Brauchtum in Langenfeld Wenn eine „St. Martina“ den Mantel teilt

Langenfeld · Andrea Schnitzler setzt bei den Martinszügen nah und fern Mädchen statt Männer ein. „Sie sind die einfühlsameren Reiter“, sagt die Chefin des Reit- und Fahrbetriebs an der Hitdorfer Straße. Ihre Weiblichkeit verhüllen sie dann in weiten Bischofsgewändern.

 In Langenfeld gibt‘s auch St. Martinas:Julia Schreiber und Alexandra Heymann (v. li.) teilen am Martinstag den Mantel.

In Langenfeld gibt‘s auch St. Martinas:Julia Schreiber und Alexandra Heymann (v. li.) teilen am Martinstag den Mantel.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

„Eigentlich sollte jeder St. Martin eine Frau sein“, sagt Andrea Schnitzler, Chefin des gleichnamigen Reit- und Fahrbetriebs an der Hitdorfer Straße, früher Küttelwesch. Für diese Einstellung hat sie gute Gründe: „Mädchen sind beim Reiten viel engagierter als Männer und auch viel einfühlsamer.“ Deshalb starten von ihrem Betrieb aus vier Frauen in Bischofskostüm hoch zu Ross in die Martins-Saison. „Es gibt aber auch Schulen, die sich ausdrücklich einen Mann als St. Martin wünschen“, sagt Schnitzler. „Denen können wir natürlich auch gerecht werden.“

Acht gut gepflegte Schimmel gibt es auf ihrem Reiterhof, die an St. Martin ihren großen Auftritt haben. Die Weißen werden bevorzugt, weil man sie im Dunkeln besser sieht. „Natürlich haben alle Pferde, die Karneval, beim Schützenzug oder an St. Martin voranreiten, eine Gelassenheitsprüfung gemacht – wie der Tierschutz sie vorschreibt“, betont Andrea Schnitzler. Mit Vorausschau und Erfahrung achten auch die beiden „St. Martinas“ Alexandra Heymann und Julia Schreiber darauf, dass die Pferde keinen Stress haben, nicht zu dicht am Martinsfeuer vorbei müssen oder dass es für sie zu eng wird und sie sich erschrecken. „Ein Pferd ist ein Fluchttier“, ruft Schnitzler in Erinnerung, „da passiert schnell etwas, wenn die Reiter ungeübt sind. Eine Kindergärtnerin, die mal ein Jahr Reitunterricht hatte, ist für so einen Job keinesfalls geeignet“, sagt sie.

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Die schönsten Lieder zu Sankt Martin

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Foto: Pixabay / Oliver Schaulandt

Alexandra und Julia, beide Anfang 30 und seit Jahrzehnten auf dem Pferderücken zu Hause, freuen sich schon auf ihre Auftritte bei den Martinszügen in Langenfeld, aber auch in Köln und Düsseldorf. Sie verbergen ihre Weiblichkeit schon seit vielen Jahren in Bischofskleidung. „In die strahlenden Kinderaugen am Wegesrand zu gucken, ist einfach wunderschön“, sagen beide unabhängig voneinander. „Diese Tradition sollte unbedingt erhalten bleiben“, betont Julia.

Dass die selbstbewussten Reiterinnen beim Auftritt als mildtätiger St. Martin für kurze Zeit jegliches Frausein vertuschen müssen, stört sie nicht. „Rot lackierte Fingernägel und Lippenstift geht gar nicht. Selbst die Ohrringe müssen abgelegt werden“, berichtet Alexandra mit einem Schmunzeln. „Aber ich bin eh nicht so auf solche Attribute aus.“

Verwachsen mit Pferden, wie dem freundlichen Schimmel Champ, der die Besucher neugierig beschnuppert, übernehmen die Frauen den Männer-Job im Martinszug gerne. Sie betonen, dass die Vierbeiner mit ebenso großer Begeisterung bei der Sache sind, wie sie selbst. Woran man das merkt? „Sie steigen sehr zielstrebig in den Transporter ein, der sie zum Einsatzort fährt, und freuen sich auf die Spritztour“, sagt Julia Schreiber. „Oft fallen sie dabei schon in den langsamen Gang, den sie zur Martinsmusik vorlegen müssen.“ Wenn die Pferde umsichtig geführt würden, sei der Einsatz für sie ein Vergnügen, erklärt auch Schnitzler. Am 3. November startet der erste Martinszug mit Pferden und Schimmeln vom Hof Andrea Schnitzler.

Zu ihrem Bedauern musste aber auch sie die Preise anheben, wegen steigender Diesel- und Futterkosten. „Vielen Schulen ist das jetzt für eine halbe Stunde zu teuer“, sagt Schnitzler. „Immer mehr sagen den Martinszug mit Pferd ab und spielen die Martinsgeschichte einfach selbst nach.“

Eine Lösung wäre es vielleicht, wenn sich mehr Kitas und Schulen zusammentäten, um gemeinsam einen Martinszug zu finanzieren, so Schnitzler. Denn eine richtige Alternative zu dem berittenen St. Martin, der ohne Zögern seinen Mantel mit einem Bettler teilt, gibt es nicht.

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