Langenfeld Mit Graf Dracula ins Rumänien-Jahr

Langenfeld · Sonntag wird beim Neujahrsempfang in der Stadthalle das städtischen Mottojahr eröffnet. Nach "Velkommen Danmark" heißt es diesmal "Salut România".

Langenfeld: Mit Graf Dracula ins Rumänien-Jahr
Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Sonntag wird beim Neujahrsempfang in der Stadthalle das städtischen Mottojahr eröffnet. Nach "Velkommen Danmark" heißt es diesmal "Salut România".

Die Vampirzähne müssen erst noch wachsen, aber es ist ja auch noch ein bisschen Zeit bis zu den Aufführungen Mitte März. Bernd Schwung hatte gestern im Flügelsaal des Kulturzentrums seine erste Leseprobe als Dracula. "Ich werde ihn so spielen, wie man ihn kennt, mit Blutsauger-Gebiss und fledermausartigem Umhang", sagt der frühere Musikschulleiter. Wie bei so vielem gelingt auch der Zugang zu Rumänien am leichtesten übers Klischee, weiß Theatermacherin Ingrid Bembennek: "Aber dahinter erstreckt sich ein faszinierendes Land."

Zwölf Monate lang haben die Langenfelder nun Gelegenheit, es von daheim zu entdecken. Im städtischen Rumänien-Jahr, das morgen eröffnet wird (Neujahrsempfang, 11 Uhr, Stadthalle), erwarten die Bürgerschaft Balkan-Folklore und Malerei, landeskundliche Vorträge und Lesungen, Bastel-Angebote und eine Party sowie etliche weitere Veranstaltungen zu dem Land am Schwarzen Meer. Bembennek und ihre erfahrene Laienspieltruppe sind mit gespielten Szenen und Musik dabei, Titel: "Rumänien, mehr als Dracula und Karpaten".

Und viel mehr als "Straßenbanden", "Zigeuner" und "Korruption". Dies seien leider die gängigen Vorurteile, sagt Bembennek: "Ich habe es in einer Umfrage selbst getestet: Viel mehr als diese vorherrschenden Antworten fällt den meisten Leuten zu Rumänien nicht ein." Allenfalls noch "Ceausescu". "Und wenn ich ehrlich bin", räumt die Langenfelderin ein: "Mir ging es, bevor ich mich auf unsere Inszenierung vorzubereiten begann, nicht anders!"

Rumänien ist das sechste Land, dem die Stadt ein Jahresprojekt widmet — und das erste, das erst im zweiten Anlauf ausgewählt wurde, und dies noch nicht mal einhellig. Nach Tschechien, Irland, dem Baltikum und Portugal hätte es bereits 2012 "Salut România" heißen sollen, doch bei der Abstimmung im Kulturausschuss verweigerte die CDU-Mehrheitsfraktion Bürgermeister Frank Schneider die Gefolgschaft und gab so den Weg frei für die SPD und ihren (gut durchdachten) Vorschlag "Dänemark". Als dann wenige Monate später Rumänien zum Mottoland 2013 bestimmt wurde, enthielten sich SPD und FDP — die Sozialdemokraten mit dem Verweis auf Menschenrechtsverletzungen, die Bukarest zu verantworten habe.

"Ich fand die Wahl Rumäniens erst auch nicht okay und habe mir gesagt: Die sollen da erst mal ihre Hausaufgaben machen", gibt Bembennek zu. Inzwischen sei sie aber der Meinung: "Wir dürfen die politische Situation dort in dem Motto-Jahr nicht außer acht lassen — aber wir sollten auch nicht in unseren eigenen Vorurteilen steckenbleiben."

Keine Frage, Rumänien ist allenfalls nach den Maßstäben von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) eine "lupenreine" Demokratie. Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Roma und Psychiatrie-Patienten, Korruption und den autoritären Stil der Regierung Ponta verdunkeln unser Bild von der Schwarzmeer-Republik ebenso wie das Erbe der Securitate, der Stasi/Gestapo des 1989 gestürzten kommunistischen Ceausescu-Regimes.

Doch ist dies ein Grund, den kulturellen Brückenschlag zu verweigern? Vom hohen Ross einer Nation herunter, die aufgrund ihrer eigenen Geschichte eigentlich keinen Grund hat, sich über andere Völker und deren zunächst ungelenken Schritte hin zu einer Zivilgesellschaft zu erheben? "Der Weg zu einer funktionierenden Demokratie ist steinig", gibt hierzu Constantin Marinescu zu bedenken, der aus Rumänien stammende Leiter des Langenfelder Stadtensembles.

Man dürfe nicht vergessen, dass das Land den politischen, wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Wandel — anders als die ehemalige DDR — ohne "brüderlichen" Beistand vollbringen müsse, sagt der diplomierte Regisseur, der 1985 aus dem Ceausescu-Staat emigrierte und 1987 mit Eugène Ionescos "Stühlen" seine Theaterarbeit in Langenfeld begann.

Auch im Motto-Jahr wird es den Meister des absurden Theaters geben ("Die kahle Sängerin" im Juni). Zuvor aber, im April, leitet Marinescu eine Projektwoche unter dem Titel "Reiseerlebnisse und Literatur". Mit dabei werden Rumänien-Reisende aus Richrath sein. Gerhard Lück, einer von ihnen, spricht von "überwältigenden Eindrücken" von einem Land der extremen Gegensätze, von sehr armen Dörfern hier und Städten mit Weststandard dort. "In den ursprünglichen Gegenden sind uns die Menschen mit großer Herzlichkeit und Unbekümmertheit begegnet", erzählt der 76-Jährige. Kulturell hätten es ihm besonders die jahrhundertealten Kirchenburgen angetan.

Ingrid Bembennek war noch nie in dem Land, aber auch so hat sie sich bereits in seinen Bann ziehen lassen: "Fasziniert hat mich besonders die Entdeckung, dass in Rumänien so viel deutsche Geschichte drin ist. Wenn Sie einmal in die Jahrhunderte von Siebenbürgen eintauchen, dann kommen Sie da nicht mehr raus! Da fahren in manchen Dörfern noch Pferdefuhrwerke herum, das können Sie auf Youtube sehen."

Was sie von ihrer Entdeckungsreise auf die Bühnen bringen wird, will Bembennek noch nicht bis ins Detail verraten. "Die eigenen Vorurteile werden auf jeden Fall eine Rolle spielen", sagt sie. Und Peter Maffay. Der ließ Rumänien als 14-Jähriger hinter sich — und entdeckte es vor einigen Jahren wieder. "Er hat eine dieser alten Kirchenburgen gekauft und hilft nun den Menschen dort, besonders den Kindern."

(RP/rl)
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