Schule Theaterkurs überzeugt mit „Anne Frank“

Langenfeld · 23 Schüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums berühren mit Szenen aus dem Hinterhaus und weiteren Darstellungen.

 Szene aus „Anne Frank“, gespielt von Schülern des KAG.

Szene aus „Anne Frank“, gespielt von Schülern des KAG.

Foto: RP/KAG

„Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch aufhören, einmal werden wir auch wieder Menschen und nicht allein Juden sein.“

Die Aula des Langenfelder Konrad-Adenauer-Gymnasiums (KAG) ist gut gefüllt, denn gleich wird der Literaturkurs „Anne Frank“ aufführen. Draußen tropische Hitze. Und trotz abgedunkelter Fenster heizt sich auch die Aula auf. „Es wird warm werden hier“, sagt auch Markus Pytlik, Leiter des Literaturkurses Theater, vor Beginn der Inszenierung. „Doch bedenken Sie, Sie können in der Pause einfach rausgehen. Anne konnte das nicht. Sie lebte für zwei Jahre abgeschieden im Hinterhaus.“

Keine sehr fröhliche Ankündigung. Aber die Geschichte Anne Franks ist auch ein ernstes Thema. Deswegen wünscht Pytlik dem Publikum an dem Abend auch „kein Vergnügen“, sondern dass es etwas mitnimmt und aus der Geschichte lernt.

Anne Frank (dargestellt von Melanie Ciesinski) musste sich zwei Jahre im Hinterhaus gemeinsam mit ihrer Familie, den van Daans und dem Zahnarzt Alfred Dussel (Tom Geuer) verstecken. Sie durfte tagsüber keinen Laut machen, die Schuhe mussten ausgezogen werden und die Toilettenspülung durfte nicht betätigt werden. Es gab wenig Platz, und sie musste sich ein Zimmer mit Herrn Dussel, einem erwachsenen Mann, teilen.

 Ergänzt wurde die Geschichte, die sich im Amsterdamer Hinterhof abspielte, durch Darstellungen etwa eines Polit-Talks.

Ergänzt wurde die Geschichte, die sich im Amsterdamer Hinterhof abspielte, durch Darstellungen etwa eines Polit-Talks.

Foto: RP/KAG

Doch so depressiv das nun alles klingen mag – wer jetzt denkt, dass es rundum kein schöner Theaterabend war, der liegt falsch. Denn der Kurs schaffte es nicht nur, die Geschichte ohne jegliche Euphemismen darzustellen, er band auch die lichten Momente während Annes Zeit im Hinterhaus ein. Sie ist so ein fröhliches Mädchen und ihre ersten Worte, als sie das Hinterhaus betritt, sind nicht traurig, sondern sie freut sich, dass so viele Menschen da sind, und meint, dass es sein wird wie in einer großen Familie. Melanie Ciesinski gelang es, diese kindliche Freude Annes wirklichkeitsnah darzustellen. Auch dass Anne für ihr Alter schon sehr reif war und genau verstand, was in der Welt draußen vor sich ging, kommt beim Zuschauer an. Außerdem sorgt Petronella van Daan (Gina Schemiger) durch ihre eingebildete Art für den ein oder anderen Lacher, beispielsweise wenn sie sich wünscht, Otto Frank (Annika Rücker) vor ihrem eigenen Mann (Sarah Schapitz) kennengelernt zu haben. Auch hier wurde mit Gina Schemiger eine Darstellerin gewählt, die auf der Bühne zu dieser Person wird und sie so überzeugend verkörpert. Mit jedem Satz kann man spüren, wie schrecklich sie die Situation im Hinterhaus findet, wie sehr sie an ihrem Pelzmantel hängt und für wieviel besser sie sich selbst hält. Eine kleine Abwechslung zur Furcht und Bedrohlichkeit im Hinterhaus bietet auch die Liebesgeschichte zwischen Anne und Peter van Daan (Jan Degener). Diese wird jedoch nicht ganz so überzeugend gespielt.

Der Literaturkurs besteht indes nicht nur aus acht Schülern, sondern aus 23. Zu viele, um nur Annes Geschichte im Hinterhaus zu erzählen. Daher erfand Markus Pytlik das „Vorderhaus“. In diesem werden Beiträge dargestellt, die die damalige und aktuelle Relevanz des Themas Rassismus aufzeigen. So wird das Verhör der Widerstandskämpferin Sophie Scholl szenisch dargestellt, MeTwo-Zitate werden vorgetragen und eine Nazi-Rede wird gehalten. Bei den Proben führte dieses „Vorderhaus“ zunächst zu Problemen. Niemand wollte darin mitspielen. Niemand wollte die Nazi-Rede halten. Die Schüler waren unsicher, wie Pytlik berichtet. Dürfen sie das überhaupt sagen? Dürfen sie überhaupt ein Hakenkreuz tragen?

Am Ende konnte der Lehrer seine Schüler doch für die Idee des Vorderhauses gewinnen, und sogar die Nazi-Rede wurde mit einer Autorität dargestellt, die dem Zuschauer das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mangelt es der einen an Kraft in der Stimme, so glich der andere es durch sein Auftreten aus.

Gleiches gilt für das Sophie-Scholl-Verhör. Besonderen Eindruck macht dabei, dass die Richter aus verschiedenen Ecken des Raumes sprechen. Auf der Bühne ist nur Sophie Scholl (dargestellt durch drei Schülerinnen), die dadurch umso mehr „schuldig“ und verlassen wirkt. Während der Verkündung des Urteils bewegt sich eine Richterin (Clara Neumann) von hinten im Saal auf die Bühne zu, was zur Ernsthaftigkeit und Bedrohlichkeit der Situation beiträgt.

Erwähnenswert ist auch der Auschwitz-Prozess im Nachkriegs-Deutschland, der als Küchenszene dargestellt wird. Die Staatsanwältin schlürft während der Befragung ihren Tee, und die Richterin tritt als Hausfrau auf. Der Angeklagte Mulka hingegen wird als Kind dargestellt, ebenso der Zeuge. Mit diesem Kontrast zwischen der eher lustigen Inszenierung und dem eigentlich ernsten Inhalt verwirrt der Kurs das Publikum und regt so zum Nachdenken an. Zudem wird mit dieser Szene Kritik am Umgang der Nachkriegsjustiz mit den NS-Verbrechen geübt.

Doch auch die anderen Szenen wie die Präsentation der „Todesfuge“, eines Gedichts von Paul Celan über die Situation in den Konzentrationslagern, ein Polit-Talk mit verschiedenen Politikern wie Angela Merkel (Clara Leibrock) oder das Nachspielen einer Schulszene im Anne-Frank-Haus, bei der die Schüler überlegen sollten, wie ihr Tag aussähe, wenn die Judengesetze auch für sie gelten würden, liefen beinahe fehlerlos über die Bühne. Gab es bei dem Polit-Talk einen kurzen Hänger, so ging es danach umso überzeugender weiter.

Zum Schluss berührt ein Monolog von Vater Otto Frank, der als einziger der im Hinterhaus Versteckten die Nazi-Greuel überlebte, die Zuschauer. Darin legt er dar, was aus den anderen wurde. Viele Zuschauern stehen die Tränen im Gesicht. Dann bahnbrechender Applaus.

Insgesamt ein überaus gelungener Abend am KAG. Er schafft beides: dem Zuschauer das schreckliche Geschehen vor Augen zu führen und zum Nachdenken anzuregen, aber auch zu begeistern. Und auch Anne, die erst 15-jährig im KZ Bergen-Belsen starb, schafft dadurch das, was sie in ihrem Tagebuch niederschrieb: „Oh ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“

Die Autorin ist Schülerin des KAG.

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