Langenfeld/Hilden Soldat entkommt Verurteilung

Langenfeld/Hilden · Den Vorgesetzten in der Hildener Waldkaserne attackiert? Niemand will sich erinnern.

 Die Waldkaserne in Hilden

Die Waldkaserne in Hilden

Foto: Christoph Schmidt

Bei Weihnachtsfeiern in der Hildener Kaserne scheint es mitunter fröhlich, vor allem aber sehr feucht zuzugehen. Das wurde einem Zeitsoldaten im Dezember 2017 zum Verhängnis. Nach diversen Gläsern Glühwein, zahlreichen Bierchen und Kakao mit Schuss geriet der angetrunkene Mittzwanziger mit seinen Kameraden erst in eine verbale und dann offenbar mit seinem Vorgesetzten in eine körperliche Auseinandersetzung. Anderthalb Jahre nach dem Geschehen musste er sich nun gestern vor dem Amtsgericht in Langenfeld wegen gefährlicher  Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff gegen einen Vorgesetzten verantworten.

Die gefährliche Körperverletzung war schnell vom Tisch. Denn noch nicht einmal das Opfer selbst, ein heute 31-Jähriger, konnte sich an den Tathergang und die Folgen erinnern. Und das, obwohl er am Tag nach dem Geschehen zu Protokoll gegeben hatte, der Andere habe ihm den Hals zugedrückt und versucht, an seinem Kehlkopf zu reißen. Das Opfer konnte sich heute mit Hilfe des Richters lediglich noch erinnern, dass der Angeklagte damals schon ziemlich angetrunken ein Tablett voller Bier über die Tanzfläche balanciert hatte, von einem Kameraden angerempelt wurde und es schließlich zum Streit kam. Der Vorgesetzte verwies den Soldat des Saales und wollte ihn auf die Stube begleiten. Der habe kurz eingewilligt, sich dann aber ziemlich heftig gewehrt.

Dass es nach dem Angriff unter Luftnot litt und am anderen Tag rote Flecken am Hals hatte, konnte der 31-Jährige im Gericgtssaal nicht mehr bestätigen. Überhaupt schien es, als seien die Vorgänge vom  Dezember 2017 für die Beteiligten vergessen und der Friede in der Kompanie wieder hergestellt. „Wir arbeiten hervorragend zusammen“, sagt der Vorgesetzte mit Blick auf seinen Kameraden auf der Anklagebank. Von Druckstellen oder gar Schmerzen nach dem tätlichen Angriff wollte er nichts mehr wissen. „Klar hatte ich am anderen Morgen Schmerzen, vom Trinken“, bekannte er. Und vielleicht ein paar Kratzer am Hals, die er sich aber durchaus selbst zugefügt haben könne. Auf jeden Fall, das erklärten einstimmig auch  andere Zeugen, sei sehr sehr viel Alkohol geflossen. Den Angriff  hatte aus heutiger Sicht niemand mehr präsent. Der Angeklagte selbst schwieg beharrlich und verwies auf einen kompletten Filmriss. Er sei erst morgens im Bett total verkatert zu Bewusstsein gekommen.

Der Richter am Amtsgericht leitete das Verfahren mit sehr viel Einfühlungsvermögen und gab sich alle Mühe, dem jungen Angeklagten, der sich derzeit fortbildet, nicht die Karriere zu verbauen. Dennoch mochte er ihn nicht ganz freisprechen. „Irgend etwas war da ja damals, wie wir aus den Protokollen ersehen.“

Die Einstellung des Verfahrens, die schließlich nach gegenseitigem Abwägen mit dem Verteidiger Thomas Buchheit zustande kam, ist für den Angeklagten in der Tat nicht optimal. Er muss nicht nur die Kosten des Verfahrens tragen, er wird sich auch noch der Bundeswehr-Justiz stellen müssen. An einem Disziplinarverfahren wird der junge Zeitsoldat nicht vorbeikommen. Und das kann dauern, wie der Verteidiger  erklärte. Unter Umständen noch bis zu zwei Jahre. So lange gebe es keine Auslandeinsätze und keine Beförderung für seinen Mandanten.

Ob sich nach vier Jahren noch jemand an die Geschehnisse der Weihnachtsfeier 2017 erinnern kann, ist fraglich. „Es weiß doch heute schon niemand der Soldaten mehr was war“, sagte der Richter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort