Lockerung zum Muttertag Endlich die Mutter im Seniorenheim besuchen

Monheim/Langenfeld · Diesen Muttertag wird so schnell niemand vergessen: die Besuchten nicht, ihre Angehörigen und das Personal der Senioreneinrichtungen nicht. Nach langen Wochen durften Kinder ihre Eltern in Altenheimen am Sonntag wieder persönlich sehen. Allerdings unter strengsten Corona-Sicherheitsvorkehrungen in Schutzkleidung und mit Gesichtsmasken, ohne Umarmung und Küsschen, sondern auf Distanz.

 Eine Glasscheibe trennte unterm Zeltdach vor dem St.Marien-Altenheim Elisabeth Mayer (m.)  von Tochter Kerstin Jaspers und deren Freund.

Eine Glasscheibe trennte unterm Zeltdach vor dem St.Marien-Altenheim Elisabeth Mayer (m.)  von Tochter Kerstin Jaspers und deren Freund.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Eine Glasscheibe trennte unter dem Zeltdach am Monheimer St-Marien-Seniorenheim Bewohnerin Elisabeth Mayer von Tochter Kerstin Jaspers, die ihre Mutter nun endlich wieder besuchen durfte.

„Es war rührend“, sagt Heimleiterin Irmgard Hoffmann mit Blick auf diese und weitere ermöglichte Begnungen. „Aber die Vorbereitung hat uns auch gefordert.“ Sofort nach Bekanntgabe der Öffnungserlaubnis für Altenheime haben die Mitarbeiter alle Angehörigen der 95 Bewohner angerufen. „Das war uns sicherer, weil der Erlass so kurzfristig kam“, sagt Hoffmann. Mehr als 40 Besucher hatten sich für den gestrigen Tag angemeldet. Im 20-Minuten-Rhythmus durften sie einem von drei Zelten draußen die alte Mutter oder den Vater zum ersten Mal wieder von Angesicht zu Angesicht treffen. Acht zusätzliche Kräfte waren Sonntag im Seniorenheim an der Turmstraße vor Ort und achteten darauf, dass die Vorschriften eingehalten wurden. „Wir machen das gerne“, sagt Hoffmann. Zusätzlicher Stress war es natürlich dennoch.

 So nah wie auf diesem vor der Corona-Krise aufgenommenem Familienfoto dürfen sich Mutter Renate  und Tochter Viola Heußen zurzeit nicht kommen.

So nah wie auf diesem vor der Corona-Krise aufgenommenem Familienfoto dürfen sich Mutter Renate  und Tochter Viola Heußen zurzeit nicht kommen.

Foto: Heußen

Für alle Senioreneinrichtungen. „Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Kolleginnen“, meint auch die Leiterin der Pro Talis-Residenz in Langenfeld-Berghausen, Nadja Mikec. „Unsere ‚Heldinnen des Alltags‘ müssen Unglaubliches leisten, um den enorm gestiegenen Ansprüchen in der Pflege und zu Hause gerecht zu werden. Von ganzem Herzen möchte ich diesen tollen Frauen danken.“

Viola Heußen wäre gestern gerne dabei gewesen und hätte ihre 80-jährige Mutter im Heim besucht. Vor 14 Tagen war sie aus ihrem Wohnort Berlin in die Heimatstadt gekommen. Doch da durfte sie mit Renate Heußen nur skypen und per Whats App über Bilder kommunizieren. Der persönliche Kontakt war wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus verboten. Gestern war es Viola Heußen nicht möglich, ins St.Marien-Heim zu kommen. Ihre in der Nähe wohnenden Geschwister übernehmen das für die ferne Tochter in Vertretung. Aber „die Sehnsucht nach der Mama ist da, der Wunsch, sie endlich in die Arme zu schließen und an sich zu drücken“, sagt Viola Heußen. „Zuletzt war ich im Februar bei ihr.“

Auf das herbeigesehnte Treffen in den nächsten Wochen bereitet sich die Kinderbuch-Illustratorin schon jetzt vor. Wie die Tochter war auch die Mutter eine Künstlerin, bevor sie vor einem Jahr durch einen Schlaganfall  aus dem gewohnten Lebensalltag gerissen wurde. Eine, die im Märchenerzählen ihre Profession sah. Sie war bis zuletzt in der Monheimer Stadtbibliothek und in den Schulen unterwegs mit ihren Geschichten, ihren Märchenpuppen, Bühnen und kleinen Geräuschmaschinen. Für die Kinder in Monheim war sie Jahrzehnte lang eine Institution. In ihren Märchen durfte man mitspielen, in sie hineinrufen, sich begeistern, mitfiebern und gruseln.

Viola Heußen ist eine fürsorgliche Tochter - auch aus der Ferne, eine, die das Andenken an die Mutter bewahrt und vor allem dafür sorgt, dass sie selbst sich an ihr Werk erinnert. „Wenn ich sie wiedersehen darf, werde ich ihr immer andere Requisiten mitbringen und dazu erzählen, was sie damit gemacht hat. Sie hat kleine Kulissen gebaut und Kostüme gesammelt. Das ist sehr schön“, sagt Viola Heußen. Einstweilen hat sie den Geist der Mutter zurück in das elterliche Häuschen in der Waldsiedlung geholt. „Vor dem Verkauf habe ich es noch einmal hergerichtet wie früher für seinen letzten Auftritt und habe meine Freunde dorthin eingeladen“, sagt sie. „So kompensiere ich die Sehnsucht nach meiner Mama ein bisschen.“

„Kurz vor ihrem Schlaganfall ist meine Mutter noch mit dem Auto und mit dem Fahrrad gefahren“, sagt Viola Heußen, als könne sie es immer noch nicht so recht fassen. „Heute liegt sie im Bett und kann nur noch ihren linken Arm bewegen.“ Doch wenn die Tochter endlich wieder vor der Mutter steht, will sie alles tun, dass sie sich an ein erfülltes kreatives Leben erinnert. „Ich werden ihre kleinen Soundmaschinen vorführen, die Vogel- und Strandgeräusche machen und die sie so oft in ihren Märchen eingesetzt hat. Und ich werde ihr zeigen, was sie selbst gebastelt hat und was die Künstlerfreundin und Bildhauerin Inge Welsch aus Monheim ihr geschnitzt hat: einen wunderbaren kleinen Pinocchio aus Holz.“

Für den großen Moment in den nächsten Wochen hat Viola Heußen ihrer Mutter auch einen langen Brief geschrieben, den sie ihr vorlesen wird. Einen Brief, der erklärt, dass all ihre Märchenrequisiten in gute Hände übergeben wurden. Und sie sich keine Sorgen machen muss. Es wird ein Brief sein, der auch erzählt, wie traurig das Leben sein kann, wenn man seine Mutter nicht besuchen darf.

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