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Monheim Ein Leben für die Physik

Monheim · Der Monheimer Heiner Müller-Krumbhaar organisiert seit drei Jahren den Wissenschaftstag für Gymnasiasten und Gesamtschüler.

 Heiner Müller-Krumbhaar war Professor für Physik. Das Buch Astronomische Algorithmen hat sein Entscheidung für das Fach beeinflusst.

Heiner Müller-Krumbhaar war Professor für Physik. Das Buch Astronomische Algorithmen hat sein Entscheidung für das Fach beeinflusst.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Das „Ur-Kilogramm“, das gut gesichert als Platin-Iridium-Zylinder in einem Keller bei Paris lagert, wird als Maßeinheit neu definiert. Nach der Planck’schen Konstante „h=6,62607015 * 10-34 kg m2/s“. Noch Fragen? Die wird der Nobelpreisträger Professor Dr. Klaus von Klitzing beim dritten Monheimer Wissenschaftstag den Oberstufenschülern des Ottto-Hahn-Gymnasiums und der Peter-Ustinov-Gesamtschule beanworten. Hochkarätiger Besuch also in Monheim.

Der Monheimer Physiker Dr. Heiner Müller-Krumbhaar (74), der vor Ort eher als Initiator der Rheinfähre „Piwipper Böötchen“ bekannt ist, hat den Wissenschaftstag ins Leben gerufen und bisher immer dafür gesorgt, dass das Podium prominent besetzt ist. „Wissenschaft ist nicht anonym. Man trifft sich, kennt sich, redet miteinander“, sagt der emeritierte Professor. Schon zu Beginn seines Studiums habe er die Erfahrung gemacht, dass Lehrstuhlinhaber durchaus „nahbar, ansprechbar“ sind. „Wir haben einfach an seine Tür geklopft“, erinnert er sich an seine Studienzeit in München. Diese Erfahrung will er jungen Menschen vermitteln und zugleich für Naturwissenschaften werben.

Wer Müller-Krumbhaar googelt, findet eine lange Liste, Hinweise auf Veröffentlichungen und einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag. Dort steht unter anderem, dass er Mitglied der Studentischen Verbindung „Corps Isaria“ ist. Müller-Krumbhaar wäre nicht er selbst, wenn er neben dem persönlichen nicht auch gleich den historischen Hintergrund liefern würde. „Corps Isaria“ sei aus Landsmannschaften hervorgegangen, sagt er. Anfang des 19. Jahrhunderts. Dort haben sich junge Menschen zusammengefunden, die alleine unterwegs waren. „Schmisse“, wie sie in der Verbindung üblich waren, habe er tunlichst vermieden. Überhaupt sei er eher zufällig zur Verbindung gekommen. Sein Großvater, ein Verleger, sei Mitglied gewesen. Man habe ihn zu einem Diavortrag eingeladen. Dort hätten zwei Studenten faszinierend von einer Griechenlandreise per Boot berichtet. „Da kann ich was lernen“, habe er sich gedacht und sei Mitglied geworden. „Den Rest habe ich in Kauf genommen.“

Damals wollte Müller-Krumbhaar noch Patentanwalt werden. Wie sein im Krieg verstorbener Vater. „Ich habe ein Praktikum gemacht in der Industrie, Metall geschliffen und mich für Maschinenbau eingeschrieben. Jura wollte ich draufsatteln.“ Doch irgendwie kam immer alles anders. Nach der Einschreibung blättert er in einem Buch „Astronomische Algorithmen“. Ein Standardwerk zu Planeten- und Sonnen-Konstellationen. „Das fand ich spannend und habe mich für Physik eingeschrieben. „So war ich Maschinenbau-Student für einen Tag.“

Müller-Krumbhaar stammt aus dem schwäbischen Ravensburg. „Von Universitäten hatte ich keine Ahnung. Ich habe immer spontan entschieden und auf das reagiert, was sich ergeben hat“, sagt er. Sein Humor, seine offene Haltung und nicht zuletzt sein Selbstbewusstsein hätten ihm geholfen, dabei immer weiterzukommen. „Und ich habe viel gearbeitet“, sagt er.

Trotzdem würde er diese Art, seinen Lebensweg zu beschreiten, Schülern oder Studenten nicht empfehlen. „Denn nichts ist einfach. Härten gibt es immer.“ Er hat sie gemeistert, promoviert und habilitiert. Und wird später Institutsdirektor im Forschungszentrum Jülich mit Lehrstuhl an der RWTH Aachen. Die Liste seines Engagements und seiner Auszeichnungen ist lang. Wichtig war ihm immer die Vermittlung seines Fachs. Gemeinsam mit dem Wissenschaftsmanager Professor Dr. Joachim Treusch, der auch die Veranstaltungen in Monheim moderiert, macht er sich dafür stark.

Neben von Klitzing hat er auch die Professorin Dr. Johanna Stachel für den Wissenschaftstag in Monheim gewinnen können. Sie erforscht Urknallmaterie an der Weltmaschine LHC im CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) und wird den Schülern von ihrer Arbeit berichten. Davon, wie Materie erzeugt werden kann, wie sie Sekunden nach dem Urknall gewesen sein könnte. Stachel ist seit 2003 Dekanin für Physik und Astronomie an der Uni Heidelberg, seit 2012 Präsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und mehrfach ausgezeichnet worden.

Die neuen Berechnungseinheiten für Maße wie Kilogramm, Ampere, Kelvin und Mol, die ab Mai weltweit gelten sollen, wird von Klitzing den Schülern vorstellen. „Auf den Alltag der Menschen wird das keinen direkten Einfluss haben“, erläutert Müller-Krumbhaar. Das Kilo Äpfel werde an der Kasse genauso abgewogen wie bisher. Es gehe um minimale Verschiebungen. Die würden jedoch in der Wissenschaft, in der Programmierung von Rechnern und bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz eine große Rolle spielen, so der Physiker.

Stichwort Künstliche Intelligenz. Müller-Krumbhaar lässt es sich nicht nehmen, ein altes Computerprogramm auf dem Smartphone zu starten und zeigt über den Fernseher, wie es funktioniert. Das Handy, ausgestattet mit einer Plus- und einer Minustaste, rechnet hoch, welche Taste der Nutzer wohl gleich drücken wird; abzulesen an einer Skala von null bis hundert. „Das haben wir schon in den 80er Jahren erforscht“, sagt er nicht ohne Wissenschaftlerstolz. „Perzepton“ heißt das Programm und basiert auf Nervenmodellen. Es ist lernfähig.

Trotz aller wissenschaftlichen Intelligenz ist Müller-Krumbhaar durchaus verwurzelt in seiner Heimat Monheim, kümmert sich ums Piwipper Böötchen und die Schüler. Horst Stolzenburg, Oberstufenleiter der Peter-Ustinov-Gesamtschule, ist hocherfreut über das Engagement des Physikers. „Er holt hochkarätige Wissenschaftler aus der Forschung nach Monheim, die unseren Schülern Einblick in ihre Arbeit geben“, sagt er. Das sensibilisiere für die naturwissenschaftlichen Fächer. Vor allem aber die Wissenschaftsshow Physikanten komme bei den Schülern gut an. Er schickt seine gesamte Oberstufe zum Wissenschaftstag. Darüber hinaus schätzt Stolzenburg Müller-Krumbhaar für seine freundliche, charmante Art.

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