Serie Krisen und Katastrophen ... und was daraus wurde „Ist doch schön, dass Monheim es nachgeahmt hat“

Langenfeld · Von 1986 bis 2008 verringerte die Stadt Langenfeld ihre Schulden von 38 Mio. Euro auf null. Bürgermeister und Kämmerer a.D. blicken im Interview zurück. Magnus Staehler, Verwaltungschef von 1996 bis 2009, verkauft sein Buch „Eins, zwei, drei schuldenfrei“ nach eigenem Bekunden bis heute.

 Am 7. Oktober 1995 berichtete die RP von einer Bürgerversammlung im Rathaus, auf der die Stadtverwaltung die Langenfelder um Vorschläge bat, wie das Haushaltsloch zu stopfen sei. Für 1995 ging es um drei Millionen Mark, für 1996 gar um zwölf Millionen – nachdem die Gewerbesteuer-Einnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise im Nachgang des Wiedervereinigungsbooms auf breiter Front eingebrochen waren. Ganz Europa sprach damals von „the German disease“, der deutschen Krankheit. Kämmerer Winfried Graw plädierte für eine Streichliste „ohne Rücksicht auf alte Beschlüsse oder Versprechen“

Am 7. Oktober 1995 berichtete die RP von einer Bürgerversammlung im Rathaus, auf der die Stadtverwaltung die Langenfelder um Vorschläge bat, wie das Haushaltsloch zu stopfen sei. Für 1995 ging es um drei Millionen Mark, für 1996 gar um zwölf Millionen – nachdem die Gewerbesteuer-Einnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise im Nachgang des Wiedervereinigungsbooms auf breiter Front eingebrochen waren. Ganz Europa sprach damals von „the German disease“, der deutschen Krankheit. Kämmerer Winfried Graw plädierte für eine Streichliste „ohne Rücksicht auf alte Beschlüsse oder Versprechen“

Foto: RP

Herr Staehler, Monheim hat Langenfeld das in Ihrer Amtszeit als Bürgermeister erreichte Alleinstellungsmerkmal „Schuldenfreiheit“ längst abgejagt. Juckt Sie das?

Staehler Ganz im Gegenteil! Schön, dass unser gutes Beispiel nachgeahmt wurde.

Sie haben damals ein L’feld-Buch geschrieben: „Eins, zwei, drei schuldenfrei“. Wie viele Exemplare davon haben Sie denn verkauft?

Staehler Insgesamt mehr als 6000 Stück, bis in die jüngere Vergangenheit auch im Umfeld von Vorträgen, bis hin nach Österreich.

Und wo ist die 2004 am Rathaus montierte Schuldenuhr geblieben?

Staehler Die kam erst in Grevenbroich, dann in Würselen und im österreichischen Linz zum Einsatz. Jetzt ruht sie im Depot des Stadtarchivs im Freiherr-vom-Stein-Haus.

Zur Langenfeld-Entschuldung ab 1986 zählten rigide Ausgabenkürzungen. Wären derlei Zumutungen heute noch durchsetzbar?

Staehler Ja, allerdings nur mit vernünftigen Begründungen und Erklärungen. Die aktuelle Situation zeigt, dass in außergewöhnlichen Situationen auch ungewöhnliche Maßnahmen als angemessen und richtig wahrgenommen werden. Gerade Krisen zeigen, dass „alles mit allem“ zusammenhängt. Bei der Entschuldung Langenfelds konnten wir die Reihenfolge „Starke Einnahmen – Großer Handlungsspielraum – Kreative Stadtgestaltung“ als gemeinsames politisches Ziel definieren. Die Bürgerdividende, zum Beispiel der Gesellschaftsfonds für Vereine, ist bis heute der Lohn und die Grundlage für die Attraktivität Langenfelds.

Aber jetzt drücken die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Shutdowns. Schaffen wir das?

Staehler Der Staat ist stark genug, die Folgen der Corona-Krise zu meistern. Allerdings wird – wenn seriöse Bilanzen erkennbar sind – der Generationenvertrag ein neues Kapitel bekommen. Diplomatisch ausgedrückt: „Die Stabilitätsmechanismen werden neu definiert“. Im Klartext: Wer soll das alles bezahlen?

Ein Thema war damals das Verhältnis Bürgermeister/Stadtkämmerer, verkürzt: Ausgabefreudiger Ideengeber/Sparsamer Mahner und Bremser. Wie sehen Sie rückblickend diese Rollenverteilung?

Staehler Die Rollen sind in der Gemeindeordnung klar beschrieben, die Politik entscheidet, die Verwaltung bereitet vor und führt aus. Mit meiner eigenen Erfahrung – zehn Jahre im Umfeld der Leverkusener Verwaltungsleitung – verfolgte ich das Ziel, aus der „Behörde “ ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen zu machen. Gegenüber den Mitarbeitern leitete mich die Idee „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, und nach außen wollte ich zeigen, wie kommunale Politik funktioniert. Der Stadtkämmerer war in erster Linie für die ordentliche Finanzverwaltung zuständig.

Hat Langenfeld ein Steuerdumping in Gang gesetzt, das Monheim später auf die Spitze trieb?

Staehler Das Monheim-Bashing wegen der Steuerpolitik verstehe ich nicht. Die Städte in der Rheinschiene haben ähnliche Rahmenbedingungen und stehen im Wettbewerb. Der Kreis insgesamt und die Städte des Kreises profitieren von der Monheimer Ansiedlungspolitik. Die Auswirkungen sieht man insbesondere bei der Kreisumlage.

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