Langenfeld Letzter Ausweg ist oft das Frauenhaus

Langenfeld · Seit 20 Jahren nimmt das Frauenhaus des Kreises von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen auf.

Seit 20 Jahren nimmt das Frauenhaus des Kreises von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen auf.

Kinderlachen schallt durchs Haus. Der Tisch im großen Esszimmer des Frauenhauses ist gedeckt. An den Wänden hängen bunte Bilder, die Sonne scheint durch die Fenstermalereien. Beim Essen geht es gemütlich zu. Es wird geplaudert, gelacht und vom Tag erzählt. Schnell wird allerdings deutlich: Es sind keine gewöhnlichen Tage, von denen die Frauen berichten. Es geht um Behördengänge und Beratungsgespräche. Zwischen den Zeilen schwingen immer wieder schmerzliche Erinnerungen an Vergangenes und die Angst vor der Zukunft mit. Alle Frauen teilen das gleiche Schicksal: Sie haben sich von ihren gewalttätigen Partnern getrennt und wollen nun einen Neuanfang wagen.

Im Frauenhaus des Sozialdienstes Katholischer Frauen und Männer (SKFM) haben sie vorübergehend Zuflucht gefunden. "Wenn die Frauen zu uns kommen, sind sie oft am Ende ihrer Kräfte. Hier bekommen sie den Schutz des Hauses und wir versuchen, sie zu entlasten und zu stärken", sagt Rita Rüttger. Die Leiterin des Frauenhauses kennt die Nöte der Betroffenen. Viele sind durch die jahrelange Erfahrung häuslicher Gewalt traumatisiert. Einige haben sich aus einer akuten Notsituation ins Frauenhaus geflüchtet. Andere haben sich zuvor in der Interventionsstelle beraten lassen, um schließlich den Schritt aus der Beziehung zu wagen.

Kommen sie dann im Frauenhaus an, sind oft nicht nur die Frauen, sondern auch die Kinder verängstigt und verunsichert. So wie die 16-jährige Sarah, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester im Frauenhaus wohnt. Sie selbst hatte schon ein Jahr in einer betreuten Jugendwohngruppe gelebt, nachdem die Schwierigkeiten mit dem aggressiven Lebensgefährten der Mutter zu groß geworden waren. Nun hofft sie auf einen Neuanfang als Familie mit Mutter und Schwester — ohne Männer.

Nur wenige Jahre älter ist Nicole Rolfes (Name von der Redaktion geändert), die gemeinsam mit ihrem Sohn seit vier Wochen im Frauenhaus lebt. Fünf Jahre war die 19-Jährige mit dem Vater ihres erst vier Monate alten Babys zusammen, immer wieder hat der die junge Mutter geschlagen. "Unser Sohn war ein Wunschkind, aber getreten hat er mich auch während der Schwangerschaft", erinnert sie sich an das dunkelste Kapitel ihres Lebens. Als ihr Lebensgefährte wieder zuschlug, habe sie plötzlich nicht nur Angst um sich, sondern auch um ihren Sohn bekommen. "Meine Mutter hat dann die Polizei gerufen", spricht die junge Frau über den Moment, in dem ihr Leben eine neue Richtung nehmen sollte. Kontakt zum Vater ihres Sohnes hat sie seither nicht mehr. Nach einigen unbeantworteten Anrufen auf dem Handy hat Nicole Rolfes ihre Nummer ändern lassen. Seitdem kommt sie langsam zur Ruhe und denkt darüber nach, wie es weitergeht. Neue Handynummer, keine eigene Wohnung, kein Kontakt zu früheren Freunden: Der Schutz vor dem gewalttätigen Partner bringt viele Veränderungen mit sich, die sich schwer verkraften lassen.

Die meisten Frauen wagen einen Neuanfang fernab des bisherigen Wohnortes. "Bei Ämtern und Behörden wird eine Informationssperre veranlasst, damit der frühere Partner die neue Anschrift nicht ausfindig machen kann", so Alexandra Herbertz. Die Sozialpädagogin gehört zum Team des SKFM, der die Einrichtung seit mittlerweile 20 Jahren betreibt. Unterstützt werden die Frauen vor allem praktisch, bei der Suche nach einer neuen Wohnung oder einem Job. "Wir begleiten nicht therapeutisch, sondern lösungsorientiert", so Rita Rüttger. Allerdings werde den Frauen empfohlen, sich nach dem Aufenthalt im Frauenhaus auch die Hilfe eines Psychotherapeuten zu suchen. "Die Frauen fangen bei Null an, das ist alles andere als leicht", weiß die Leiterin des Frauenhauses.

Ein großes Problem sei das Umgangsrecht des früheren Partners mit den Kindern. "Viele Männer versuchen, über die Kinder vor allem Macht auf ihre ehemaligen Partnerinnen auszuüben. Die derzeitigen Gesetzesregelungen gehen von normalen Familienverhältnissen aus und werden dieser Situation nicht gerecht", thematisiert Rita Rüttger ein bislang ungelöstes Problem mit teilweise verheerenden Folgen. Denn durch den Umgang mit dem gewalttätigen Mann können nicht nur die Kinder, sondern auch die Frauen nur unzureichend geschützt werden. Immer wieder kommt es vor, dass Männer vor der neuen Wohnung auftauchen. Dann beginnt der Kreislauf aus Bedrohung, Verfolgung und Gewalt von vorn.

(RP)
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