Langenfeld Krätze so schlimm wie lange nicht mehr

Langenfeld · Die Bilanz der Behörden und Verbände ernüchternd aus - fast überall steigen die Zahlen.

Erst war es nur ein leichter Juckreiz, der aber schnell schlimmer wurde, vor allem, wenn Susanne Kuhle (Name geändert) aus der Kälte in die warme Wohnung kam. Die Haut war an immer mehr Stellen gerötet, dann kamen stecknadelgroße Knötchen hinzu. Die 34-Jährige ging zum Hautarzt - und der brauchte keine drei Minuten, um festzustellen: "Sie haben Krätze."

Ähnliche Schreck-Diagnosen haben in den vergangenen Monaten so viele Menschen im Kreis Mettmann erhalten, wie seit Jahren nicht. Die Bilanz der Behörden und Fachverbände fällt zum Ende der Krankheits-"Saison" denn auch ernüchternd aus: Die Krätze ist so schlimm wie lange nicht mehr.

Allein der Kreisverwaltung Mettmann wurden in diesem Winter 55 Fälle gemeldet, mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Zahl bildet allerdings nur einen Ausschnitt der tatsächlich Erkrankten ab, wie Sprecherin Daniela Hitzemann berichtet: "Für Krätze gibt es keine generelle Meldepflicht. Wir erhalten nur Kenntnis davon, wenn die Krankheit in einer öffentlichen Gemeinschaftseinrichtung auftaucht, etwa einer Kindertagesstätte", sagt sie. Im Dezember 2017 musste eine Kita in Ratingen sogar zwei Tage lang schließen, weil es Krätzefälle gab. Bezogen auf das gesamte Jahr 2017 wurden im Kreis rund 500 solcher Fälle gezählt. 2016 waren es lediglich 208.

Zwischen den Jahren 2016 auf 2017 haben die Ärzte etwa 60 Prozent mehr Medikamente gegen Krätze verordnet, wie die Barmer Ersatzkasse vor wenigen Wochen mitteilte: Von 38.127 auf 61.255 Verordnungen stieg die Zahl an. Warum die Lage in diesem Jahr so schlimm ist, können sich selbst Experten bisher nicht erklären.

Was ist Krätze?

Der Erreger der im Fachjargon Skabies genannten Krankheit ist die Krätzmilbe - ein Parasit, der ganz auf den Menschen spezialisiert ist. Die zu den Spinnentieren gehörenden Milben paaren sich an der Hautoberfläche. Das Weibchen - 0,4 Millimeter groß - gräbt dann Gänge in die oberste Hautschicht. Dort legt die Milbe ihre Eier ab, lässt zudem kleine Kotballen zurück. Und die führen zur Entzündung, die stark juckt. Das Kratzen verstärkt die Hautreizung. Zusätzlich können Bakterien eindringen und die Haut noch weiter schädigen.

Wie steckt man sich an?

Die Krätzmilben werden hauptsächlich durch Hautkontakt übertragen. Um sich anzustecken, muss der Kontakt allerdings über einen längeren Zeitraum stattfinden. Das Robert-Koch-Institut - die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheits-überwachung und -prävention - hat festgestellt: Händeschütteln reicht nicht aus. Häufig werden die Milben an den Partner beziehungsweise von Eltern an die Kinder weitergegeben - oder umgekehrt. Wer ist besonders gefährdet?

- Kinder Kinder haben häufig Körperkontakt. Da sich das junge Immunsystem noch vollständig ausbilden muss, ist es stärker gefährdet als das von Erwachsenen.

- Ältere und Demenzkranke Vor allem all jene, die in Gemeinschaftseinrichtungen leben, laufen Gefahr, an Krätze zu erkranken.

- Menschen mit geringer Reiz-Wahrnehmung Zuckerkranke oder Menschen mit Down-Syndrom können Juckreiz nicht oder nur vermindert wahrnehmen. Aber auch HIV-Positive, Chemotherapie-Patienten, Leukämie-Erkrankte und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind stark betroffen. Generell steigt das Risiko, an einer solchen Infektion zu erkranken, in der kalten Jahreszeit. Anders als zunächst angenommen, spielt Körperhygiene hingegen kaum eine Rolle. Welche Körperstellen sind besonders betroffen? Achselregionen, Nabel, Anus, männliche Intimbereiche, Fußränder, Interdigitalfalten (zwischen Fingern und Zehen) Brustwarzenvorhöfe.

Wie wird Krätze behandelt?

Die Therapie ist einfach. Der am häufigsten verwendete Wirkstoff ist Permethrin. Er wird meist als Creme verordnet, die großflächig aufgetragen werden muss. Susanne Kuhle musste den Vorgang nach zwei Wochen wiederholen, wie manch anderer Patient auch. Um Neuansteckung zu vermeiden, sollten Bettwäsche, Handtücher und Unterwäsche mindestens zehn Minuten lang bei 60 Grad gewaschen und anschließend im Wäschetrockner getrocknet werden, raten Hautärzte.

Die Krätzesaison geht zuende: Aktuell verzeichnet Daniela Hitzemann noch drei Fälle in Gemeinschaftseinrichtungen im Kreisgebiet. Doch es ist wohl die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Weltweit rechnet die Weltgesundheitsorganisation mit bis zu 300 Millionen Krätze-Infizierten jährlich. Auch in Deutschland gehen die Experten für Winter von vielen Erkrankten aus.

Susanne Kuhle hofft, dass sie nicht mehr dazugehört.

(RP)
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