Langenfeld/Monheim Mehr Seniorinnen Opfer von Gewalt

Langenfeld/Monheim · Im Redaktionsgespräch zeigen Rita Rüttger und Frank Bons Hilfsmöglichkeiten für Frauen jeden Alters.

 Rita Rüttger, Leiterin der Interventionsstelle, und Kriminalhauptkommissar Frank Bons helfen Frauen, die Opfer von Gewalt sind.

Rita Rüttger, Leiterin der Interventionsstelle, und Kriminalhauptkommissar Frank Bons helfen Frauen, die Opfer von Gewalt sind.

Foto: Ralph matzerath

Jede dritte Frau in Deutschland wird zum Opfer von Gewalt. Das besagt die Studie der Grundrechte Agentur der EU. Mit einer Quote von 35 Prozent liegt Deutschland damit europaweit im Durchschnitt. "Die Statistik beschreibt ein Nord-Süd-Gefälle", kommentiert Kriminalkommissar Frank Bons im Redaktionsgespräch. Er ist im Kreis Mettmann für Gewaltprävention und Opferschutz zuständig. Oft sei es eine Frage, wie Gewalt definiert und zur Anzeige gebracht wird. Diesen Ansatz teilt Rita Rüttger, Bereichseiterin für Häusliche Gewalt beim Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) im Kreis. "Die Zahlen steigen", bestätigt sie. "Das liegt unter anderem an dem inzwischen etablierten Hilfesystem. Das ermutigt Frauen, bei uns Rat zu suchen."

Auch ältere Frauen brauchen zunehmend Unterstützung. "Gerade war eine Seniorin mit Rollator bei uns — mit vielen blauen Flecken. Seit 50 Jahren ist sie verheiratet. 40 Jahre lang war der Mann auf Montage. Alles war gut. Jetzt gibt es Streit. Der Mann schlägt sie", beschreibt Rüttger den Fall. Bons erstaunt das nicht. "Vor allem wenn Männer unter Demenz leiden, kommt es zu Problemen. Dann wird die Frau zum Feinbild".

Gewalt gegen Frauen ist unabhängig von Alter oder sozialer Schicht. "Doch für Frauen stellen sich immer dieselben Fragen: Lass ich mich weiter schlagen oder bleibe ich allein und möglicherweise arm?", sagt Rüttger, die im vergangenen Jahr 437 Frauen beraten hat. 50 Frauen suchten vorübergehend im Frauenhaus Zuflucht. Insgesamt angezeigt wurden im Kreis Mettmann im Jahr 2013 534 Fälle von häuslicher Gewalt und 261 Fälle von Stalking. Ein Hausverbot für gewalttätige Männer hat die Polizei 300 Mal ausgesprochen. "Die Möglichkeit, Männer von ihrer Wohnung fernzuhalten, gibt es erst seit 2002", erläutert Bons. "Zehn Tage lang dürfen sie die Wohnung nicht betreten. Das wird überprüft."

Meist sind es die Nachbarn, die die Polizei verständigen, wenn es nebenan mal wieder lauter wird. Die Beamten fahren raus, trennen die Streitenden, befragen sie und erstatten Anzeige — unabhängig davon, ob das Opfer das möchte. "Oft verzichten Frauen aus Angst vor Strafe darauf, ihre Männer anzuzeigen." Wird der Mann der Wohnung verwiesen, gibt es ein Fax an die Interventionsstelle. "Wir nehmen dann Kontakt zum Opfer auf, vermitteln medizinische Hilfe, geben Tipps zur Sicherung der Wohnung und informieren über die rechtlichen Möglichkeiten sowie finanzielle Hilfen für die Frauen", sagt Rüttger. 70 Prozent der Frauen nutzen die Chance und stellen sich auf eigene Füße. "Allen können wir nicht helfen", sagt die Diplom-Sozialwirtin, die seit 20 Jahren in der Beratung tätig ist.

Etwa die Hälfte der Frauen, die kommen, haben ausländische Wurzeln. "Sie werden von ihren Männern oft in die Isolation gedrängt, sprechen kaum Deutsch und sind wirtschaftlich abhängig", sagt Rüttger. Die finanzielle Abhängigkeit sei auch für ältere Frauen oft das Problem. Um die will sie sich künftig verstärkt kümmern. "Das ist Thema beim nächsten Runden Tisch", sagt sie.

Der Runde Tisch für den Kreis Mettmann wurde 2002 eingerichtet — als Verbindungsstelle von Hilfsorganisationen, Jugend- und Sozialämtern sowie der Polizei. "Die Probleme sind vielschichtig. Besonders Kinder leiden, wenn die Familie an Gewalt zerbricht", weiß Rüttger. Auch sie benötigen Hilfe.

(RP)
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