Interview: Reportage Redensarten "Mein Leben ist doch ein Ponyhof"

Langenfeld · Wie Kirsten Draheim-Schmücker und ihre Sechserbande beweisen, dass der Volksmund daneben liegt.

 Kirsten Schmückler mit zwei ihrer sechs Lieblinge - und einer Karre voll Arbeit.

Kirsten Schmückler mit zwei ihrer sechs Lieblinge - und einer Karre voll Arbeit.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

LANGENFELD Flecky, das 14 Jahre alte Shetland-Pony, hat den Bogen raus. Mit der Hilfe von Zunge und Schneidezähnen hakt das Minipferd ein Absperrband der Koppel aus und steht im Hufumdrehen unter dem Apfelbaum. Fallobst schmeckt eben besser als Grashalme. Genüsslich zermalmt Flecky das Obst, während Kirsten Draheim-Schmücker mit der dritten von vier Schubkarren voller Mist um die Ecke biegt. "Mein Leben ist ein Ponyhof", sagt die 52-Jährige, lacht und möchte keinen Deut daran ändern.

Die sechs Stars des "Ponyhof Reusrath" - das sind neben der pfiffigen Flecky der Senior-Haflinger Nikita (20), Schmusepony Joe (14), Leitstute Lori (13), der noch junge Charly (knapp 9) und Lütte (6), die auch mal eine Kutsche zieht. Sechs Ponys, deren tägliche Pflege den Volksmund Lügen straft.

Morgens bekommen die Tiere in aller Frühe Stroh. Mittags wird gemistet, werden die Vierbeiner gebürstet, die Zäune repariert. Eine neue Ladung Heu kommt unter Dach und Fach. Dann kommen die Kinder für einen Ausritt oder die Arbeit an der Longe auf dem viereckigen Platz. Danach: Noch mal Striegeln und Füttern. "Manchmal merke ich so einen langen Tag in den Beinen", gesteht Kirsten Draheim-Schmücker, braun gebrannt und mit einem Cowboyhut gegen die Sommersonne auf dem Kopf. Ein Idyll? An einem sommerlichen Augusttag: auf jeden Fall. Allerdings eines, das fünfeinhalb bis sechs Stunden Arbeit macht. Jeden Tag. 365, 366 Tage pro Jahr. Weil der lockere Spruch "Das Leben ist schließlich kein Ponyhof" nahelegt, dass das Dasein zwischen der ruhig grasenden Herde leicht und unbeschwert sei, liegt der Volksmund ziemlich daneben. "Natürlich mache ich die Arbeit hier gerne, und ich habe durch meine Tochter, unsere Reitbeteiligungen und die Kindergruppen jede Menge Hilfe."

Aber eine Schubkarre voller Mist bleibt schwer und würzig riechend, auch wenn man sich - wie Kirsten Draheim-Schmücker - hier einen Kindertraum erfüllt. Mit Nikita hat alles angefangen, da war die Ponyhof-Chefin schon erwachsen und alle Freunde verdrehten die Augen: "Ich glaube, die hielten mich für verrückt", sagt sie. Als ihre Tochter weinend vom Reitunterricht kam, weil sie dort angeschnauzt worden war, brachte das Mutter Kirsten auf Trab: "Ich dachte, das kann ich selbst." Also machte sie eine Ausbildung zur Reittherapeutin.

"Zusammen mit den Tieren versuche ich den Menschen zu helfen." Auf dem Ponyhof lernen hibbelige Großstadtkinder den richtigen Umgang mit den Vierbeinern. Lernen, aufmerksam zu sein und selbstbewusst ein Pony am Halfter zu führen - und sich nicht von ihm führen zu lassen. Alles beginnt mit der Erkenntnis, dass nicht alle Ponys so klein und niedlich sind wie Flecky, das Westentaschen-Shetland. Einige von ihnen wirken alles andere als klein. Ein unerfahrener Besucher würde sagen: "Guck mal da, ein großes Pferd."

"Wenn anfangs ängstliche Kinder sich völlig unbefangen zwischen den Tieren bewegen, dann hat das schon manche Eltern erstaunt", erzählt Draheim-Schmücker. Natürlich ist die Sache mit den Ponys zu 95 Prozent ein Mädchen-Ding. "Aber ich hatte auch schon mal eine reine Jungengruppe."

Ist der Ponyhof am Ende vielleicht doch das schönere Leben? "Ich arbeite halbtags im Büro, mit netten Kolleginnen. Und möchte beides nicht missen", sagt die Ponyflüsterin energisch. "Und wenn Sie an einem grauen Novembertag, bei Kälte und Dauerregen hier arbeiten, sich buchstäblich alles in Matsch auflöst, dann ist das nicht wirklich lustig." Aber schon am nächsten Tag kann wieder die Sonne scheinen. Und Flecky stellt den nächsten Unsinn an. So ist es, das Leben auf einem Ponyhof.

(dne)
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