Monheim Start Impfterminvergabe Arbeiterwohlfahrt: Impf-Chaos könnte Senioren entmutigen

Monheim/langenfeld · Ursula Pick (89) wohnt im betreuten Wohnen der Awo. Das Impfzentrum in Erkrath ist für sie mit dem ÖPNV unerreichbar. Sie fragt sich, warum nicht die Hausärzte die Impfung der älteren Alleinlebenden übernehmen können.

 Stefanie Rohm betreut die Bewohner des Louise-Schröder-Hauses: Sie muss täglich Fragen zur Corona-Impfung beantworten.

Stefanie Rohm betreut die Bewohner des Louise-Schröder-Hauses: Sie muss täglich Fragen zur Corona-Impfung beantworten.

Foto: SPD

Von D. Schmidt-Elmendorff

„Ich bin enttäuscht und mache mir große Sorgen“, sagt Ursula Pick. Die 89-Jährige wohnt in einer betreuten Wohnung im Louise-Schröder-Haus der Awo. Seit 8.10 Uhr morgens rief sie gestern im 10-Minuten-Takt bei der Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) an, um sich einen Impftermin gegen Covid 19 zu sichern. „Erst hieß es, der Anschluss sei nicht erreichbar, gegen 10 Uhr kam nur noch ein Besetztzeichen und seit 11.30 Uhr ist die Leitung tot“, berichtet die Seniorin, die wie Pfarrer Franz Boehm aus dem westpreußischen Thorn stammt. Sie ist enttäuscht, weil „die Herren da oben“ nur auf die Senioren schauten, die in den Pflegeheimen leben, dabei aber die vielen Alleinlebenden aus dem Blick verloren hätten. Sorgen mache sie sich, weil die Impfkampagne arg ins Stocken geraten ist und sie mit Blick auf ihre fragile Gesundheit gerne gegen das gefährliche Virus geschützt wäre – in ein paar Monaten würde sie 90.

Sie hat das Gefühl, dass man ihr auf dem Weg zu der möglicherweise rettenden Impfung unnötigerweise hohe Hindernisse auftürmt, denn sie ist stark gehbehindert: Die anderthalbstündige Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Impfzentrum in Erkrath mit  zwei Mal Umsteigen schaffe sie nicht mehr, erklärt sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich kann doch meine Füße nicht mehr heben.“ Und die 90 Euro fürs Taxi könne sie mit ihrer schmalen Rente auch nicht aufbringen. Sie vertraue jetzt auf die Zusage eines freundlichen Mitmenschen, der sich als Chauffeur angeboten hatte.

Sie fragt sich, warum man die Impfung der hochbetagten Alleinlebenden nicht vor Ort organisiere, also sinnigerweise gleich über die Hausärzte. Die wüssten im Zweifel auch über mögliche Vorerkrankungen und etwaige Impfrisiken Bescheid. Stattdessen gebe man viel Geld für die Anmietung der Räume des Impfzentrums aus. Gerade angesichts der immer wieder beschworenen Sorge um die „vulnerablen Bevölkerungsgruppen“ sei sie sehr enttäuscht. Und das sei auch die Stimmung, die unter all ihren Bekannten vorherrsche.

Nicht wenige Bewohner und Bürger aus dem Quartier befassten sich in diesen Tage erstmals mit der Frage, wo eigentlich Erkrath liegt, sagt Stefanie Rohm, die die Begegnungsstätte der Awo leitet. Glücklicherweise hätten sich einige Ehrenamtler gemeldet, die einen Fahrdienst anbieten wollen. Die Awo könne das nicht leisten, weil im Dienstwagen wegen der Abstandsregeln jeweils nur eine Person gefahren werden könnte. Viele Angehörige, die weiter entfernt wohnten, meldeten sich und wollten über die Abläufe informiert werden. Auch sie fragt sich, warum in größere Einheiten, wie dem Betreuten Wohnen der Awo mit 60 Senioren-Wohnungen, nicht mobile Impfteams entsandt werden. Die Impfkampagne sei auch für sie als Kümmerin schwer planbar, weil es mit der Umsetzung der Beschlüsse zu oft in der Praxis hapere. Auch fürchtet sie, dass sich einige Senioren von dem komplizierten Verfahren entmutigen lassen. Derweil beteuert die KV, an der Beseitigung der Engpässe zu arbeiten. Sie bittet alle, die einen Termin buchen möchten, um Geduld.

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