachte der Reformpädagogik viel Kritik ein, die Rechtschreibung verkomme, hieß es damals.

Die Volksschuloberstufe Auch die Volksschule folgte dem Konzept der schlicht gehaltenen „volkstümlichen Bildung“. Als „Lebensschule“ setzte sie – vor allem für Mädchen – dem systematischen Wissenserwerb Grenzen, schreibt Geißler.  Im Vordergrund stand die Bildung des „Volksmenschen“, dem ein der Heimat entsprechendes Wissen und Können vermittelt werden sollte.  Statt Gedichte und Geschichtsdaten auswendig zu lernen, sollten die Kinder auf die künftige Lebensgemeinschaft in Familie und Beruf vorbereitet werden.

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