Langenfeld „Regelmäßig medizinisch checken lassen“

Langenfeld · Laut Unfallstatistik des Kreises Mettmann sind zunehmend Senioren als Radfahrer in Unfälle verwickelt.

 Diese Radfahrer vom Langenfelder ADFC machen es vor: Sie tragen Helm: Christine Kaufmann, Horst Seidenstecher und Udo Jabilonsky.

Diese Radfahrer vom Langenfelder ADFC machen es vor: Sie tragen Helm: Christine Kaufmann, Horst Seidenstecher und Udo Jabilonsky.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Laut Unfallstatistik des Kreises Mettmann für 2018 stieg die Zahl der verunglückten Rad- und Pedelec-Fahrer um 22,6 Prozent: Es heißt, dass besonders ältere Radfahrer in Unfälle verwickelt sind. Woran liegt das?

Lindemann: Die Zahl der aktiven Verkehrsteilnehmer ist ja insgesamt stark gestiegen. Es sind generell mehr Fahrzeuge unterwegs, folglich kann es auch zu mehr Unfällen kommen. Auch die demographische Lage hat sich verändert. Deshalb steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Senioren an Unfällen beteiligt sind. Wenn Senioren, die bis dato Pkw gefahren sind, aufs Rad umsteigen, tun sie das oft, weil sie ihre Fitness trainieren wollen. Oft haben sie sich aber noch nicht so auf das neue Verkehrsmittel eingestellt. Man muss im Sattel oft etwas andere Verhaltensweisen an den Tag legen als hinter dem Steuer. So haben Räder z.B. keinen Blinker, daher muss man zum Abbiegen aktiv ein Handzeichen geben, also auch noch einhändig fahren. Vielen Senioren fehlt da die Einsicht, dass sie wieder etwas lernen müssen. Eine andere Geschichte ist der tote Winkel: Wir weisen in unseren Vorträgen darauf hin, dass es sehr leichtsinnig ist, an einer Rotlicht zeigenden Ampel an Pkw und Lkw vorbei,bis nach vorne zu fahren. Sehr schnell gerät man dabei außerhalb des Sichtbereiches dieser Kraftfahrzeugführer.

Wie sieht es mit den Pedelecs aus? Ist auch dort eine Zunahme der Unfälle zu verzeichnen?

Lindemann: Ja, wir haben festgestellt, dass die Unfälle mit Pedelecs zunehmen. Nun ist der Zahl der verkauften Pedelecs in den vergangegenen fünf Jahren aber auch sprunghaft angestiegen. Es ist natürlich verständlich, dass sich Senioren solche Elektroräder kaufen, um trotz nachlassender Kondition und Fitness schnell und bequem vorwärts zu kommen. Wir empfehlen aber dringend, an den Sicherheitstrainings teilzunehmen, die z.B. die Verkehrswacht anbietet. Leider wurde das Angebot bisher nicht gut angenommen, in Langenfeld und Monheim ist der Kursus bei nur zwei Anmeldungen gar nicht zustande gekommen. In diesen Kursen werden in der Theorie die für Radfahrer geltenden Regeln behandelt, für den Praxisteil wird auf dem jeweiligen Gelände ein Parcours aufgebaut. Dort werden einem dann die Handgriffe und Techniken zum Bremsen und Umfahren von Hindernissen beigebracht. Ich wäre dafür, einen zweiten Anlauf zu starten. Denn ein Pedelec unterscheidet sich vom Gewicht her stark von einem Fahrrad. Es beschleunigt und fährt nicht nur schneller, es bremst auch stärker, da kann man als Ungeübter schon leicht die Kontrolle verlieren und aus dem Sattel katapultiert werden. An das völlig andere Fahrverhalten muss man sich erst gewöhnen. Wir empfehlen auch zwingend auf dem Pedelec einen Helm zu tragen.

Wie halten es Senioren insgesamt mit der Sicherheitsausrüstung, tragen sie inzwischen mehr Helm?

Lindemann: Man sagt, dass 80 Prozent der Kopfverletzungen verhindert werden könnten, wenn man als Radfahrer einen Helm trüge. Denn oftmals fällt man bei einem Sturz auf den Kopf. Ich habe den persönlichen Eindruck, dass durch unsere Aufklärungsarbeit, die Sensibilisierung durch Vorträge in Seniorenbegegnungszentren und anderen Einrichtungen, bei Vereinen Senioren inzwischen mehr Helm tragen, mir fällt es im Stadtbild auf. Die Lücke klafft eher bei den 30- bis 60-Jährigen. Ich erlebe es bei meinen eigenen Kindern, dass Jugendliche, die in der Gruppe irgendwann als einzige einen Helm tragen, einen schweren Stand haben. Ich sehe auch häufig Kleinkinder, die Helm tragen, die Mütter aber nicht. Die Senioren sind indes gut mit Argumenten zu erreichen.

Die Zahl der verunglückten Senioren ab 75 stieg insgesamt um 35,2 Prozent. Das heißt ja, sie kamen in irgendeiner Form zu Schaden. Gibt es Erkenntnisse darüber, in welcher Rolle als Verkehrsteilnehmer Senioren am gefährdetsten sind?

Lindemann: Der Anstieg hängt natürlich auch mit der demographischen Entwicklung zusammen. Aber hier fällt auf, dass bei den Unfällen mit schwerem Personenschaden oft Senioren als Radfahrer oder Fußgänger betroffen sind. So sind 2017 im Kreis Mettmann 116 Senioren als Pkw-Fahrer verunglückt, 83 als Radfahrer, 52 als Fußgänger. 2018 waren es 150 Kraftfahrer, 90 Radfahrer und 46 Fußgänger. Zu den Verunglückten zählen leicht, schwer und tödlich verletzte Verkehrsteilnehmer. Wenn Senioren als Fußgänger Unfallopfer werden, dann liegt es oft daran, dass sie dunkel gekleidet sind, im toten Winkel der Fahrzeuge hervortreten und die Geschwindigkeit der sich nähernden Fahrzeuge falsch einschätzen. Die Vermutung: „Das schaffe ich noch“, ist dann oft verhängnisvoll.

Was also empfehlen Sie den Senioren bei ihren Vorträgen?

Lindemann: Wir raten, dass sie sich als Fußgänger oder Radfahrer in der Dämmerung sichtbar machen: Es gibt reflektierendes Garn (auch Wolle), das man in Mützen und Schals einflechten kann. Es gibt auch reflektierende Aufkleber, Aufnäher, Klackarmbänder, Westen und komplette Jacken. So kann man schon auf 150 Meter Entfernung wahrgenommen werden, mit dunkler Kleidung erst auf 30 Meter. Und wer nach langer Zeit aufs Rad steigt, sollte seine Beweglichkeit und sein Reaktionsvermögen hinterfragen und erst einmal das Radfahren trainieren, bevor man sich in den Verkehr begibt. Ein weiteres Thema sind Medikamente: Wenn im Beibackzettel steht, man sollte nach deren Einnahme kein Fahrzeug steuern, dann fallen da auch Fahrräder darunter.

Was sollte man als Senior beim Autofahren bedenken?

Lindemann: Wir raten bei unseren Vorträgen zum Thema Verkehrssicherheit auch älteren Autofahrern dazu, einfach einmal eine Fahrstunde zu nehmen, um das Fahrverhalten von einer neutralen Instanz „überprüfen“ zu lassen. Wenn uns, der Polizei, ein Senior durch eine ungewöhnliche Fahrweise auffällt, wenn z.B. grundlos mit 20 km/h durch die Stadt gebummelt wird, dann schreiben wir einen Bericht an das Straßenverkehrsamt. Der betreffende Fahrer muss sich dann einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Aber meistens sind Senioren ja eher Opfer als Verursacher.

Wäre es aus Polizeisicht sinnvoll, ältere Menschen ab einem gewissen Alter einer Fahrtauglichkeitsprüfung zu unterziehen?

Lindemann: Das ist in Deutschland nicht verpflichtend, anders als in einigen EU-Ländern. Meine persönliche Ansicht ist, dass es sinnvoll wäre, wenn sich Senioren regelmäßig medizinisch untersuchen ließen. Dazu gehören auch Hör- und Sehtests. Denn wie viel unangenehmer ist es, wenn man eine Anordnung von der Führerscheinstelle bekommt?

Was raten Sie Senioren, wie sie ihre Fahrkünste selbstkritisch einschätzen können?

Lindemann: Sie sollten die Kritik an ihrem Fahrstil seitens Familienmitgliedern oder Freunden nicht einfach in den Wind schlagen, sondern als Denkanregung nutzen und sich vielleicht mal eine Fahrstunde leisten. Neulich kam ein älterer Herr auf mich zu, der mir ganz stolz berichtet, der Lehrer hätte gesagt, seine Fahrkünste seien noch tipptopp.

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