Langenfeld Mit Handpuppen gegen häusliche Gewalt

Langenfeld · "Bullerbü" hat sein erstes Jahr hinter sich. Mit dem Projekt hilft der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Kindern, die erleben mussten, wie Mutter daheim geschlagen wird.

"Bullerbü" hat sein erstes Jahr hinter sich. Mit dem Projekt hilft der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Kindern, die erleben mussten, wie Mutter daheim geschlagen wird.

Der Kasper ist bekanntlich ein Haudrauf, jedenfalls wenn es gegen Unholde wie das böse Krokodil geht. Für die meisten Kinder ist so eine gespielte Klopperei – von TV und Videospielen mal abgesehen – das einzige, was sie daheim an Gewalt zu Gesicht bekommen. Eine Minderheit aber wird oder wurde immer wieder Zeuge, wie der Vater oder ein anderer "Mann im Haus" die Mutter schlägt. Diesen Kindern hilft der SkF mit dem Angebot "Bullerbü". Ein Jahr nach seinem Start hat sich das Projekt etabliert. Die beteiligten Sozialpädagoginnen vom SkF nahmen jetzt die Arbeit mit der dritten Gruppe auf: sieben Kindern zwischen fünf und acht, die die verstörenden Bilder von daheim bislang unverarbeitet mit sich herumschleppen.

Der Name "Bullerbü" markiert laut Leiterin Stephanie Krone das Ziel des Projekts: eine heile Kinderwelt, nach der sich die Jungen und Mädchen aus Prügel-Haushalten genauso sehnen wie die große Mehrheit ihrer Altersgenossen. Den ersten Schritt dorthin müssen die betroffenen Mütter selbst gemacht haben, wollen sie ihr Kind bei "Bullerbü" unterbringen: Sie müssen sich von dem Gewalttäter getrennt haben. "Dass die Mutter geschlagen wird, darf für das Kind keine ,Normalität' mehr sein. Es muss klar sein: Der Gewalttäter hat sich falsch – kriminell! – verhalten und musste deshalb das Haus verlassen", erläutert Krone die Maßgabe. Andernfalls tue sich eine nicht zu überwindende Kluft auf zwischen dem Erleben in der Familie und dem, was in den Gruppenstunden im "Bullerbü"-Raum besprochen wird.

Wie schon ihre Vorgänger treffen sich die sieben Kinder im Vor- und Grundschulalter jetzt jeden Mittwochnachmittag im Obergeschoss des SkF an der Immigrather Straße. Ein halbes Jahr lang werden sie unter Anleitung zweier SkF-Mitarbeiterinnen für je anderthalb Stunden gemeinsam basteln, spielen und über ihre Gefühle reden. Natürlich kommt auch das Thema Gewalt zur Sprache, etwa anhand der eigens zu diesem Zweck geschriebenen Geschichte "Ein Tag in Pauls Familie" (von Daniel Seyfried und Regina Winkler). Was Paul erlebt, wird dann manchmal auch mit Handpuppen nachgespielt.

"Wir wollen die Kinder ermutigen, offen über Gewalt zu reden", erklärt Stephanie Krone den Ansatz der Treffen: Oft seien die behutsamen Schubser indes gar nicht notwendig: "Allein dadurch, dass sie merken: Da sind andere, die haben ähnliches erlebt wie ich, kommen viele ins Erzählen." Fangen an zu sprechen über etwas, worüber sie vorher geschwiegen haben. "Denn einerseits haben die Kinder die Gewalt zwar als ,Normalität', als Alltag erlebt, andererseits aber wissen sie in ihrem Innern sehr wohl, dass diese Gewalt nicht richtig ist", beschreibt die Sozialpädagogin das Problem der Tabuisierung, das die betroffenen Familien wie eine Mauer umgibt.

Statt sich jemandem anzuvertrauen, neigen die Kinder zu Aggressivität, Selbstverletzungen, ADHS und anderen Verhaltensauffälligkeiten. Die "Bullerbü"-Stunden sollen helfen, diese Symptome einer verwundeten Kinderseele einzudämmen und nach Möglichkeit zu heilen. Zugleich wird erneuter Gefangenschaft in Gewalterfahrungen vorgebaut: durch Entwerfen von Notfallkarten ("Was tun, wenn so etwas noch mal passiert?") und Knüpfen eines Helfer-Netzwerks mit Telefonnummern von möglichen Ansprechpartnern. Auch die Mütter werden eingebunden: Sie erhalten zum Beispiel Rückmeldungen darüber, ob weitergehende Behandlungen wegen etwaiger Auffälligkeiten des Kindes empfehlenswert sind. "Und manche treffen sich in unserem ,Café Immi' ein Stockwerk tiefer, um sich ebenfalls über ihre Erlebnisse auszutauschen."

Bis zu acht Kinder können für ein halbes Jahr bei "Bullerbü" dabei sein. Rund 800 Euro kostet laut SkF ein Platz in dem Projekt. Da es von der öffentlichen Hand nicht direkt bezuschusst wird, ist der SkF auf Spenden und Sponsoring angewiesen. Nach der Stadt-Sparkasse und Geburtstagsjubilaren hat jetzt RWE Deutschland einen großzügigen Beitrag geleistet: 4000 Euro – damit können fünf Gruppenplätze finanziert werden. ",Bullerbü' ist nicht nur menschlich sinnvoll, sondern auch volkswirtschaftlich, denn es trägt dazu bei, die Folgekosten häuslicher Gewalt zu vermindern", erklärte RWE-Kommunalbetreuer Manfred Hausmann gestern bei der symbolischen Scheckübergabe.

Kontakt: SkF, Immigrather Straße 40, Tel. 39476-0; info@skf-langenfeld.de

(RP)
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