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Persönliche Erlebnisse und Empfindungen Schreiben Sie uns über Ihr Corona-Jahr!

Die Corona-Pandemie prägt dieses Jahr. Alle Menschen sind in irgendeiner Weise davon betroffen. Viele haben die Covid-19-Krankheit nicht überlebt, Angehörige oder Freunde verloren. Andere haben die Infektion überstanden, manche von ihnen mit schlimmen Nachwirkungen. Und wie haben Sie das Corona-Jahr mit den damit verbundenen Einschränkungen erlebt? Schreiben Sie uns Ihre persönlichen Erlebnisse und Empfindungen, die wir gerne veröffentlichen. Den Auftakt macht RP-Redakteurin Dorothee Schmidt-Elmendorff.

 RP-Redakteurin Dorothee Schmidt-Elmendorff blickt auf ihr persönliches Corona-Jahr zurück.

RP-Redakteurin Dorothee Schmidt-Elmendorff blickt auf ihr persönliches Corona-Jahr zurück.

Foto: Kleinau

Pandemieerfahren war ich ja schon. 2009 hatten wir in der RP-Redaktion Langenfeld bereits die Verbreitung der neuen Influenza A (H1N1)  Grippe medial begleitet und Begriffe wie Aussteigerkarte, Quarantäne, Meldepflicht oder PCR-Test in unseren aktiven Wortschatz aufgenommen. Die „Schweine-Grippe“ entpuppte sich dann aber als vergleichsweise harmlos. Ich habe sie unfreiwillig auch am eigenen Leib erlebt.

Als dann die dystopischen Bilder aus Wuhan und später die Leichen-Lkws in der Lombardei ins Wohnzimmer flimmerten, war irgendwie wohl jedem klar: Dieses Virus ist gefährlich. Dennoch hing es als Damoklesschwert über dem Karnevalsvergnügen noch an einer stabilen Kette.  Ich bin froh, dass ich mir die beiden Karnevalsbälle, die ich zum Höhepunkt der Session besuche, nicht habe entgehen lassen.

Es sollten tatsächlich die letzten ausgelassenen Feste vor dem plötzlichen Ende fast allen gesellschaftlichen Lebens werden. Mein Spaß an der Maskierung wich bald diesem unentrinnbaren Zwang, die untere Gesichtshälfte so zu verdecken, dass einen überhaupt nur für wirklich gute Bekannte erkennen. Und es folgten Monate des anonymen distanzierten Nebeneinanders, eine Anomalie, die dem menschlichen Drang zur Vergesellschaftung zuwiderläuft. Wie dankbar war ich, eine Familie zu haben.

Ende März sprach sich unsere Bundesregierung trotz der eindringlichen Bilder aus China noch gegen eine Masken-Pflicht aus (es gab bekanntlich auch nicht genügend), und verordnete einen harten Lockdown: Für unsere 17-jährige Tochter kurz vor dem Abitur endete am Freitag, 13. März, die Schulzeit. Keine Motto-Wochen, kein Abi-Gag, ein Abschiedszeremoniell, mit denen sich die Schüler allmählich aus dieser Lebensphase lösen. Mehrere Nachmittage hatte ihr Komitee Locations für den Abiball ausgekundschaftet, der dann abgeblasen wurde. Es begann die Zeit der Ungewissheit: Werden die Abiprüfungen wie geplant abgehalten, um ein paar Wochen verschoben, gar ins nächste Jahr verlegt, gibt es ein Not-Abitur wie im Krieg? Und in Geschichte musste noch die Kleinigkeit der kompletten Nachkriegsgeschichte ab der Potsdamer Konferenz als möglicher Abistoff durchgenommen werden. Im Schweinsgalopp durch die beiden Staatsgründungen, Hallstein-Doktrin, Mauerbau, neue Ost-Politik, Perestroika und Wiedervereinigung.

Das Bild meiner Tochter hinter ihrem Schreibtisch - im bequemen Gammellook – sonst eher eine sporadische Momentaufnahme, verstetigte sich über Wochen. Kontakt zu ihren Freunden nur über WhatsApp oder Skype: Ich habe ihr oft meine Hochachtung versichert, weil sie so diszipliniert war. Wenigstens ließ das so lang anhaltend schöne Wetter im Frühjahr es zu, sich wenigstens draußen im Grünen frei zu bewegen. Ein Ventil, das viele Menschen genutzt haben.

Die erste Familienfeier in diesem Jahr war tatsächlich die Abi-Feier am 20. Juni. Zum ersten Mal wieder mit den Großeltern aus essen. Die Maske war da schon zum selbstverständlichen Ausgeh-Utensil avanciert. Anfangs hatte ich mich damit schwer getan, fand ihn entwürdigend und unangenehm. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, so wie in Japan werden wir uns auch einst über die Straße bewegen, ich hätte es nicht geglaubt.

Den Sommer beherrschten die unerfüllbaren Reisepläne. Zum Jahresanfang hatte ich ein paar Tage Stockholm im Juni gebucht. Intensiv verfolgte ich daher die – ausschließlich negative – deutsche Berichterstattung über den schwedischen „Sonderweg“. Sehr kurz vor dem Wochenende unseres Reiseantritts fiel die wohl auch politisch motivierte Entscheidung, die Reisewarnung für Schweden nicht aufzuheben – als einziges EU-Land. Wir sind trotz bereits gepackter Koffer dann auch nicht geflogen. Auch weil  wir den peinlichen Sonderstatus scheuten, die einzigen Maskenträger im Stadtbild zu sein. Die Hotelkosten waren dahin.

Die Reise in die Dordogne hatten wir rechtzeitig gecancelt und uns für das Söder-Land Bayern entschieden: Dann eben vor der herrlichen Watzmann-Kulisse wandern. Und statt den Höhlenmalereinen von Lascaux haben wir uns in Solnhofen (Altmühltal) Fossilien, wie den Archeaopteryx, angeschaut. Als die Politik im April noch wenig Hoffnung auf Auslandsreisen gemacht hatte, schien die Aussicht auf Urlaub im eigenen Land ungefähr so reizvoll wie den Abend mit einer Tier-Doku ausklingen zu lassen: Aber es hat sich gelohnt, einmal noch unbekannte Ecken unserer schönen Heimat zu erkunden.

Rückblickend war die Freizügigkeit des Sommers wohl auch die Geburtsstunde der zweiten Welle. Wenn diese auch vielstimmig angekündigt war, war das Ringen um die richtige Bewältigungsstrategie leider von  Uneinigkeit und politischen Motiven beherrscht: Jetzt fällt hier im Land zum zweiten Mal der Vorhang. Als Mutter bedauere ich vor allem die negativen psychischen und gesundheitlichen Folgen für die Jugend, der es an Bewegung, Kontakten und Anregungen mangelt. Man erkennt es an gewissen Gewichtsschwankungen. Die 21-jährige Tochter, die studiert, hat seit März keinen ihrer Kommilitonen mehr gesehen. Alle Vorlesungen laufen online. Wer die Digitalisierung als Allheilmittel preist, versteht nichts vom menschlichen Dasein.

Zur Krönung des Corona-Jahres erleben wir nun auch noch selber eine Quarantäne  - ausgelöst durch den positiven Befund der inzwischen 18-jährigen Tochter, die ein FSJ in einer Düsseldorfer Klinik absolviert. Und das nach neun Monaten selbst auferlegter sozialer Isolation! Gute Freunde helfen uns, ich würde auch jämmerlich bei der Frage versagen, wie  man recht willkürlich zusammengewürfelte Konserven (Bohnen, Linsen, Rotkohl) zu einer vernünftigen Mahlzeit zusammenführt.

Die Quarantäne endet für uns kurz vor Heiligabend – immerhin: Heute  kam der bestellte Baum, den wir erstmals nicht selber aus dem von der Leyenschen Forst geholt haben.

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