Monheim Stadtgeschichte Jahre 1933 bis 1945 Neues Buch über Monheim in der NS-Zeit

Monheim · Heute präsentiert der Historiker Karl-Heinz Hennen sein neues Werk über die Jahre 1933 bis 1945 als Teil seiner Stadtgeschichte.

Ernst Kolisch, der in der Kiesbaggerei am Monbag-See arbeitete, wurde verraten. Er starb im KZ Buchenwald. Ein Stolperstein erinnert an ihn.

Ernst Kolisch, der in der Kiesbaggerei am Monbag-See arbeitete, wurde verraten. Er starb im KZ Buchenwald. Ein Stolperstein erinnert an ihn.

Foto: Stadt Monheim

Auf dieses Kapitel in der Stadtgeschichte blickt keine deutsche Gemeinde gerne zurück:  Die Verfolgung und Denunziation politisch Andersdenkender und Angehöriger verfemter Volksgruppen in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Stadt hat die umfangreichen Rechercheergebnisse des Monheimer Historikers Karl-Heinz Hennen bei dessen Arbeiten am dritten Band der Stadtgeschichte zum Anlass genommen, eine eigene Publikation herauszugeben.

Der Titel des Geschichtswerks lautet: „Verfolgung und Denunziation im Amt Monheim 1933 bis 1945“. Karl Heinz Hennen wird es heute im neuen VHS-Raum am Ernst-Reuter-Platz (alte Eisdiele Al Faro, Schöneberger Straße 15) vorstellen. Beginn der Vortrags-veranstaltung ist um 19 Uhr, der Eintritt frei. Um eine Anmeldung unter Telefon 02173 951-4111 oder per E-Mail an vhs@monheim.de wird gebeten.

„Nach der Auswertung von umfangreichen Archivunterlagen ergibt sich durch die neue Publikation erstmals ein differenziertes und vollständiges Bild über Verfolgung und Denunziation in Monheim“, erläutert Hennen. In bedrückender Weise habe sich auch in den kleinen Dörfern am Rhein die ganze Palette der Verfolgung offenbart – sei es aus politischen oder religiösen Gründen. Auch Fälle von Euthanasie und Zwangssterilisation konnten von ihm nachgewiesen werden. Die Fülle an Denunziationen im Alltag verdeutliche darüber hinaus, in welch unsäglichem Klima die Monheimer zu dieser Zeit gelebt haben.

Hennens Untersuchungen enden zudem nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er geht auch der Frage nach, wie Verwaltung und Justiz die Wiedergutmachung gehandhabt haben. Die schleppend angelaufenen Verfahren zur Entschädigung seien nicht dazu angetan, die junge Bundesrepublik in einem gerechten und demokratischen Licht erscheinen zu lassen, betont Hennen. „Unrecht muss als solches benannt werden“, so Bürgermeister Daniel Zimmermann. Auch wenn mittlerweile rund 75 Jahre vergangen seien, verdienten es die Opfer, dass man sich damit auseinandersetze. Die Stadt verfolge mit dieser Dokumentation den Leitsatz: Erinnern statt vergessen.

Die drei Rheingemeinden Monheim, Baumberg und Hitdorf hatten während der NS-Zeit rund 7800 Einwohner. Unter den jüdischen Mitbürgern gab es 19 Opfer der Shoah. Nur wenigen gelang die rechtzeitige Emigration. Lediglich zwei einstige jüdische Bürger überlebten in Deutschland – untergetaucht und in einem Zuchthaus. Über 1400 Zwangsarbeitskräfte waren auf heutigem Stadtgebiet und in Hitdorf oft unter widrigsten Bedingungen untergebracht. Mindestens 43 von ihnen überlebten die Monheimer Jahre nicht. Der Monheimer Pfarrer Franz Boehm starb im Konzentrationslager Dachau. „Auch mindestens sieben weitere Geistliche kamen in Konflikt mit der Gestapo“, erläutert Karl-Heinz Hennen. „Sie hatten demütigende Verhöre zu ertragen und wurden versetzt oder an die Front geschickt.“ Neben den politisch Verfolgten, die wegen ihres in Wort und Tat gezeigten Widerstands mit Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen belegt sowie in Arbeits- oder Konzentrationslager eingewiesen wurden, verloren auf Grundlage des so genannten Ermächtigungsgesetzes zudem auch zahlreiche weitere Monheimer ihre politischen Mandate als Amts-, Stadt- und Gemeinderäte.

Hoch dürfte zudem die Dunkelziffer in Fällen von Zwangssterilisation und Euthanasie sein. Hennen: „Hier muss davon ausgegangen werden, dass nicht wenige Betroffene und Angehörige nach dem Krieg aus Scham, aber auch wegen der Aussichtslosigkeit, dass ihre Verfolgung anerkannt wird, ihr Schicksal verschwiegen haben.“ Als sicher nachgewiesen gelten zwei Monheimer Fälle von Zwangssterilisationen und fünf von Euthanasie.

Anhand der Wiedergutmachungsakten ist zu belegen, wie man nach 1945 mit Verfolgten und oft psychisch und physisch schwer geschädigten Menschen umgegangen ist. Politisch Verfolgte wurden dabei trotz langer Inhaftierungen und dem Verlust ihrer Arbeitsplätze nicht einmal als Verfolgte des Naziregimes (VdN) anerkannt, wenn sie keiner politischen Partei angehört hatten oder wenn sie nicht nachweisen konnten, nach den schweren körperlichen Misshandlungen ihren Widerstand fortgesetzt zu haben. Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sah Wiedergutmachungen nur für Personen vor, die aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden. „Das schloss Entschädigungen bei Zwangssterilisation und Euthanasie aus“, verdeutlich Hennen. „Das fürchterliche ,Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ vom 14. Juli 1933 blieb sogar bis 1998 in Kraft.“ Bis dahin beriefen sich bei Prozessen deutsche Gerichte darauf, die Erbgesundheitsgerichtshöfe der NS-Zeit hätten nach geltendem Recht gehandelt.

Auch das Monheimer Rathaus hatte Anteil an der Denunziation. Denn damit befasste sich die Ortspolizeistelle, die dem Bürgermeister unterstand. Hennen: „Die Fülle der im Stadtarchiv bewahrt gebliebenen Fälle legt ein beredtes Zeugnis davon ab, in welchem Ausmaß das alltägliche Leben von Denunziationsbereitschaft geprägt war.“ So seien  lebenslange Feindschaften mit Nachbarn und im Bekanntenkreis entstanden.

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