Monheim Kinder- und Jugendstärkungsgesetz Offene Jugendarbeit muss inklusiv werden

Monheim · Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz stellt das Jugendamt vor große Herausforderungen: Der Beratungsanspruch von belasteten Familien wird stark ausgeweitet. Beschwerdemöglichkeiten und Partizipation werden verbessert.

 Alle Angebote der offenen Jugendarbeit sollen künftig auch für behinderte Kinder zugänglich sein. Im Haus der Jugend traf unser Fotograf Hasnae (links) und Mo (rechts) beim Virtual Reality Boxen.

Alle Angebote der offenen Jugendarbeit sollen künftig auch für behinderte Kinder zugänglich sein. Im Haus der Jugend traf unser Fotograf Hasnae (links) und Mo (rechts) beim Virtual Reality Boxen.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Mehr Partizipation und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder aus belasteten Familien, ein verbesserter Kinder- und Jugendschutz, mehr Hilfen für junge Volljährige, ein umfassender Beratungsanspruch für Familien und eine inklusive Öffnung aller Angebote der Jugendarbeit. Die Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes, das im Juni 2021 in Kraft getreten ist, bringt auch für das Monheimer Jugendamt viele Neuerungen mit sich.

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Das Gesetz will alle Kinder und Jugendlichen stärken. In ihrem Verhältnis zur öffentlichen Hand sollen „Kinder und Eltern nicht mehr als Objekte, sondern als Experten in eigener Sache betrachtet werden“, referierte Brigitta Goldberg, Professorin für Jugendhilferecht und Kriminologie am Fachbereich Soziale Arbeit der Evangelischen Hochschule in Bochum, kürzlich im Jugendhilfeausschuss.

Verbesserungen im Kinder- und Jugendschutz: Die Stadt Monheim verfügt bereits über eine Fachstelle Kinderschutz. „Und schon jetzt beziehen wir die Personen aus Gesundheitsberufen, die unter Schweigepflicht fallen, ein, wenn es um die Gefährdungseinschätzung geht“, berichtete Simone Feldmann, Leiterin des Bereichs Kinder, Jugend und Familie, in dem Ausschuss. Neu ist aber, dass etwa die Ärzte, die einen Verdacht äußern, künftig auch eine Rückmeldung erhalten sollen. „Das haben wir bisher aus Datenschutzgründen nicht gemacht, das kann die Melder verunsichern“, räumt Feldmann ein. Die Stadt wolle jetzt auf das Kreisgesundheitsamt und die Ärztevertretungen zugehen, um die Zusammenarbeit zu verbessern.

Kinder in Einrichtungen und Pflegefamilien sollen bei den Schritten in ein selbstständiges Leben besser begleitet werden. Für sie sollen Beschwerdemöglichkeiten eingerichtet werden. Vor allem solle laut Gesetz die Partizipation der Beteiligten verbessert und Rückkehrperspektiven aufgezeigt werden, so Goldberg. „Eigentlich entspricht die intensive Aufklärung der Betroffenen ohnehin unserem Anspruch“, so Feldmann. Dennoch sollen ASD und Kinderpflegedienst jetzt die Hilfeplanverfahren auf etwaige Lücken in der Beratung durchforsten.

Bereits seit 2018 verfüge das Land über eine Ombudsstelle für Beschwerden, mit der auch das Jugendamt der Stadt Monheim kooperiere. „Das ist eine neutrale Anlaufstelle, wenn Eltern sich missverstanden fühlen“, erklärt Feldmann.

Rechtsanspruch junger Volljähriger auf Unterstützung: „In Monheim haben wir immer schon Hilfe über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt“, sagt Feldmann. Dennoch wolle man jetzt noch einmal intensiv die Hilfe bei Übergängen (Schule/Beruf) in den Blick nehmen. Dass junge Menschen, die schon Geld verdienen, nicht mehr an den Kosten der Unterbringung beteiligt werden, habe die Stadt schon 2019 durch die starke Erhöhung der Einkommensgrenzen vorweggenommen.

Hilfe aus einer Hand für Kinder mit Förderbedarf. „Grundsätzlich sollen jetzt alle Leistungen der Jugendarbeit auch für Kinder mit Behinderungen zugänglich sein“, sagt Goldberg. Bereits seit Juni 2021 gilt diese verpflichtende inklusive Öffnung der offenen Jugendarbeit, sie betrifft in Monheim also das Haus der Jugend, das JuKuba und das Rheincafé. „Wir sind schon mit allen Jugendverbänden im Gespräch, da wurden vor allem Qualifizierungsbedarfe genannt“, berichtet Feldmann. Sie wolle aber auch aktiv auf die Behindertenhilfe, die Lebenshilfe und die Virneburgschule in Langenfeld zugehen.

Die Stadt habe den inklusiven Gedanken bereits in ihre aktuelle Kinder- und Jugendentwicklungsplanung aufgenommen. So sollen unter anderem die Übergangskonzepte (Kita/Schule) angepasst werden. Die bisherigen freiwilligen Vereinbarungen mit Tagesmüttern bezüglich des gesetzlichen Schutzauftrages (im Falle einer Kindeswohlgefährung) auch gegenüber behinderten Kindern sollen nun verbindlich werden. Die Monheimer Kitas setzten schon jetzt ganzheitlichen Kinderschutzkonzepte um, so Feldmann.

Um dem inklusiven Gedanken in der Jugendhilfeplanung gerecht zu werden, sollen mehr Daten über den Förderbedarf erfasst werden, um zu wissen, wie viele Kinder in Monheim überhaupt betroffen sind, sagt Feldmann. Derzeit würden Eltern interviewt, um zu ermitteln, wo die gleichberechtigte Teilhabe nicht funktioniert, wo sie noch Unterstützungsbedarf haben.

Dass künftig alle Personen, die Hilfen des Jugendamtes in Anspruch nehmen, Anspruch auf Beratung über sämtliche Sozialleistungen haben, stellt eine große Herausforderung dar. Der Beratungsanspruch beziehe sich nicht nur auf die persönliche Lebenssituation, sondern auch auf die allgemeine Förderung der Erziehungsfähigkeit in Richtung Bildung, so Feldmann. Er erstreckt sich auch auf Kinder und Jugendliche unabhängig von einer Notlage. „Wir wollen das dezentral umsetzen und neben der Erstberatung auch die Schulsozialarbeit und die Jugendberatung einbeziehen“, sagt Feldmann. Unter anderem soll der Beratungswegweiser entsprechend überarbeitet werden.

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